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Erfolgsfaktor Mensch in technischen Projekten - Widerstände erkennen, verstehen und abbauen am Beispiel eines Robotik-Projektes

DLG-Expertenwissen 03/2019


Marktentwicklung und Hintergrund

Flexibilität vs. Lean Management

Seit vielen Jahren ist eine zunehmende Steigerung der Anforderungen an technische Projekte festzustellen. Neben mehr Individualität und Flexibilität fordern insbesondere B2B Kunden mehr und mehr nachhaltige und qualitativ hochwertige Produkte. Warum? Weil sie sich einen Produktvorteil gegenüber Konkurrenten versprechen und es technisch machbar ist. Die Unternehmen selbst dagegen legen verstärkt den Fokus auf Lean Management, Kontrolle, Transparenz und Kosteneffizienz. 

Beim Projektleiter läuft dann alles zusammen und die umherschwirrenden Begriffe Industrie 4.0, Digitalisierung, Roboterisierung, VUKA-Welt (Unsicherheit, Komplexität, schlechtere Planbarkeit und keine eindeutigen Lösungen) und die damit verbundenen Anforderungen erschweren die Aufgabe zusätzlich. Dazu entwickelt sich Projektarbeit von der Besonderheit hin zum „Normalfall“ in der täglichen Arbeit, mit immer wieder neu zusammengewürfelten Teams, die zeitnah erfolgreich sein sollen. Dabei haben die Projektmitglieder dann auch noch weiter ihre eigentlichen Fachaufgaben, für die sie eingestellt wurden und an denen sie gemessen werden. 

Diesen Spagat gilt es heutzutage zu meistern. Da im Vergleich zu anderen Branchen die Lebensmittelindustrie bei der Roboterisierung hinterherhinkt und daher gefördert werden sollte, wurde durch die DLG der Arbeitskreis Robotik gegründet, aus dem auch die Idee für dieses Expertenwissen stammt.

 

Warum stocken technische Projekte?

Die Gründe können vielfältig sein. Neben fehlendem Budget, unzureichender Zielklärung, nicht ausreichenden Fachkenntnissen und schlechter Kommunikation wirkt häufig vielfach der „menschliche Faktor“ als Bremse, z. B. vermeintlich unmotivierte oder gar negativ eingestellte Projektmitarbeiter ziehen nicht mit oder blockieren gar das Projekt.

Wie läuft es mit Fokus auf den menschlichen Erfolgsfaktor?

Projekte scheitern selten, wenn…

  • Projektmitglieder motiviert sind, der Sinn und Zweck des Projektes klar erkannt wird
  • Ängste, Bedenken, Widerstände und negative Gefühle berücksichtigt und ernst genommen werden
  • „Blockierer“ und „Bremser“ identifiziert und „arbeitsfähig“ gemacht werden
  • eine offene und klare Kommunikation selbstverständlich ist

Wann wird „normalerweise“ in vielen Projekten der menschliche Erfolgsfaktor bewusst (erst) wahrgenommen?

Tatsächlich erst, wenn das Projekt hakt und der Zeitplan aus dem Ruder läuft bzw. eskaliert. Oder wenn ein Berater gerufen wird, weil das Projekt kurz vor dem Abbruch steht und „gerettet“ werden soll/muss.

Auf den folgenden Seiten zeigen wir einige wirkungsvolle, vielfach erprobte und bewährte Werkzeuge und Methoden, um Widerstände zu reduzieren, die Kommunikation zu verbessern und damit insgesamt das Projektteam zielgerichtet voranzubringen. 

