Foto: © Schreiter
Autoren:
- Dr. Klaus Damme, Versuchs- und Bildungszentrum für Geflügel, Staatsgut Kitzingen
- Dr. Manfred Golze, Leisnig, ehem. LfULG
- Dr. Ruben Schreiter, Zentrum für angewandte Forschung und Technologie e.V., HTW Dresden
mit Unterstützung des DLG-Ausschusses Geflügel
Vorkommen und Bedeutung
Die Gans ist traditionell ein Weidetier erster Güte. Viele Orte haben heute noch den Gänseanger als Platzbezeichnung oder Straße. Als mit der Industrialisierung der Landwirtschaft Anfang des 19. Jh. die Hutungsflächen abgeschafft wurden, waren die Agrarökonomen mehrheitlich der Überzeugung, dass die Gänsehaltung wirtschaftlich nicht mehr interessant ist.
Aus anatomischer Sicht ist die Gans prädisponiert für die Weide. Hier ist der Weideschnabel zu nennen, das Fehlen des Kropfes sowie der starke Muskelmagen und die großen Blinddärme, die auch eine rohfaserreiche Grundfutterverwertung erlauben. Die Gans ist in Deutschland heute nur ein Saisonprodukt für die Festtage im Herbst und Winter. Der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch liegt bei 300-400 g. Der Selbstversorgungsgrad beträgt lediglich 18 %. Somit sind Steigerungsraten möglich.
Wichtig ist, dass sich die heimischen, frisch geschlachteten Tiere von der gefrosteten Importware (großteils aus Polen, Ungarn oder Frankreich) abheben. Die heimische Weidegans lebt von Frühjahr/Sommer bis Martini bzw. Weihnachten im Freiland und erfüllt somit die Verbraucherwünsche nach einer tierfreundlichen Haltung.
Haltung
Nachdem für Gänse keine tierartspezifische Haltungsverordnung existiert, orientiert man sich in vielen Bundesländern an der Niedersächsischen Gänsehaltungsvereinbarung.
Für die Aufzucht und Mast von Gänsen können sehr gut Altgebäude genutzt werden. Für die ersten drei Lebenswochen (LW) ist ein Aufzuchtabteil erforderlich, welches gut eingestreut wird mit sauberer Einstreu (z. B. Lang- oder Häckselstroh, Hobelspäne). In den ersten zwei LW sind Wärmequellen (Tab. 1) nötig. Die Gössel werden in einem Kükenring um die Wärmequelle aufgestallt.
Wichtig ist, dass Stall, Einstreu und Tränkeplatz trocken bleiben. Dies wird durch eine optimale Besatzdichte (Tab. 2) und ausreichende Frischluftzufuhr erreicht. Pro 200-250 Gössel sind ein Wärmestrahler, für 50 Gössel in der ersten LW eine Stülptränke, je 100 Tiere in der zweiten und dritten LW eine Rundtränke erforderlich. In der ersten LW werden die Gössel mittels Futterschalen, in der zweiten bis dritten LW aus Rundtrögen gefüttert. Optimal beträgt die Gruppengrößen 250, max. 750 Gössel. Ein Balkon oder Kaltscharraum am Stall bewirkt, dass die Tiere sich abhärten und schnell ans Grünland gewöhnen. Der Zukauf der Gössel kann aber auch nach der Starterphase im Alter von drei Wochen erfolgen. Dann kann im Stall auf die Heizung verzichtet werden.
