Prävention & Vorbereitung auf Krisenszenarien
Die Bedeutung der Krisenkommunikation ist im landwirtschaftlichen Betrieb ein oftmals unterschätztes Themenfeld. Immer komplexer werdende Prozesse durch u. a. steigende Betriebsgrößen, höhere Erzeugerstandards und die Erwartung der Gesellschaft, dass Landwirtschaft eine höhere Verantwortung gegenüber Natur und Umwelt haben muss, bringen mehr Unsicherheit für einen Betrieb.
Krisen werden zunehmen und können damit Ressourcen und Ziele eines Betriebes gefährden. Etwaige Fehler in der Krisenkommunikation können den Verlauf einer Krise negativ beeinflussen und Schaden vergrößern. Umso wichtiger ist eine gute kommunikative Begleitung von (potenziellen) Krisen.
Der DLG-Ausschuss für Öffentlichkeitsarbeit skizziert mit dieser Publikation einige Möglichkeiten und praktische Vorschläge, die Landwirt:innen nutzen können, um sich mit potenziellen Krisen zu beschäftigen und adäquat darauf vorzubereiten.
Dies betrifft besonders Personen, die im öffentlichen Leben stehen. Diese sollten sich stets ihrer Vorbildfunktion bewusst sein und bedenken, dass ihre Reputation durch eine Krise stark in Mitleidenschaft gezogen werden kann.
Krisenkommunikation und -management beginnt lange vor einer Krise
Die derzeit wohl häufigsten Anlässe zur Krisenkommunikation im landwirtschaftlichen Bereich sind Tatbestände, die als möglicher Verstoß gegen Tierschutzvorgaben gewertet werden können. Dabei ist es oftmals unrelevant, ob es sich tatsächlich um einen Verstoß oder einen Verdacht handelt. Allein der Verdacht, der auf ein mögliches Fehlverhalten hinweist, kann ausreichen, um (kommunikativ) in eine Krise zu geraten.
Im besten Fall beginnt die Krisenkommunikation oder Krisen-PR lange bevor sich eine Krise ankündigt. Nur so lassen sich potenzielle Krisen verhindern oder abmildern. Ist eine Krise erst einmal ausgebrochen, kann sie die Reputation eines Betriebes binnen kürzester Zeit schädigen und damit auch zu erheblichen wirtschaftlichen Einbußen führen. Häufig kommt es zu Misstrauen in der Nachbarschaft oder gar einem Bruch im sozialen Umfeld. Das möchte niemand.
Das Management von Krisen lässt sich in vier Stufen einteilen, die hilfreich in der strategischen Kommunikation sind:
Krisenprävention und Früherkennung
Durch präventive Maßnahmen lassen sich potenzielle Krisen abmildern oder sogar verhindern. Wichtig dabei ist vor allem die kritische Auseinandersetzung mit aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen und Themen des landwirtschaftlichen Sektors (z. B. Kupieren der Ringelschwänze bei Ferkeln). Werden Sie sensibel für Ihre Betriebsabläufe: Es kann jeden treffen.
Ein entscheidender Erfolgsfaktor ist, dass Sie in guten Zeiten für schlechte Zeiten Kontakte vorbauen. Je mehr Vertrauen Sie zu Ihrem Umfeld (Nachbarschaft, Schulen, Vereine, Journalisten etc.) aufbauen können, desto schwieriger wird es, dass dies durch eine Krise beschädigt wird.
Dabei spielt Öffentlichkeitsarbeit eine bedeutende Rolle. Diese bedeutet aber nicht, dass sich jeder vor eine Kamera stellen muss, denn es gibt zahlreiche Alternativen. Grundvoraussetzung ist immer die Auseinandersetzung mit aktuellen politischen, medialen und gesellschaftlichen Themen rund um die Landwirtschaft.
Praxistipp:
- Kennen Sie Ihre kritischen Themen? Wenn nicht, laden Sie sich fachfremde Personen aus Ihrem vertrauten Umfeld auf den Hof ein und erlauben Ihnen, kritische Fragen zu stellen.
- Gutes Miteinander und sich in die Dorfgemeinschaft einbringen gehört zur aktiven Imagearbeit. Auch ein Sponsoring des örtlichen Vereins ist hierfür dienlich.