Praxisbeispiel Feinkostindustrie: 

An einem realen Projektbeispiel aus der Feinkostindustrie (erkennbar an der gelben Hintergrundfarbe) wollen wir die Anwendung verdeutlichen: Für eine neue, innovative Produktlinie sollten erstmals Roboter (Flex-Picker) in der Herstellung von Feinkostsalaten eingesetzt werden, um damit den Output und Durchsatz zu erhöhen, Kosten zu senken, Mitarbeiter zu entlasten und die Qualitäts- und Hygieneanforderungen zu erhöhen. Im angesprochenen Unternehmen war das automatische Einlegen von Minifrikadellen und Würstchen damals das erste Projekt, bei dem Roboter und Mitarbeiter nebeneinander am Band stehen sollten und damit etwas grundsätzlich Neues in dieser Lebensmittelproduktion, ebenso wie das zum Projekt gehörende Konzept einer Zweikammerschale mit modifizierter Atmosphäre. Aufgrund des hohen Innovationsgrades hatte das Projekt von Anfang an mit erheblichen Widerständen zu kämpfen, gleichzeitig aber auch vehemente Befürworter, nicht zuletzt, da sich die Alternative für die Herstellung der neuen Produkte – Befüllung per Handarbeit – nicht wirtschaftlich darstellen ließ.

Den menschlichen Faktor in jeder Projektphase mit einbeziehen!

1. Vor der Genehmigung des Projektes

Im Vorfeld des Projektes lassen sich zumeist schon sehr gut die Weichen stellen. Als Projektleiter werden Sie in der Vorplanung ohnehin mit den Fachspezialisten sprechen, die dann später auch sehr wahrscheinlich Projektmitglieder werden. Je klarer das Ziel des Projektes, je einleuchtender der Sinn und Beitrag für das Unternehmensergebnis, desto eher werden sie als Projektleiter gehört und ihr Projekt akzeptiert. Versuchen Sie dabei im Vorfeld zu analysieren, wer begeistert dabei ist, wer „halt mitzieht“ und wer massive Bedenken hat. Nehmen Sie zunächst die fachlichen Bedenken auf und arbeiten sie diese in das Projekt mit ein. Beziehen Sie aber auch die persönlichen Befürchtungen und Ängste mit ein (siehe Exkurs: Riemann-Thomann Modell). Damit zeigen Sie Ihre Wertschätzung gegenüber den Projektmitgliedern und bekommen ein ganzheitliches erstes Bild über die „Sachaspekte“ hinaus. Bewerten Sie unbedingt, wer wie viel Einfluss auf das Gelingen Ihres Projektes hat. Dazu bietet sich eine grafische Übersicht an, die sogenannte Kraftfeldanalyse (fördernde und bremsende Projektmitglieder mit ihren Einflussmöglichkeiten, siehe unser Beispiel aus dem bereits angesprochenen Projekt). Diese Analyse ist als persönliche Notiz gedacht und sollte nicht digitalisiert werden.

Praxisbeispiel Feinkostindustrie: 

Qualitäts- und Werksleitung hatten die größten Bedenken, weil an sie persönlich, trotz neuer Technologie, die gleichen, unverändert hohen Anforderungen gestellt wurden, wie bei den bestehenden Linien mit den seit Jahren bekannten Technologien, die sie sicher im Griff hatten. Geschäftsführung, Vertrieb, technische Leitung und der Projektleiter hingegen setzten mit der neuen Technologie auf zusätzliche Umsatzpotentiale und den technologischen Vorsprung vor den Mitbewerbern.

Klar war aber auch bereits im Vorfeld, das ein „Durchdrücken“ des Projektes mit Hilfe der Geschäftsführung an den vielfältigen „Verhinderungsmöglichkeiten“ der erfahrenen Qualitäts- und Werksleitung scheitern würde, diese also zu überzeugen, zu „packen“ waren. In ersten Einzelgesprächen mit den beiden größten Bedenkenträgern wurde herausgearbeitet, was ihnen bei diesem und generell bei neuen Projekten wichtig war.

Leiter Qualität: Gilt als Allwissender im Unternehmen, daher war es (für sein Selbstbild) zwingend notwendig, ihn zum Projektstart mit allen relevanten Informationen zu versorgen, damit er kompetent in die Diskussion mit einsteigen kann.

