Lage, Anforderungen und Lösungen für die Optimierung der Sortenversuche und Sortenzulassungen in Osteuropa
Ein Positionspapier des DLG-Länderarbeitskreises Osteuropa und des DLG-Ausschusses für Pflanzenzüchtung, Sortenwesen & Saatgut
Herausgeber:
DLG-Länderarbeitskreis Osteuropa
Der Austausch von Fachwissen unter landwirtschaftlichen Praktikern, Agribusiness-Vertretern, Beratern und Wissenschaft über Themen, die für die Länder Osteuropas relevant sind, steht im Fokus des DLG-Länderarbeitskreises Osteuropa. Hier schließen sich Akteure aus Landwirtschaft, Industrie, Politik, Wissenschaft sowie dem Agribusiness zusammen. Zu den Mitgliedern des Arbeitskreises zählen Vertreter aus Belarus, Deutschland, Kasachstan, Polen, Russland und Ukraine.
DLG-Ausschuss für Pflanzenzüchtung, Sortenwesen & Saatgut
Resistenzen, Sortenvielfalt und Zuchtfortschritt stehen im Mittelpunkt dieses Fachgremiums. Züchter, Wissenschaftler, Behördenvertreter und Landwirte diskutieren aktuelle Fragen am „Runden Tisch“ der DLG und veröffentlichen die Ergebnisse über DLG-Veranstaltungen und Publikationen. Eine enge Zusammenarbeit mit dem Ausschuss für Pflanzenschutz untermauert die Ergebnisse, da insbesondere Resistenzfragen eng mit der Optimierung des Pflanzenschutzes verbunden sind.
Das Positionspapier richtet sich an Landwirte, vor allem an diejenigen, die daran interessiert sind, das Netzwerk der On-Farm-Sortenversuche zu entwickeln, Pflanzenzüchter, Träger des Sortenprüfwesens, Agrarpolitik und Geldgeber für Public Private Partnership Projekte.
Ausgangslage
Im Wesentlichen nutzen die osteuropäischen Landwirte bei der Sortenwahl drei Informationsquellen:
- Staatliche Sortenversuche
- Sortenversuche der Saatgutunternehmen
- Selbstorganisierte On-Farm-Sortenversuche
Diese drei Quellen reichen nicht aus, um qualitativ hochwertige und unabhängige Sortenvergleiche der vorhandenen Sorten in den jeweiligen Ländern zu gewährleisten. Die staatlichen Sortenprüfinstitutionen sind oft unterfinanziert und die Ausstattung mit Technik und Betriebsmitteln ist verbesserungsbedürftig, so dass die Anbautechnologie nicht immer an das Niveau der landwirtschaftlichen Betriebe angepasst werden kann. Neben diesen Faktoren würde Transparenz über die Versuchsergebnisse und Zulassungskriterien das Vertrauen in die Entscheidungen der Sortenämter stärken. Die Sortenversuche der Saatgutunternehmen werden vor allem für die Beschreibung eigener Sorten durchgeführt und geben keinen neutralen und unternehmensunabhängigen Sortenüberblick. Die On-Farm-Sortenversuche bilden die vorhandene Sortenvielfalt nicht ab und sind sehr kostspielig. Die Ergebnisse sind einerseits kaum vergleichbar und auf andere Standorte übertragbar, andererseits sind die Betriebe meistens nicht bereit, die Versuchsergebnisse ohne weiteres mit den anderen Betrieben zu teilen. Kleinere und mittlere Agrarunternehmen können sich keine eigenen On-Farm-Sortenversuche leisten.
Neutrale Vergleiche des jeweils vorhandenen Sortenmaterials und ein schneller Zugang zu Zuchtfortschritt in Form von leistungsfähigen, standortangepassten Sorten stellen jedoch wichtige und besonders effiziente Maßnahmen im erfolgreichen Pflanzenbau dar und bringen Wettbewerbsvorteile für Landwirtschaftsbetriebe in Osteuropa mit sich.
Aus diesem Grund hat sich der DLG-Länderarbeitskreis Osteuropa in Zusammenarbeit mit dem DLG-Ausschuss für Pflanzenzüchtung, Sortenwesen & Saatgut mit dem Thema beschäftigt und Anforderungen in Bezug auf die Sortenversuche und Sortenzulassungen sowie Lösungsmöglichkeiten formuliert.
Anforderungen an Sortenversuche und Sortenzulassung
Freiheit bei der Sortenwahl für Landwirte.
Transparenz: Sortenversuche sollen transparent und die Ergebnisse nachvollziehbar sein. Die Bedürfnisse der jeweiligen Regionen und Betriebe sollen berücksichtigt werden.
Zuverlässiges Versuchswesen: Man braucht ein Versuchswesen, das zuverlässig ist. Dabei ist es nicht ausschlaggebend, ob es privat oder staatlich ist.
Effizientes Gesamtsystem: Ziel muss es sein, neben individuellen Versuchen ein von möglichst Vielen akzeptiertes, effizientes Gesamtsystem zu schaffen. Ein gutes zentrales System ist für alle Seiten vorteilhaft. Es soll unabhängig, objektiv und neutral sein.
Zeitlicher Vorteil: Versuchsergebnisse müssen schnell zur Verfügung gestellt werden. Dies betrifft vor allem die Nutzung zeitlicher Optimierungspotentiale zwecks schnellem Zugang zu internationaler Genetik und dadurch Sicherung von Wettbewerbsvorteilen.
Züchtungsfortschritt generieren: Ertragsfortschritt, Fortschritt in Resistenzen und der allgemeine Züchtungsfortschritt hängen nicht nur davon ab, wie Sorten geprüft werden, sondern auch davon, ob ein Züchter seine Züchtungsaufwendungen refinanziert bekommt.