Tab. 3: Haltungsparameter zur Weidemast
Merkmal | Traditionelle Weidemast | |
Besatzdichte (Tiere/m2) | Vormast Ausmast | 5 2 |
Weidebedarf (Tiere/ha) | Portionsweide Standweide | 100-150 80-100 |
Gruppengröße (Tiere) | Vormast Ausmast | 1.000 250 |
Fressplatzbreite (cm/Tier) | 3-4 | |
Lichttagslänge (Stunden/Tag) | 14-16 | |
Einstreu | 10-15 cm Hobelspäne oder Häckselstroh |
Fütterung
Bei der Gänsemast mit Auslauf-/Weidehaltung unterscheidet man die Mittel- bzw. Jungtiermast bis zur 16. LW und die extensive Weidemast (auch Lang- bzw. Spätmast genannt) bis zur 21.-32. LW (Tab. 4). Letztere ist das klassische Verfahren zur Erzeugung heimischer Weidemastgänse. Bei beiden Mastverfahren ist das starke Jugendwachstum (max. bis 4./5. LW) durch intensive Fütterung zu unterstützen (Tab. 5).
In der Endmast (4-6 Wochen vor der Schlachtung) werden dann täglich je Tier 500 g Getreide/Mastfutter gefüttert. Auf der Weide wird der Eiweißbedarf zu 100 % gedeckt, aber die Energie nur zu 54-61 %. Das bedeutet, dass auch bei bester Weide ein Kraftfutter nötig ist. Meist finden Getreidekörner Verwendung. Die Weide hat drei wesentlich Aufgaben:
- die Tiere gut zu ernähren
- Grünlandflächen zu nutzen und zu pflegen
- werbewirksam für die Kunden in der Direktvermarktung zu sein.
Dazu braucht es eine gute, nährstoffreiche Weide. Gras, Klee und Kräuter müssen den Gänsen schmecken. Beliebt bei Gänsen sind Deutsches Weidelgras, Rotes Straußgras, Rotschwingel, Weißes Straußgras, Weiß- und Schwedenklee. Bei An- und Nachsaaten sollte dies Beachtung finden.
Leistungen
Die in Deutschland vorhandenen Genotypen liefern bei der Weidemast Lebendgewichte von über 8 kg/Tier. Bei einer Schlachtausbeute von 73-74 % können Schlachtkörper von über 5 bis 6 kg erreicht werden. Durch die intensive Endmast mit Kraftfutter kann besonders der Brust-, aber auch der Keulenanteil erhöht werden.
Es kommt aber auch zur Steigerung des Unterhaut- und Abdominalfettes. Ein hoher Anteil von jungem Grünfutter in der Ration bewirkt ein günstiges Fettsäuremuster (hoher Anteil mehrfach ungesättigte Fettsäuren) und hohe Gehalte an Mineralstoffen und Vitaminen im Schlachtkörper.
Sensorische Prüfungen haben ergeben, dass Weidegänse im Vergleich zu Jungmast- oder Frühmastgänsen bezüglich Saftigkeit, Aroma, Geschmack und Gesamteindruck die besten Werte erzielen.
Ökonomie
Weidemastgänse finden hohen Zuspruch in der Direktvermarktung. In einer Modellkalkulation für einen bäuerlichen Betrieb, der jährlich 200 Gänse im Alter von 3 Wochen zugekauft, extensiv mit begrenztem Mischfuttereinsatz und hohem Weideangebot mästet und einen Folientunnel für die Ausmast bzw. Aufstallungsgebote (AI) besitzt, wird nach 25-wöchiger Mast ein Betriebseinkommen von 20,18 €/Gans erwirtschaften. Voraussetzung für die regionale Direktvermarktung frischer Gänse ist ein EU-zugelassener Geflügelschlachthof mit freier Kapazität in der Nähe oder die Investition in ein eigenes Schlachthaus. Vereinzelt wird aber auch Lohnmast als Mittellangmast (16.-17. LW) betrieben.
Hierfür wurde in der Kalkulation ein deutlich höherer Tierbesatz je ha Weidefläche und ein höherer Mischfutterverbrauch je Mastwoche angesetzt. Es werden 1.000 Eintagsgössel zugekauft und es steht im Gegensatz zur Weidemast ein Altgebäude als Feststall zur Verfügung. Unter diesen Bedingungen ergibt sich ein Betriebseinkommen von 2,40 €/Gans. In Abhängigkeit von den Konditionen mit dem Vertragspartner können sich hier auch deutliche ökonomische Abweichungen ergeben.