Der Werksleiter hatte natürlich seine „KPI“ im Kopf, an denen er gemessen wurde. Bei neuen Linien im Werk sinkt die Performance anfangs üblicherweise, da erste Erfahrungen gemacht und Korrekturschleifen gedreht werden. Hinzu kommen noch die Zeiten für erste Musterproduktionen und Maschineninstallationen. Auch war die Einbindung der Steuerung noch nicht geklärt. Über klar definierte Ziele, aber auch durch die vermittelte „kalkulatorische“ Einsicht, dass mit den bekannten Technologien eine wirtschaftliche Produktion nicht möglich war, konnten die ersten Bedenken reduziert werden. Das Steuerungsproblem wurde vom Projektleiter an den technischen Leiter delegiert, der einer der Mit-Initiatoren und Hauptbefürworter des Projektes war.

Exkurs: Riemann-Thomann Modell

Um persönliche Bedenken und Ängste vertiefend besser einzuordnen, arbeiten wir in der Unternehmenspraxis gerne mit dem Riemann-Thomann Modell. Wie eine Landkarte nur einen Ausschnitt der Wirklichkeit darstellt, reduziert dieses Modell auf zwei Achsen das menschliche Verhalten, um Werte, Bedürfnisse, aber auch Ängste und Befindlichkeiten zu identifizieren, die es individuell zu adressieren gilt, in diesem Fall für eine erfolgreiche Projektarbeit.

Die zeitliche Y-Achse zeigt die Gegenpole Dauer / Wechsel. Irgendwo auf diesem Pfad hat jeder Mensch seine „Wohlfühlzone“; mal mögen wir Ordnung, Regeln, dann aber auch mal das Kreative, die Abwechslung. Auf der zweiten Achse, der räumlichen, unterscheiden wir zwischen Nähe und Distanz. Der nüchterne Distanztyp („Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps“) hat einen klaren Leistungsanspruch, während es dem Nähetyp wichtiger ist, in der Gruppe aufgehoben zu sein und dass alle an einem Strang ziehen. Auch auf dieser X-Achse gibt es einen Abschnitt, auf dem sich der Einzelne wohl fühlt. Das so über die X-/Y-Achsen gebildete Rechteck bedeckt im Normalfall alle vier Quadranten, in einem davon wird jedoch die Teilfläche am größten sein (Heimatfeld, im u. a. Beispiel Dauer / Nähe). Dort finden sich meine grundlegenden Wertvorstellungen und Bedürfnisse, dort zeigen sich aber auch Ängste und Bedenken, die ausgeräumt werden wollen, damit ich positiv gestimmt in das zielgerichtete Arbeiten kommen kann. Werden diese hingegen nicht berücksichtigt, so reagieren Menschen stark ablehnend und werden immer „sachliche“ Gründe finden, warum etwas nicht geht. 

Auf der Sachebene werden diese Bedenken aber keinesfalls gelöst, wie viele Projektleiter leidvoll erkennen mussten, die noch ein und noch ein „überzeugendes“ Sachargument bringen, ohne dass es beim Gegenüber ankommt. Schauen Sie bei jedem Ihrer Projektbeteiligten, wie er „gepolt“ ist und sprechen Sie ihn in seiner Sprache an. Dem Wechseltypen erklären Sie die großartigen Möglichkeiten der neuen Technologie, dem Dauertypen erläutern sie, was alles gleich bleibt und welche (wenigen) Dinge sich ändern, damit alles weiter so gut läuft, wie bisher. Ebenso verfahren sie mit dem Nähetypen (Teamarbeit!) und dem Distanztypen (Kennzahlen, Leistungskennziffern). In der Praxis finden wir meist eine Kombination von Bedürfnissen, es ist also ein wenig Einfühlungsvermögen gefragt.