- Fungieren Sie als Ansprechpartner:in für die Öffentlichkeit, z. B. bei Fragen von Spazierenden, bei Schulbesuchen oder bieten Sie Führungen für Schulklassen und andere Gruppierungen auf dem Hof an.
- Nutzen Sie öffentlich wirksame Events (z. B. Hoffeste) strategisch für die eigene Positionierung.
- Etablieren Sie Managementstrukturen, damit im Fall einer Krise eine Reaktionskette (Krisenreaktionsstrategie) in Gang gesetzt werden kann, in der jeder genau weiß, was zu tun ist und wer kontaktiert werden muss.
- Halten Sie Kontakt zu Berufsverbänden und Pressevertreter:innen. Kennen Sie die örtlichen Ansprechpartner:innen? Bieten Sie z. B. jährliche Pressegespräche (in Zusammenarbeit mit dem örtlichen Bauernverband) an.
Krisenvorbereitung
Für gesellschaftlich kritische Themen sollten Argumente vorbereitet und gegebenenfalls Anpassungen im Betrieb vorgenommen werden. Die gedankliche und argumentative Auseinandersetzung mit diesen Themen kann im Krisenfall Routine schaffen. Hinterfragen Sie immer wieder die Betriebsabläufe sowie Ihr eigenes Handeln und das Ihrer Mitarbeitenden. Gute fachliche Praxis braucht einen Verhaltenskodex – gehen Sie deshalb immer mit der Einstellung „Wenn ich auf meinem Betrieb etwas nicht zeigen kann, dann ist es höchstwahrscheinlich falsch!” an die Krisenprävention heran.
Praxistipp:
- Achten Sie stetig darauf, Ihr Augenmerk neu zu justieren und verhindern Sie betriebsblind zu werden. Stellen Sie sich dazu z. B. folgende Fragen:
- Gehen alle Betriebsangehörigen und Mitarbeitenden gesetzeskonform mit den Tieren um?
- Kann ich jederzeit das Handeln aller Betriebsangehörigen verantworten?
- Wissen Sie, wo die Abgrenzung zwischen eingreifenden Hilfsmaßnahmen und gesetzlichen Tierschutzvorgaben beginnt? Denn: Außenstehende Personen könnten Ihren Umgang mit den Tieren als falsch empfinden.
Sicherheitsvorkehrungen: Treffen Sie die richtigen Sicherheitsvorkehrungen, um ein Eindringen in den Stall schnellstmöglich festzustellen. Das Abschließen der Ställe ist die einfachste Möglichkeit, damit aus einem Stalleinstieg im rechtlichen Sinne ein Stalleinbruch wird.
Eine weitere Möglichkeit zur Sicherstellung der Betriebsabläufe bzw. der Produktionssicherheit ist z. B. die Installation von geeigneten Überwachungssystemen und Alarmanlagen.
Übung macht den Meister: In Krisensituationen herrscht Ausnahmezustand und man setzt auf gelernte Verhaltensweisen und -muster. Die sollten für einen Krisenfall gut trainiert sein, insbesondere Empathie für das Gegenüber. Trainieren Sie daher für den Ernstfall, z. B. mit einem Medientraining und am besten mit Ihrem Team.
Nicht nur die kritische Auseinandersetzung mit fachlichen Themen ist im Krisenfall von Bedeutung. Auch Kommunikations- und Ablaufpläne lassen sich im Vorfeld konstruieren und dienen im Ernstfall als Leitfaden. Es schafft ein besonderes Vertrauen, wenn Sie ihr privates (Familie, Freundeskreis, Nachbarn) und berufliches (Lieferpartner:innen, Verbände, Ehrenämter) Umfeld möglichst selbst über den Vorfall informieren und diese es nicht über die Presse erfahren.
Praxistipp:
- Setzen Sie einen Verhaltenskodex auf, in dem klar geregelt ist, wie sich Familie und Mitarbeitende im Krisenfall verhalten, z. B. sollten Mitarbeitende bei Presseanfragen auf die Betriebsleitung verweisen.
