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Bedeutung und Entwicklungschancen des Ökolandbaus

Ein Positionspapier des DLG-Ausschusses für Ökolandbau

Inhalt

  • DLG-Ausschuss für Ökolandbau
  • Entwicklung und Chancen des Ökolandbaus

Autoren:

DLG-Ausschuss Ökolandbau

  • Gunther Lötzke, Gutsverwalter, Freiherr von der Borch´sche Verwaltung Gut Holzhausen, 
    Vorsitzender DLG-Ausschuss Ökolandbau
  • Dag Frerichs, Levoos GmbH & Co. KG, 
    stellv. Vorsitzender DLG-Ausschuss Ökolandbau
  • Andreas Engemann, BiolandHof Engemann
  • Christoph Müller, Biolandhof Müller-Oelbke
  • Prof. Detlev Möller, Ökologische Agrarwissenschaften, Universität Kassel
  • Dr. Achim Schaffner, DLG

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Bedeutung und Entwicklungschancen des Ökolandbaus

Ein Positionspapier des DLG-Ausschusses für Ökolandbau

Der DLG-Ausschuss für Ökolandbau versteht sich als verbandsunabhängiger Zusammenschluss von erfolgreichen ökologisch wirtschaftenden Landwirtinnen und Landwirten. Mit seiner Arbeit unterstützt der Ausschuss den Fortschritt im Öko-Ackerbau und der Öko-Tierhaltung und setzt Impulse in der Betriebsführung.

Die Diskussion aktueller Fachthemen sowie der intensive Erfahrungsaustausch prägen die Arbeit des Ausschusses. Als Stimme der ökologischen Landwirtschaft innerhalb der DLG bringt sich der Ausschuss in die Facharbeit der DLG ein. Gemeinsam mit konventionellen Berufskolleginnen und -kollegen und Vertreterinnen und Vertretern aus Wissenschaft und Wirtschaft geht es darum, sich über technische und wissenschaftliche Erkenntnisse unvoreingenommen auszutauschen, Schnittmengen zu suchen und neue Impulse für die Landwirtschaft sowie die Agrarforschung zu geben.

Aus der Facharbeit resultierende Ergebnisse, die für die Landwirtschaft allgemein und den Ökolandbau insbesondere förderlich sind, stellt der DLG-Ausschuss Ökolandbau auf den verschiedenen DLG-Veranstaltungen zur Diskussion und veröffentlicht sie über die Medien der DLG.

Die zehn Positionen:

  1.  Ökolandbau ist der Nische entwachsen. 
  2.  Ökolandbau bietet Lösungsansätze auch für die konventionelle Landwirtschaft. 
  3.  Ökolandbau kann Taktgeber bei nachhaltigen Innovationen sein. 
  4.  Das Regelwerk des Ökolandbaus ist der Garant für Akzeptanz und Vertrauen. 
  5.  Öko-Tierhaltung ist flächengebunden. 
  6.  Ökolandbau verfolgt ein gleichwertiges Zielbündel aus Artenvielfalt, Tierwohl, Nährstoffeffizienz und Ertragsleistung.
  7.  Ökolandbau muss Defizite entschlossen angehen. 
  8.  Ökolandbau muss konsequent weiterentwickelt werden. 
  9.  Ökolandbau „liefert“ öffentliche Güter und bedient eine wachsende Nachfrage. 
  10.  Die Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen für Ökoprodukte müssen ausgebaut werden. 

 

Entwicklung und Chancen des Ökolandbaus

 

1. Ökolandbau ist der Nische entwachsen. 

Die Geschichte des Ökolandbaus beginnt in den frühen Jahren des letzten Jahrhunderts. Aus einer anfänglich sehr kleinen Bewegung entwickelte sich insbesondere in den 70er und 80er Jahren eine definierte Form der Landwirtschaft, die sich durch die Verbandsrichtlinien und später durch eine eigene EU-Verordnung klar von der konventionellen Landwirtschaft abgrenzt. Kreislaufwirtschaft und Agrarökologie sind die Säulen des Systems, der Verzicht auf chemisch-synthetische Betriebsmittel eine der Konsequenzen der Grundidee.