2. Zum Projektstart

In der Unternehmenspraxis hat es sich bewährt, zum Projektstart die Kraftfeldanalyse zu aktualisieren und die Projektmitglieder zu identifizieren, die als Meinungsbildner andere für das Projekt begeistern können. Zudem ist es ratsam, auch diejenigen zu identifizieren, die noch immer Ängste und Sorgen haben und noch nicht überzeugt sind. Das kann in einer offenen Unternehmenskultur, z. B. auch in einem ersten Meeting, als „Empty your bucket“ Session am Flipchart dokumentiert werden und so für alle sichtbar die möglichen Hürden deutlich machen. Das wirkt befreiend auf die Projektmitglieder. Ebenfalls hat sich bewährt, zum Start des Projektes nach Möglichkeit gerne Arbeitsaufträge so zu vergeben, dass schnell erste Erfolge sichtbar sind („low hanging fruits“). Falls ein ähnliches Projekt bereits beim Maschinenlieferanten oder in einer anderen Branche installiert wurde, bietet es sich an, mit dem gesamten Team hinzufahren und sich das Ganze live und in Aktion genau anzuschauen. Nach unserer Erfahrung ist solch ein Tag sehr gut investierte Zeit.

Wir empfehlen außerdem den typischen Stimmungsverlauf eines Projektes, bzw. Change Prozesses, im Blick zu behalten:

 

Exkurs: Klimakurve im Veränderungsprozess

Die Klimakurve an sich ist Projektmanagern hinlänglich bekannt. Kombiniert mit dem Riemann-Thomann Modell ergibt sich für jeden Typus aber ein ganz anderer Verlauf. Die Stimmung des Wechsel / Distanz Typen wird bis zur Umsetzung recht hoch sein, dann aber wird es ihm eher langweilig. Daher eignet sich dieser Typus sehr gut als Pionier und Unterstützer in der Anfangsphase. Der Dauer / Nähe Typ hingegen wird anfangs länger im „Tief“ verharren. Er wird dafür in der Umsetzungsphase umso wichtiger. Sind die ersten Hürden überwunden, der Turnaround geschafft mit Licht am Ende des Tunnels, dann wird die neue Situation von ihm akzeptiert und er wird als neuer „Treiber“ alles tun, um das Team gemeinsam weiter zum Erfolg und damit in eine neue sichere Zone zu führen; zudem hat er noch den in dieser Phase unverzichtbaren Blick für die Details. In der Unternehmenspraxis nutzen wir die Qualitäten und Stärken der unterschiedlichen Typen in den jeweiligen Projektphasen bestmöglich. Das wird zum Teil auch unbewusst schon so praktiziert – besser ist es, dies bewusst und zielgerichtet frühzeitig einzuplanen.

Ein Wort noch zum Dauer / Distanz Typ, der oft bei Geschäftsführern zu finden ist: Für diesen ist nach Genehmigung des Projektes dieses bereits „so gut wie erledigt“, gedanklich ist er dann schnell schon im nächsten Projekt. Daher finden wir hier oft wenig Verständnis für Stimmungstiefs und daraus resultierende Hindernisse im Projekt. Wir empfehlen, diesen Typus immer gut informiert zu halten und mit ihm immer lösungs- und an der Sache orientiert zu argumentieren.

 

Praxisbeispiel Feinkostindustrie:

Zum Projektstart besuchte der Projektleiter mit seinem Team den externen Berater, der eine Pilotanlage mit relevanten Partnern aufgebaut hatte und live visualisieren konnte, wie die fertige Linie aussehen könnte. Dabei wurden viele Fragen aufgeworfen, wie z. B. die der Lebensmittelsicherheit und Hygiene beim Picken und Ansaugen, das nebeneinander Arbeiten von Mensch und Roboter und vieles mehr. Am Ende des Tages war allen Projektmitgliedern klar: Das Projekt ist sehr herausfordernd, aber auf jeden Fall (von uns!) machbar.

3. Im Verlauf des Projektes / zu den Milestones

Üblicherweise werden die Arbeitspakete vergeben, sobald die generellen Anforderungen, Widerstände und Bedenken erfasst sind. Für den Projektleiter ist es nun wichtig, konsequent nachzuhaken und da kein Plan perfekt ist, die neu aufkommenden Probleme mit einzuarbeiten. Zu den Milestones empfehlen wir die Kraftfeldanalyse und die nachfolgend gezeigte Kommunikationsmatrix jeweils zu aktualisieren, um so mögliche Stolpersteine rechtzeitig zu erkennen und aus dem Weg räumen zu können. 

