Flächenstillegung leistet keinen Beitrag zur Biodiversität
Für Gunther Lötzke impliziert die fachliche Praxis immer das Vorsorgeprinzip
Die Stilllegung von Flächen ist keine neue Maßnahme. Ursprünglich wurde sie Ende der Achtzigerjahre auf freiwilliger Basis eingeführt, um die Überproduktion von Nahrungsmitteln einzuschränken. Später wurde sie verpflichtend in die GAP aufgenommen.
Seit der Agrarreform von 2015 gibt es im Greening den Begriff der „ökologischen Vorrangfläche“. Diese Ackerflächen werden extensiver oder als Brache gar nicht bewirtschaftet, um nach Auffassung der GAP dem fortschreitenden Artenschwund im Ackerbau entgegenzuwirken. Auch die ab 2023 geplante Stilllegung verfolgt dieses Ziel. Durch das Unterlassen jeglicher Bearbeitung oder Aussaat nach Abernte der vorherigen Hauptfrucht mit dem Ziel der Selbstbegrünung soll sich, so lautet die Vorgabe im GLÖZ 8, bis zum 15. August des darauffolgenden Jahres eine artenreiche Flora und Fauna auf den entsprechenden Flächen etablieren. Erst ab Mitte August ist dann wieder eine Bearbeitung der Flächen zur Vorbereitung für die nachfolgende Kultur erlaubt.
Generell führt eine langfristige Extensivierung von Ackerflächen, wie sie im Ökolandbau praktiziert wird, zu einer höheren Artenvielfalt. Im konventionellen Landbau bedingen in besonderem Maße eine Reduktion der mineralischen Düngung und das Weglassen des chemischen Pflanzenschutzes eine größere Anzahl an Pflanzen- und Insektenarten in den angebauten Kulturen. Wird darüber hinaus die mechanische Beikraut-Regulierung eingeschränkt, wird diese Wirkung nochmals verstärkt. Auch dünne Pflanzenbestände können sich positiv auswirken, da sie weniger konkurrenzstark gegenüber Wildkrautarten sind.
Die Liste der Vorteile einer extensiven Landwirtbewirtschaftung lässt sich auch auf Insekten, Kleinsäuger und Feldvogelarten ausdehnen, da sie von einer größeren Pflanzenvielfalt, der Bodenruhe und den offenen Beständen profitieren.
Die genannten positiven Effekte lassen sich eingeschränkt auch auf die Selbstbegrünung anwenden. Ackerwildkräuter, die durch die Stilllegung gefördert werden sollen, haben sich evolutorisch darauf spezialisiert, neben den Nutzpflanzen wie Getreide zu wachsen. Ihr Auftreten und Wachstum hängt maßgeblich von der Bewirtschaftung der Fläche und damit von der Bearbeitung des Bodens ab. Ohne die ackerbaulichen Maßnahmen werden die meisten Ackerwildkräuter von konkurrenzstärkeren, oft mehrjährigen Pflanzen unterdrückt.
Mit der geplanten Stilllegung, wie sie die GAP ab 2023 vorsieht und einer Unterlassung der guten fachlichen Praxis gleichkommt, ist keine große Unterstützung der Biodiversität zu erreichen! Denkbare positive Effekte im Sinne des Artenschutzes sind unbedingt mit ihren negativen Auswirkungen auf den Ackerbau abzuwägen.
Wurzelunkräuter statt förderungswürdige Arten
Die Ausbreitung von Disteln und anderen Wurzelunkräutern ist nur ein Szenario, das im Falle einer Selbstbegrünung eintreten dürfte. In der Folge wird ein stärkerer Einsatz von Herbiziden notwendig sein, um die schwer zu regulierenden Wurzelunkräuter wieder in den Griff zu bekommen. Speziell im ökologischen Landbau wird es Jahre und eine intensivierte Bodenbearbeitung brauchen, um die Probleme wieder beherrschbar zu machen. Vor allen Dingen wird es zu einer deutlichen Erhöhung des Samenpotentials der bereits vorhanden, dominierenden Samenunkräuter kommen. Eine Neuansiedlung von seltenen Arten ist nicht zu erwarten.
Mehr Blattkrankheiten durch Ausfallgetreide
Wir werden auch sehen, dass auf den liegengelassenen Flächen besonders Ausfallgetreide wachsen und eine grüne Brücke für Blattkrankheiten und Schädlinge bilden wird. Im Ökolandbau fehlt es an Möglichkeiten, solche Probleme zu kompensieren. Konventionelle Landwirte oder Landwirtinnen werden den Aufwand an Fungiziden und Insektiziden entsprechend erhöhen.