- Erstellen Sie eine Telefonkette für die interne und externe Kommunikation: Wer muss im Krisenfall angerufen werden und wer übernimmt diese Anrufe.
- Dabei sollten auch Informationspflichten bei Lieferverträgen berücksichtigt werden. Informieren Sie sich außerdem im Vorfeld bei Verbänden, ob diese Unterstützung anbieten und wer die zuständigen Personen sind.
Akutes Krisenmanagement
Die Krise ist da. Jetzt kommt es auf die Kommunikation an: schnell und überlegt, transparent und faktenbasiert. Emotionen spielen eine Schlüsselrolle und es geht um die Wahrung Ihrer Glaubwürdigkeit. Als Betroffene sind Sie in der Situation möglicherweise nicht in der Lage, rational zu handeln und zu kommunizieren. Holen Sie sich unbedingt professionelle Hilfe!
Praxistipp:
- Oberstes Gebot: Ruhe bewahren und überlegt handeln!
- Vorfall bei der Polizei melden – wichtig für statistische Erfassung
Interne Kommunikation:
- Verhaltenskodex/Telefonkette innerhalb von Familie, Freunden & Belegschaft aktivieren
- Hilfe holen (Berufsverbände, Anwalt etc.)
- Verbände/ Organisationen, in denen man ein Ehrenamt innehat, informieren
Externe Kommunikation:
- Strategisch wichtige Partner informieren, z. B. QS, ITW, Schlachthof, Anbauverband, ggf. auch weitere Erzeugerlabels, um Lieferbeziehung zu sichern.
- ggf. mit Umsicht weitere (Vertrags-)Partner informieren; Beachten Sie dabei, dass sich die Informationslage innerhalb der ersten 24 h schnell ändert.
- Pressemitteilung erstellen (lassen) und veröffentlichen.
- Falls eine Website oder Social-Media-Kanäle vorhanden sind, sollte auch hier die Pressemitteilung veröffentlicht werden; gegebenenfalls sollten Kommentarfunktionen oder sogar die gesamte Seite vorübergehend deaktivieren werden.
- Google my Business-Eintrag bzw. Kommentare im Blick behalten.
Umgang mit der Presse (Kamerateam, Telefonate):
- Auch hier lautet das oberste Gebot: Ruhig und sachlich bleiben! Handeln und äußern Sie sich mit Bedacht, denn erste Äußerungen bekommt man nicht mehr weg!
- Aussagen, die Sie den Medien gegenüber tätigen können:
- „Ich kann zum aktuellen Zeitpunkt keine Aussage treffen.”
- „Ich stehe jetzt gerade nicht für Aufnahmen zur Verfügung”
- „Bitte schalten Sie die Kamera aus.”
- „Lassen Sie mir das Bildmaterial zukommen, davor kann ich keine Aussage treffen.“
Krisennachsorge
Um zukünftige Krisen vorzubeugen oder noch besser zu managen, sollten sich Betriebsleiter:innen genau überlegen, was man beim nächsten Mal besser machen kann.
Ziel dabei ist es, sich bestmöglich vorzubereiten und im Notfall genau zu wissen, was zu tun ist, um möglichst viel Schaden für sich persönlich und den landwirtschaftlichen Betrieb abzuwenden. Denn in der Krise ist dieAufmerksamkeit garantiert, aber emotional und unkontrolliert. Krisenkommunikation ist daher auch Vertrauenskommunikation. Und das will geübt sein!
Betriebe, die einmal von einer Krise wie z. B. einem Stalleinbruch betroffen waren, werden oftmals wiederholt zum Ziel. Leiten Sie deshalb unbedingt Maßnahmen ein, um durch Krisenprävention künftige Krisen abzuwehren. Hinterfragen Sie, welche Veränderungen getätigt wurden, um Fehler abzustellen und Potenziale für Krisen zu reduzieren.
Diese Publikation ist ein Angebot zur Selbsthilfe. Jeder Krisenfall ist individuell und die Reihenfolge der Geschehnisse weicht in Ihrem Fall möglicherweise von diesen Ratschlägen ab. Zögern Sie nicht, sich auf einen Schadensfall vorzubereiten oder sich im Schadensfall professionelle Hilfe zu holen.
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