Die Kommunikationsmatrix ist eine Art Checkliste für den schnellen Überblick von noch zu lösenden Fragen und Problematiken des Projektes aus Sicht der einzelnen Projektmitglieder und sollte am Anfang und Ende und vor jedem Milestone in 1:1 Gesprächen aktualisiert werden. Unsere Erfahrung ist, dass dadurch die Projektbesprechungen effizienter ablaufen, da die Themen schon platziert sind und jedes Projektmitglied sich mit seinen Bedenken wertgeschätzt fühlt.

Praxisbeispiel Feinkostindustrie:

In dieser Phase wurden neben den regelmäßigen Projektsitzungen immer wieder ad-hoc Workshops mit Teilnehmern aus den unterschiedlichen Fachbereichen durchgeführt. 

Neben der Feinrobotik wurde auch erstmals MAP (Verpackung mit modifizierter 

Atmosphäre) eingeführt. Beide neue Techniken waren für den Einzelnen zu anspruchsvoll. Auch Rückschläge gab es: Mal waren die Picker zu schnell, dann platzierten sie nicht genau genug, dann wieder klappte die Versiegelung nicht ordnungsgemäß. Im Team hingegen fanden sich nach zum Teil lebhafter Diskussion dann doch immer gute Ideen und Lösungen. Mit der Zeit wuchs das gegenseitige Vertrauen, die Sympathie und der Stolz, an einem solch herausfordernden Projekt mitzuarbeiten.

Parallel dazu wurde im firmeninternen Magazin das Projekt vorgestellt, so dass vom Geschäftsführer bis hin zum Bandarbeiter alle den Imagegewinn und die Vorteile der Technik für das Unternehmen gut nachvollziehen konnten.

4. Nach Abschluss des Projektes

Nach dem Projekt ist vor dem nächsten Projekt. Leider wird nach unserer Erfahrung viel zu häufig der Abschluss eines Projektes als selbstverständlich hingenommen und nicht genug reflektiert und gewürdigt. Was ist gut gelaufen, wo ist Verbesserung möglich? Auch der Dank für den Einsatz an alle Teilnehmer, wie eine gemeinsame Abschlussfeier, eine Überraschung bei Erreichen von Milestones oder die Dankes-Email mit Kopie an die Vorgesetzten zeigen die Wertschätzung für die Leistungen. Und wenn das Team gut zusammengearbeitet hat, ist bei einem ähnlichen Projekt eine schnelle Fokussierung und professionelle Bearbeitung sehr wahrscheinlich.

Praxisbeispiel Feinkostindustrie:

Der Abschluss dieses Projektes war beispielhaft mit Abschlussmeeting, Manöverkritik und viel Lob. Zudem verlief die Markteinführung inklusive Fernsehwerbung sehr erfolgreich. Dazu wurde es noch mit dem FoodTec Award prämiert und auf der Hannover-Messe wurde eine vergleichbare Anlage aufgebaut, die live Produkte herstellte und damit Funk- und Fernsehen an den Firmenstand lockte. Die ungeheuer positive Resonanz bei Presse und Kunden übertrug sich auf das ganze Projektteam und die Belegschaft. Alle waren stolz auf das Erreichte und damit auch offener als jemals zuvor für künftige technische Neuentwicklungen. Im Ergebnis, über den wirtschaftlichen Erfolg hinaus, ein echter Kulturwandel. Schlüssel zum Erfolg, so sehen es die damaligen Teilnehmer, war der Startpunkt, bei dem jedes einzelne Projektmitglied mit all seinen Widerständen, Bedenken und Sorgen „abgeholt“ und in das Projekt integriert wurde.