Spätestens seit Beginn der 2000er Jahre hat der Ökolandbau deutlich mehr Gewicht in der öffentlichen und politischen Wahrnehmung gewonnen, woraus die politische Forderung nach 20 % Ökolandbau an der gesamten Anbau­fläche Deutschlands resultiert. Darüber hinaus haben Nachfrage und Erzeugung von Bioprodukten sehr deutlich zugenommen, sodass der Ökolandbau der Nische entwachsen ist. 

2. Ökolandbau bietet Lösungsansätze auch für die konventionelle Landwirtschaft.

Schon die Gründungsbewegung des Ökolandbaus vertrat die Auffassung, dass ihre Arbeit neben der Lebensmittelerzeugung auch der Unabhängigkeit ihrer Betriebe, dem Erhalt der Artenvielfalt und dem Schutz der Umwelt dienen sollte. Große Aufmerksamkeit wurde und wird der Förderung der Bodenfruchtbarkeit geschenkt, was sich in den umfangreichen Fruchtfolgen widerspiegelt. Präventives Denken und Handeln sowie Praxiserfahrung stellen die Basis für eine Landwirtschaft dar, die auf natürliche Synergien und Nährstoffkreisläufe angewiesen ist. 

Zusätzlich erbringt der Ökolandbau eine Reihe von „Ökosystem-Dienstleistungen“ die ihn dazu qualifizieren, Ideengeber für eine künftige, ökologischere konventionelle Landwirtschaft zu sein. Außerdem kann die ökologische Landwirtschaft mit ihrem breit vorhandenen Praxiswissen, z. B. in den Bereichen Unkraut­regulierung und Fruchtfolgegestaltung, Lösungsansätze für aktuelle Probleme und Aufgaben der konventionellen Landwirtschaft bieten. 

3. Ökolandbau kann Taktgeber bei nachhaltigen Innovationen sein.

Aufgrund seines systemischen Ansatzes ist der Ökolandbau nachweislich umweltverträglich, ressourcenschonend und tierwohlorientiert. Denn der Ökolandbau baut auf vitalen Ökosystemen auf, schließt Kreisläufe und wirtschaftet vorsorgend. Darüber hinaus ist das Risiko, in ökologisch erzeugten Lebensmitteln Rückstände zu finden, minimal, da in der Produktion auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel verzichtet wird und der Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung stark reglementiert ist. Dieses Vorsorgeprinzip vermeidet Belastungen der erzeugten Produkte mit Fremdstoffen. Bioprodukte sind deshalb für eine zunehmende Anzahl an Verbraucherinnen und Verbrauchern wichtiger Bestandteil einer gesunden Ernährung. Die Erfahrungen mit sich selbst regulierenden, natürlichen Systemen in Ackerbau und Tierhaltung und stete Kundennähe befähigen den Ökolandbau dazu, Taktgeber für nachhaltige Innovationen in der Landwirtschaft zu sein.

4. Das Regelwerk des Ökolandbaus ist der Garant für Akzeptanz und Vertrauen.

Eine besondere Leistung der Ökobranche besteht darin, sich selbst ein allgemein akzeptiertes und praktiziertes Regelwerk gegeben zu haben, das den Kreislauf- und Systemgedanken auf allen Ebenen der Produktion in den Vordergrund stellt. Die Richtlinien der EU und insbesondere der Verbände sind die Grundsteine für die Vermarktung von Bio-Produkten mit glaubwürdiger Qualität und nachvollziehbarer Entstehung. Das bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern gewonnene Vertrauen und die Akzeptanz höherer Lebensmittelpreise sind wichtige Güter, die es zu erhalten gilt! Festgeschriebene Selbstverpflichtungen in den Bereichen Biodiversität, Bodenfruchtbarkeit und Soziales können dieses Vertrauen langfristig mehren und festigen. 