Ohne Begrünung nach der Ernte Verlagerung von Stickstoff ins Grundwasser
Was wird mit dem Stickstoff passieren, der nach der Ernte der Vorfrucht noch pflanzenverfügbar ist oder im Laufe der Zeit aus dem Bodenvorrat mineralisiert wird? Ohne einen wüchsigen Pflanzenbestand an der Oberfläche wird sich der Stickstoff in Richtung Grundwasserkörper verlagern.
Die Gehalte an CAL-extrahierbarem Phosphat und Kalium nehmen durch eine Selbstbegrünungsbrache ab. Eine Nachdüngung ist dementsprechend in den Folgejahren erforderlich.
Hohe Wasserverluste
Wie ist es um den Wasserhaushalt bestellt? Durch die fehlende Bearbeitung nach Aberntung der vorherigen Hauptkultur wird die Kapillarität der Böden erhalten. In dessen Folge kommt es unter trockenen Bedingungen, die wir zunehmend zu erwarten haben, zu einer fortschreitenden Austrocknung. Sollte außerdem das Stroh geerntet worden sein, ist die Erdoberfläche zusätzlich ohne jeglichen Schutz der sommerlichen Sonne ausgesetzt. In den obersten Zentimetern des Bodens werden Temperaturen erreicht, die das Bodenleben nachhaltig schädigen.
Nur an sichtbare Biodiversität gedacht, nicht ans BodenlebenEs wird bei dieser geplanten Maßnahme vorrangig an die Förderung der Biodiversität gedacht, die für das menschliche Auge direkt sichtbar ist. Was passiert aber in der Zeit der Stilllegung mit dem hochspezialisierten Bodenleben? Jedes Anbausystem führt in Abhängigkeit von den angebauten Kulturen, des Düngungsniveaus und der Bodenbearbeitung zu einem darauf abgestimmten Ökosystem im Boden. Dieses wird sich beim Ausbleiben des „gewohnten“ Anbaus von Kulturen verändern. Gerade für den Ökolandbau, der sehr auf ein aktives, dynamisches Bodenleben angewiesen ist, sind negative Auswirkung vorstellbar.
Angesichts der oben genannten Auswirkungen eines Unterlassens der Bewirtschaftung erhebt sich die Frage, was die Stilllegung ab 2023 mit der „guten fachlichen Praxis“ zu tun hat?
Im Sinne der Landwirtschaft steht die „gute fachliche Praxis“ für den Erhalt der natürlichen Funktionen des Bodens bzw. der Fruchtbarkeit der Böden. Das originäre Ziel der Landwirtschaft, Nahrungsmittel zu produzieren, kann nur erreicht werden, wenn die Fruchtbarkeit der Böden dauerhaft gefördert oder gar gesteigert wird. Eine fachlich gute Arbeit des Landwirts impliziert immer das Vorsorgeprinzip. Jede Form negativer Einflüsse auf den Komplex Bodenfruchtbarkeit ist zu vermeiden und Maßnahmen, die positiv einwirken wie ein gezielter Zwischenfruchtanbau, sind anzuwenden.
Die geplante Flächenstilllegung zur Selbstbegrünung ohne Pflege führt zu Zielkonflikten. Belange des Natur- und Artenschutzes werden unzureichend umgesetzt und das begründete Interesse der Landwirt:innen, ihren Grund und Boden im Wert und in einem guten agronomischen Zustand zu erhalten, findet keine Berücksichtigung.
Die Maßnahme ist aufgrund ihrer pauschalen und nicht zielgerichteten Auslegung nicht dazu geeignet, die Biodiversität nachhaltig zu erhöhen. Produktionsintegrierte Maßnahmen, die auf die örtlichen Begebenheiten abgestimmt und langfristig angelegt sind, erscheinen erfolgsversprechender zu sein. Es ist Aufgabe der Politik, Rahmenbedingungen zu schaffen, die beispielsweise kooperative Ansätze ermöglichen, die endlich den scheinbaren Widerspruch zwischen Landwirtschaft und Arten- und Naturschutz auflösen.
Seitens der Politik ist mehr auf Anreizsysteme zu setzen. Die Förderung der Biodiversität muss sich für Landwirte ökonomisch lohnen und darf gute fachliche Arbeit nicht infrage stellen, ansonsten wird es immer Probleme mit der Akzeptanz von Bewirtschaftungseinschränkungen geben.