Erreichte Ziele der einzelnen Projektmitglieder und der Belegschaft

  • Der Geschäftsführer ➞   Einzigartige Produkte (USP) + gute Umsätze
  • Der technische Leiter ➞   Innovative Technik ins Werk integriert
  • Der Qualitätsmanager ➞   Hygieneergebnisse verbessert
  • Der Werksleiter ➞   KPI / Tonne und Mitarbeiter verbessert
  • Der Vertriebs-/Marketingleiter ➞   Umsatzchancen, Innovationskraft
  • Der Einkaufsleiter ➞   Richtiges Equipment gekauft
  • Der Projektleiter ➞   Ein komplexes Projekt zum Erfolg geführt
  • Die gesamte Belegschaft ➞   Stolz auf den Imagegewinn der Firma

 

Tipps – Hinweise – „Spielregeln“ für einen erfolgreichen Umgang mit dem „menschlichen Faktor“ in der Projektarbeit

Vertrauen in die Fähigkeiten und Stärken der Projektmitglieder  

Der erfolgreiche Projektabschluss ist ja immer auch ein Teamergebnis und nicht allein die Folge einer guten Projektleitung. Viele Teammitglieder sind sehr engagiert, haben ein ausgeprägtes Fachwissen und gehen ihre Themen und Aufgaben sehr eigenverantwortlich an. Die Unternehmenspraxis zeigt, dass man darauf sehr gut vertrauen kann. Für diejenigen Projektmitglieder, die Sorgen und Bedenken zeigen, gilt es, die „Bremsen“ zu lösen, um auch deren Stärken und Leistungen für das Projekt „freizuschalten“. Die Chance, Projekte im geplanten Zeitrahmen fertigzustellen, werden so signifikant verbessert. 

Offene Kommunikation

Die Kommunikationsmatrix ist das Tool für die Planung des menschlichen Faktors und beinhaltet beides, natürlich die fachlichen Bedenken, aber auch die Hintergründe und Bedenken aus ganz persönlicher Sicht. Aus unserer Erfahrung ist es im 1:1 Gespräch wesentlich leichter, diese Bedenken zu erfragen und anzusprechen, als in der großen Meetingrunde. Auch mögliche Hilfestellungen und Lösungen können so leichter angeboten werden. Werden diese Themen im Vorfeld ignoriert, kommen diese erst dann auf den Tisch, wenn sie das Projekt blockieren und dann kostet es wesentlich mehr Zeit und Geld, als nötig. Der wichtigste Punkt aus unserer Unternehmenspraxis: Den Gegenüber ernst nehmen und jeden Beitrag als weiteren Puzzlestein für die Bewältigung des Projektes nutzen. An Werte und Typen denken: Das, was für den einen kein Problem ist, kann für den anderen ein Mühlstein um den Hals sein, als auch umgekehrt. Regelmäßiges Kommunizieren ist unerlässlich, um immer auf dem aktuellen Stand zu sein, es schafft zudem Transparenz und Vertrauen.

Klare Vereinbarungen treffen

Vor dem Hintergrund unterschiedlicher Erfahrungen und Typen sollte eine Vereinbarung über eine Projektaufgabe nicht oberflächlich sein, nach dem Motto: „Übrigens, kümmern Sie sich mal um xy, das läuft nicht richtig, Sie wissen schon was ich meine!“. Klar ist eine Vereinbarung dann, wenn das angestrebte Ergebnis und der Zeitpunkt für die Erledigung definiert sind, der Verantwortungsbereich innerhalb der Aufgabe abgesteckt ist und das Einverständnis und die Bestätigung des Gegenübers eingeholt wurde, dass die Aufgabe verstanden und bis zum vereinbaren Zeitpunkt erledigt wird. Das ist dann die Basis für die Kontrolle und mögliche Korrekturen, bzw. für ein positives oder negatives Feedback:

Konstruktives und wirksames Feedback geben

Ein Feedback ist nur dann gut, wenn es eine (zukunftsgerichtete) Wirkung erzielt. Dazu gehört, die eben erwähnte klare Vereinbarung sowie eine Grundhaltung, die zwischen Person und Sache zu trennen versteht. Dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass ein Feedback, egal ob positiv oder negativ, als wertschätzend wahrgenommen und angenommen wird.