5. Öko-Tierhaltung ist flächengebunden.

Für einen weitgehend geschlossenen Nährstoffkreislauf zwischen Boden, Pflanze und Tier erfolgt die Öko-Tierhaltung flächengebunden – entweder innerbetrieblich oder im Rahmen einer Futter-Mist-Kooperation. Die Tiere werden hauptsächlich mit eigenem bzw. aus der Kooperation stammendem Futter versorgt. Die Anzahl der Tiere je Flächeneinheit ist begrenzt, um Belastungen von Boden, Grundwasser und Oberflächengewässern zu vermeiden. Darüber hinaus ist der Zukauf an Dünger stark reglementiert. Damit schließt der Ökolandbau Nährstoffkreisläufe weit­gehend und vermeidet Nährstoffüberschüsse. Dem Tierwohl wird ein hoher Stellenwert beigemessen: Mit mehr Platz im Stall, Tageslicht, Auslauf im Freien und durch die Wahl geeigneter Rassen erreicht die Öko-Tierhaltung hohe Standards. 

6. Ökolandbau verfolgt ein gleichwertiges Zielbündel aus Artenvielfalt, Tierwohl, Nährstoffeffizienz und Ertragsleistung.

Der Ökolandbau erreicht deutlich geringere Naturalerträge als der konventionelle Landbau. Diesen Ertragsrückstand führen Kritiker gerne als Hauptargument gegen den Ökolandbau an. Dabei wird aber außer Acht gelassen, dass die ökologische Landwirtschaft freiwillig und richtliniengetreu den Düngereinsatz begrenzt und so unter anderem dazu beiträgt, eine hohe Stickstoff- und Energieeffizienz in der Produktion zu erreichen. Darüber hinaus ordnet der Ökolandbau Ziele wie die Sicherung der Artenvielfalt, eine hohe Stickstoff- und Energieeffizienz, hohe Tierwohlstandards etc. gleich hoch ein wie die Ertragsleistung. Diese zum Teil widersprüchlichen Ziele werden bei der Weiterentwicklung von Produktionssystemen im Ökolandbau sorgfältig austariert. Bei der Betrachtung des auf den Ertrag bezogenen Ausstoßes an Treibhausgasen schneidet der Ökolandbau ähnlich wie die konventionelle Landwirtschaft ab. Das heißt, generell muss sich der gesamte landwirtschaftliche Sektor den Themen Klimaschutz und Ressourcenverbrauch stellen und zielorientierte Lösungen erarbeiten!

7. Ökolandbau muss Defizite entschlossen angehen.

Das positive Image, das sich die gesamte Ökobranche erarbeitet hat und die Leistungen des Ökolandbaus für Ressourcenschutz, Artenvielfalt, Gewässerqualität etc. dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass durchaus Entwicklungsdefizite bestehen. Zu nennen sind bspw. der Kupfer­einsatz, die Eiweißversorgung bei 100 % Ökofütterung oder auch die Ertragsabstände zum konventionellen Landbau. Diese lassen sich z. T. mit geringen Forschungsfortschritten begründen. Denn die Forschung für den Ökolandbau ist strukturell unterfinanziert. Einerseits war bisher eine Landwirtschaft, die weitgehend auf Wissen und nicht auf den Zukauf von externen Betriebsmitteln angewiesen ist, für eine fremdfinanzierte, wissenschaftliche Arbeit nicht von Belang, andererseits hat sich die öffentlich geförderte Forschung nur zu einem sehr geringen Teil mit konkreten Fragestellungen des Ökolandbaus befasst. 

8. Ökolandbau muss konsequent weiterentwickelt werden.