Zulassungspflicht für neue Sorten ist ein wichtiges Instrument für Kontrolle und Überwachung des Saatgutmarktes.
Ausgeprägte abiotische und biotische Stressfaktoren erfordern gerade in Osteuropa standortangepasste Sorten. Der freie Zustrom von eingeführten Sorten würde – nach den ersten Negativerlebnissen – unweigerlich zunächst zu einem Chaos an Genetik und letztlich zu einer erneuten verstärkten Vorselektion vor Ort führen.
Beispiele ohne Sortenzulassung (USA) zeigen, dass dieses in Konsequenz zu einem schwachen Schutz des geistigen Eigentums sowie zur schwachen Refinanzierung des Züchtungsaufwandes insbesondere bei nachbaufähigen Kulturarten und damit letztlich zu geringerem Zuchtfortschritt für den Landwirt führt. Gleichzeitig verstärkt sich damit der Anbau von Hybridkulturen mit Sorten einzelner Saatgutunternehmen.Sortenschutz ist sehr wichtig für Erhöhung der Refinanzierung des Züchtungsaufwandes, insbesondere bei nachbaufähigen Kulturarten und damit letztlich für Investitionen in Pflanzenzüchtung und Sortenentwicklung sowie für den Zugang zum Zuchtfortschritt für den Landwirt.
Lösungswege
Zeitlich und technisch optimierte staatliche Sortenversuche, ergänzt durch fachlich saubere On-Farm-Sortenversuche sowie spezielle Ausbildungs- und Weiterbildungsprogramme können mögliche Lösungswege sein.
1. Zeitlich und technisch optimierte, staatliche Sortenversuche und Sortenzulassungen
Klare, transparente, neutrale Prozesse und Entscheidungen – vorzugsweise digital nachvollziehbar.
Respekt von IP (Intellectual Property)- Rechten inkl. praktisch umsetzbarer Möglichkeit der Einnahme von Nachbaugebühren, neben den Gebühren für zertifiziertes Saatgut.
Standardisierte und transparente Richtlinien für die Durchführung der Sortenversuche inkl. Offenheit für UPOV-Richtlinien zur Durchführung von technisch sauberen Versuchen.
Weniger Bürokratie, digitale Datenbank (Englisch), ausreichende personelle, finanzielle und technische Kapazitäten.
Optimierte zeitliche Prozesse durch den Züchter (Anmeldung möglichst parallel zu z. B. Zulassungsversuchen in der EU, und nicht danach – Herausforderung Versuchssaatgutmenge, aber möglich) und durch die Regularien (z. B. Import von Vermehrungssaatgut z. Zt. erst nach der Zulassung möglich, dadurch mindestens ein Jahr Verzögerung).
Modernisierung des staatlichen Sortenprüfwesens, technisches und wissenschaftliches Know-How in Design und Analyse von Exaktversuchen.
Bei Optimierung der Prozesse und Rahmenbedingungen wäre es möglich, Zuchtfortschritt tatsächlich adaptierten Materials mit max. einem Jahr Verzögerung im Vergleich zu z. B. der Einführung von neuen Sorten im EU-Raum einzuführen.
2. Professionalisierung und Vereinheitlichung von On-Farm-Sortenversuchen
Die On-Farm-Sortenversuche können mit der vorhandenen Großbetriebstechnik durchgeführt werden. Eine Investition in die Spezialtechnik zur Bewirtschaftung von Kleinparzellen ist nicht unbedingt erforderlich. Somit ist man nicht von der Verfügbarkeit entsprechender Technik und eines nicht zu unterschätzenden Services durch die häufig weit entfernten Versuchstechnik-Anbieter abhängig.
Die technische Entwicklung im Bereich der Aussaat- und Erntetechnik und die zunehmenden Möglichkeiten der Digitalisierung ermöglichen es, mit Hilfe von vorhandener Praxistechnik fachlich saubere Großversuche entsprechend den Strukturen in Osteuropa anzulegen.
Vergleichbarkeit der Versuchsergebnisse ist wichtig. Ideal ist die Nutzung eines einheitlichen Versuchsdesigns. Einheitliche Wertungsmethoden sind die Voraussetzung dafür. Die Anwendung solcher Methoden, wie die Hohenheim-Gülzow Methode, würde die Datenvergleichbarkeit auch länderübergreifend nach Klimazonen differenziert ermöglichen.
Entwicklung und Etablierung von Standards für fachlich saubere, praktisch umsetzbare On-Farm-Sortenversuche in Großstrukturen und Ausarbeitung eines Versuchsleitfadens mit der Beschreibung eines sauberen Versuchsdesigns, entsprechender Kartierung und dem richtigen Feldmaßstab sowie der Zufallspunkte mit sauberer statistischer Verrechnung würden den Landwirten eine gute Orientierung geben.
Ausbildung und Schulung des Versuchspersonals ist eine weitere Voraussetzung für die erfolgreiche Durchführung der On-Farm-Sortenversuche.
Schaffung einer privat organisierten Plattform/Interessengemeinschaft für den Austausch von Sortenversuchsergebnissen unter Landwirten, die selbst Sorten prüfen.
Für die Steigerung der Zuverlässigkeit des Systems der On-Farm-Sortenversuche sollte eine Begleitung durch Zertifizierung in Betracht gezogen werden.
Ziel sollten praktikable On-Farm-Sortenversuche mit fachlich akzeptablen Versuchsergebnissen anstelle der typischen Streifen-Demoversuche mit sehr begrenzter fachlicher Aussagekraft sein.
3. Internationaler Fachaustausch, Ausbildung und Weiterbildung im Versuchswesen als Förderinstrument für die Zulassungsverfahren und Prüfmethoden