In der Unternehmenspraxis haben sich folgende drei Überlegungen bewährt: 

  1. Wie ist der Sachverhalt aus Ihrer Sicht als Projektleiter, bzw. was haben Sie erkannt oder beobachtet?
  2. Was hat dies für eine Wirkung auf Sie und / oder den Projektverlauf?
  3. Was ist Ihre Forderung oder Erwartungshaltung an Ihr Gegenüber auf Basis dieses Sachverhaltes?

Dadurch, dass Person und Sache getrennt werden, erhöht sich die Chance, dass keine Mauer hochgezogen und abgeblockt wird. Gibt es eine klare Vereinbarung, kann ebenso klar dargestellt werden, ob diese eingehalten wurde oder nicht. Falls ja, ist ein positives Feedback angebracht. Falls nein, wird gemeinsam an dem offenen Punkt gearbeitet werden, um eine Lösungsmöglichkeit zu finden oder die Aufgabenstellung zu verändern. Wichtig dabei ist, dass am Ende wieder eine klare Vereinbarung steht. 

Wertschätzung bei Fehlern und Abweichungen

Fehler passieren im Projekt, weil der Arbeitsdruck hoch und die Erfahrungswerte möglicherweise noch gering sind. Es gehört zur offenen und konstruktiven Fehlerkultur, dies zu akzeptieren. Mit den gezeigten Maßnahmen kann man in hohem Maße die Voraussetzungen schaffen, dass jedes Projektmitglied nach bestem Wissen und Gewissen arbeitet und sich selbst genug ärgert, wenn etwas nicht klappt, da es sich verantwortlich und wertgeschätzt fühlt.

Umgang mit Fehlern und Hindernissen 

Wie mit Fehlern und Hindernissen umgegangen wird, trägt maßgeblich zur Performance des Projektes bei. Was geschehen ist, ist ohnehin Vergangenheit, hier helfen der Blick nach vorn und die Erkenntnis, was aus diesem Fehler für kommende Aufgaben gelernt wurde. Enorm wichtig ist es hingegen, dass Fehler / Versäumnisse und Zeitverzüge sofort angesprochen werden, sowohl vom Projektleiter, als auch von jedem einzelnen Mitglied des Teams, wenn etwas nicht so läuft, wie geplant. Die Überwindung dieser Hindernisse schweißt ein Team zusammen. Lösungen können als wichtiger Bestandteil bei den Milestone-Meetings präsentiert werden, die das Team motivieren. Ein Grundvertrauen in die Stärken der einzelnen Mitglieder des Projektteams und in das Team als Ganzes sollte immer die Grundlage für jedes Projekt sein, dass in Angriff genommen wird.

Alle, auch die stilleren Projektmitglieder immer mit einbinden

Oft machen sich gerade die stilleren Projektmitglieder sehr viele Gedanken um die Projektproblematiken, trauen sich aber nicht, für sie offensichtliche Knackpunkte anzusprechen. Auch hier ist es so, dass es verschiedene Typen gibt, die eben auch verschiedene Stärken und Talente mitbringen. Diejenigen z.B., die einen strategischen Blick haben, müssen nicht unbedingt in den höchsten Positionen sein. Aus unserer Erfahrung sind die Talente bei diesem Punkt hier sehr unterschiedlich verteilt. Wichtig ist es, Projektmitglieder mit dieser Eigenschaft zu identifizieren und deren Einschätzung über den Projektverlauf öfter abzufragen. Nähe Typen aus dem Riemann Thomann-Modell, als weiteres Beispiel, können sich dagegen sehr gut vorstellen, wie Veränderungen auf die Mitarbeiter wirken werden und welche Maßnahmen für eine erfolgreiche Implementierung hilfreich sein können.

Unsere Empfehlung für die Einbeziehung des menschlichen Faktors:

  • Entwickeln Sie für Ihr Projekt eine Kommunikationsmatrix und arbeiten Sie damit.
  • Erstellen Sie vor dem Projekt und zu den Milestones Ihre Kraftfeldanalysen.
  • Kommunizieren Sie schnell und klar mit für beide Seiten verbindlichen Vereinbarungen und ebenso klaren Verantwortlichkeiten.
  • Leben Sie eine Fehlerkultur vor, die aus Fehlern lernt, statt sie zu verdammen und „Schuldige“ zu suchen. Ein Fehler, der schnell erkannt und korrigiert wird, ist erfahrungsgemäß immer die günstigste Lösung, wenn etwas schiefgeht.