Tab. 6: Musterkalkulation des Betriebseinkommen der Gänsemast
Kennzahlen Produktionsverfahren | extensive Weidemast | Mittellang-Mast |
Produktionsumfang (Mastgänse) | 200 | 1.000 |
Schlachtalter (Wochen) | 28 | 17 |
Haltungsdauer (Wochen) | 25 | 17 |
Kosten Gössel (€/Tier) | 6,0* | 4,0 |
Futterverbrauch/Tier (kg) | 29,0 | 30,0 |
Pacht Altgebäude 500 m2 | 2.000 | |
Folientunnel 100 m2 (€) | 10.000 | |
Weidefläche (ha) | 4 | 3 |
Pacht Weidefläche zu 300 €/ha (€) | 1.200 | 900 |
Umzäunung mit 2.000 €/ha (€) | 8.000 | 6.000 |
Körpergewicht Mastende (kg/Tier) | 7,00 | 6,70 |
Schlachtgewicht (kg/Tier) | 5,11 | |
Erlös Lebendverkauf (€/kg) | 3,10 | |
Erlös Schlachtkörper (SK; €/kg) | 12,00 | |
Erlös aus Tier/SK-Verkauf (€/TP/Jahr) | 61,32 | 20,77 |
Futter (€/Tier) | 8,51 | 8,48 |
Gössel (€/Tier) | 6,00 | 4,00 |
Tierarzt/Medikamente/R+D (€/Tier) | 0,60 | 0,60 |
Energie/Wasser/Einstreu (€/Tier) | 2,00 | 1,60 |
Lohnschlachtung/Vermarktung (€/Tier) | 8,00 | |
anteilige Maschinenkosten (€/Tier) | 1,00 | 0,60 |
Sonstige Kosten (€/Tier) | 1,00 | 0,70 |
variable Kosten (€/Tier) | 27,11 | 15,98 |
Deckungsbeitrag (€/Tier) | 34,21 | 4,79 |
Pacht Altgebäude (€/Tier) | 0,77 | |
Folientunnel (€/Tier) | 3,23 | |
Pacht Weide (€/Tier) | 6,00 | 0,90 |
Umzäunung (€/Tier) | 4,80 | 0,72 |
Festkosten (€/Tier) | 14,03 | 2,39 |
Betriebseinkommen (€/Tier) | 20,18 | 2,40 |
* Zukauf im Alter von 3 Wochen; TP: Tierplatz; Futter: Mittellangmast: 4 kg Starter zu 30 €/dt; 26 kg Gänsemastfutter zu 28 €/dt; Weidemast: 2 kg Starter zu 33 €/dt; 12,5 kg Hafer zu 20 €/dt; 13,5 kg Endmastfutter: 30 €/dt; 1 kg Geflügelmineral 130 €/dt; bei Zäunung und Folientunnel: Afa 10 %, Zinsansatz 2 %/2, Unterhaltung 1 %; Afa für Folientunnel und Pacht für Altgebäude anteilig nach Haltungsdauer und 3 Wochen zur Reinigung berechnet
Literatur:
- Golze, M., Westphal, K. (2001): Schlachtkörperwert und Fleischqualität von auf Grünland gemästeten Weihnachtsgänsen.
DGfZ Schriftenreihe, 22. - Golze, M. (2020): Gänsemast und Zucht.
In Geflügeljahrbuch 2021. - Pingel, H. (2000): Enten und Gänse.
Ulmer-Verlag Stuttgart-Hohenheim. - Schneider, K.H. (2010): Gänsezucht und Gänsehaltung.
Verlag Oertel+Spörer. - Witt, L. (2015): Gänsehaltung in Deutschland am Beispiel einer vertraglichen Lebendvermarktung.
DGfZ Schriftenreihe, 68.
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