Durch eine noch stärkere Verbindung zwischen Praxiswissen und praxisorientierter Forschung sind deutliche Entwicklungsmöglichkeiten für den Ökolandbau zu erwarten. Dazu ist es notwendig, die Mittel für Ökoforschung, Pflanzen- und Tierzucht aufzustocken, Projekte zu ermöglichen, die über den üblichen 3-Jahreszeitraum hinausgehen und Landwirte und Forscher stärker miteinander zu vernetzen. Perspektivisch wird sich die Ertragslücke zwischen konventionell und ökologisch wirtschaftenden Betrieben deutlich verkleinern lassen. Der Ökolandbau hat ein großes Interesse daran, die Ertragsfähigkeit dauerhaft zu steigern und zu stabilisieren, ohne dabei die eigenen Grundsätze zu verletzen. Die Wirkung von Einzelmaßnahmen auf das Gesamtsystem sind dabei immer präzise abzuwägen.

In dem Maße, in dem die Richtlinien eine deutliche Trennung zwischen konventioneller und ökologischer Landwirtschaft ermöglichen, schränken sie unter Umständen aber auch die Entwicklungsmöglichkeiten der ökologischen Landwirtschaft ein. Auf Verbandsebene und in politischen Gremien wird man künftig selbstkritisch prüfen müssen, in welche Richtung sich der Ökolandbau und die nachgelagerten Bereiche entwickeln dürfen und sollen. Es wird zu klären sein, wie sich die Richtlinien­strukturen verändern lassen, um wissenschaftlichen Fortschritt schneller in die Praxis umzusetzen 
und die Innovationskraft der Landwirte für einen zukunftsfähigen Ökolandbau zu nutzen.

9. Ökolandbau „liefert“ öffentliche Güter und bedient eine wachsende Nachfrage.

Die Förderung des ökologischen Landbaus honoriert die erbrachten Gemeinwohlleistungen. So erreicht der Ökolandbau eine höhere Artenvielfalt bei der Ackerflora und bei Insekten, eine höhere Bodenfruchtbarkeit und reduziert die Stickstoffeinträge in Gewässer. Verbraucherinnen und Verbraucher legen zunehmend Wert auf gesellschaftliche Verantwortung, Gesundheit, Erhaltung der Artenvielfalt etc. und fragen zunehmend Bioprodukte nach. Das zeigt sich darin, dass die Ausgaben der Haushalte für Bioprodukte von 8 Mrd. Euro im Jahr 2014 auf knapp 15 Mrd. Euro in 2020 gestiegen sind. Beides zusammen – der Verkauf von Bioprodukten und die Entlohnung der öffentlichen Güter – sichert die Zukunft der Öko-Betriebe.

10. Die Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen für Ökoprodukte müssen ausgebaut werden.

Entscheidend für das weitere Wachstum des Ökolandbaus ist neben der Umstellung von Betrieben die Weiterentwicklung der Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen, damit Rohwaren ihren Weg in den Markt finden. Traditionell arbeiten Öko-Landwirte und Öko-Verarbeiter eng und auf Augenhöhe zusammen, um die Entstehung von Produkten für Verbraucher transparent zu halten. Deshalb muss im Mittelpunkt der Strategien für die Entwicklung des Ökolandbaus auch die Entwicklung dezentraler, mittelständischer Strukturen stehen. Ziel sollte es sein, neue, kurze Wertschöpfungsketten aufzubauen, die alle Absatzkanäle für Bioprodukte bedienen und das wirtschaftliche Bestehen der Marktpartner nachhaltig absichern.

Fazit

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der Ökolandbau eine allgemein anerkannte Form der Landwirtschaft ist, deren Leistungen wissenschaftlich belegt über die reine Lebensmittelproduktion hinausgehen. 

In der Praxis liegt ein großer Erfahrungsschatz vor, der, gepaart mit dem Ideenreichtum innovativer Köpfe, viele erfolgreiche Betriebsbeispiele hervorgebracht hat. Durch eine intensivierte, praxisnahe Forschung lässt sich die Ertragsleistung weiter steigern – bei gleichzeitiger Beibehaltung der positiven Effekte des Ökolandbaus auf Natur, Umwelt und Mensch.

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Kontakt

DLG e.V. • Michael Biallowons • Tel.: +49(0)69/24 788-209 • m.biallowons@DLG.org