Fazit

Dieses Expertenwissen soll sensibilisieren, den „menschlichen Faktor“ in Projekten angemessen zu berücksichtigen, um zum Erfolg zu kommen. Insbesondere bei technischen Projekten steht häufig die fachliche Herausforderung und Machbarkeit sehr stark im Mittelpunkt und vermeintliche „Soft-Faktoren“ fallen unter den Tisch, da sie ja nichts mit der „Sache“ zu tun hätten.

Wir hingegen weisen hier auf die Gefahrenpotentiale von – durchaus auch irrationalen – Widerständen hin und empfehlen, diese frühzeitig zu erfassen und konstruktiv anzugehen. Dazu haben wir Tools, wie die Kraftfeldanalyse, die Kommunikationsmatrix und die Einordnung in das Riemann-Thomann Kreuz mitsamt den dazugehörigen Werten angesprochen. Darüber hinaus auch Methoden, wie ein konstruktives Feedback, die Nutzung von Stärken und Talenten, sowie den offenen Umgang mit Fehlern. Unser  Praxisbeispiel aus der Feinkostindustrie zeigt anschaulich, wie diese Tools und Methoden erfolgreich eingesetzt werden können. Die angemessene und wertschätzende Kommunikation mit den Projektmitgliedern ist dabei der Schlüssel. 

Klare, verbindliche Aufgabenzuordnungen und Ziele, Transparenz im Projekt und in den Meetings plus Vertrauen und Wertschätzung sind aus unserer Sicht eine hervorragende Grundlage, um Projekte ziel- und zeitgerecht abzuschließen. 

Mit der Einbeziehung des menschlichen Faktors werden Sie Ihre Projekte pro-aktiv positiv beeinflussen. Er sollte daher schon zu Beginn der Projektplanung seinen festen Platz in Ihrer Vorbereitung bekommen. 

Literaturempfehlungen

  • Schulz von Thun, F.: Miteinander reden Band 1-4, rowohlt Verlag
  • Schulz von Thun, F., Ruppel, J., Stratmann, R. (2003): Kommunikationspsychologie für Führungskräfte
    (Miteinander reden Praxis), rowohlt Verlag
  • Thomann, C., Schulz von Thun, F. (2007): Klärungshilfe 2. Konflikte im Beruf: Methoden und Modell klärender Gespräche, rowohlt Verlag
  • Rohm, A. (Hrsg.) (2006): Change-Tools, managerSeminare Verlags GmbH
  • Stahl, E. (2007): Dynamik in Gruppen – Handbuch der Gruppenleitung, Psychologie Verlags Union
  • Benien, K. (2003): Schwierige Gespräche führen, rowohlt Verlag
  • Cörrenzing, C., Dichant, B., Hickmann, A. (2003): Zirkuläres Fragen, in: REICH, K. (Hrsg.): Methodenpool.  o URL http:/methodenpool.uni-koeln.de
  • Francis, D.; Young, D. (2002): Mehr Erfolg im Team, Windmühle Verlag
  • Riemann, F. (2006): Grundformen der Angst, Ernst Reinhardt Verlag
  • Schmidt, R. (1999): Immer richtig miteinander reden, Jufermann Verlag
  • Andler, N. (2007): Tools für Projektmanagement, Workshops und Consulting, Publicis

Dank:
An dieser Stelle bedanke ich mich herzlich bei den Mitgliedern des DLG-Arbeitskreises Robotik, die mich mit ihrer umfangreichen Expertise bei der Ausarbeitung des Expertenwissens unterstützt haben.

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Kontakt

Fachzentrum Lebensmittel • Carola K. Herbst • Tel.: +49 (0) 69 24 788-240  C.Herbst@DLG.org