„Akzeptanz und Käuferverhalten bei Fleischersatzprodukten“
DLG-Studie 2017
Das Interesse für die eigene Gesundheit ist neben ethisch-moralischen Ansprüchen der Hauptgrund für einen zunehmend fleischreduzierten bzw. fleischfreien Lebensstil der Deutschen. Neben einem wachsenden Angebot an Gemüse- und Pastaprodukten sowie Brotaufstrichen entwickelt sich auch ein größerer Markt für Fleischersatzprodukte. Diese richten sich gleichermaßen an Vegetarier, Veganer und „Flexitarier“. Angeboten werden vor allem fleischfreie Versionen von im Markt bereits etablierten Fleischerzeugnissen, also fleischfreie „Kopien“ des „Originals“.
Bei der Kennzeichnung nutzen Hersteller den rechtlich vorhandenen Gestaltungsspielraum und schreiben vor vertraute Namen „vegan“ oder „vegetarisch“, wie etwa „vegetarisches Schnitzel“ – unter Angabe der Eiweißbasis des Ersatzstoffes gemäß der Lebensmittelinformations-Verordnung (LMIV). Unklar aber ist, ob solche Bezeichnungen von Fleischersatzprodukten mit der Verkehrsauffassung und den Erwartungen von Verbrauchern in Einklang stehen. Außerdem ist bislang kaum untersucht, welche Einstellungen Verbraucher generell zu Fleischersatzprodukten haben, und wie ihr Kaufverhalten aussieht. Zu diesen und anderen wichtigen Fragen hat die DLG eine aktuelle Studie durchführen lassen.
Studien-Design und Methode
Im Mittelpunkt der Studie stehen drei Kernfragen:
- Welche Erwartungen, Wahrnehmungen und Wünsche existieren bezüglich der Namensgebung und Kennzeichnung von vegetarischen Fleischersatzprodukten?
- Welche Einstellungen und Assoziationen verbinden Verbraucher mit vegetarischen Fleischersatzprodukten?
- Wie sieht das Kaufverhalten bei vegetarischen Fleischersatzprodukten aus?
Im Rahmen einer Online-Befragung wurden 500 Verbraucher befragt. Die Stichprobe umfasste je 50 % Männer und Frauen. Bei der Auswahl der Befragten wurde die Altersstruktur der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland nachgebildet, um ein repräsentatives Bild mit Blick auf Alter und Geschlecht gewinnen zu können. Die Studie wurde von der DLG zusammen mit Prof. Dr. Holger Buxel, Fachhochschule Münster, durchgeführt.
Namensgebung und Kennzeichnung: Erwartungen, Wahrnehmungen und Wünsche
Verbraucher haben Erwartungen darüber, was für Eigenschaften ein verarbeitetes Lebensmittel besitzt, wenn es eine Produktbezeichnung ,wie z. B. „Schnitzel“, trägt. Solche Erwartungen lenken und beeinflussen ihr Informations- und Kaufverhalten oft stark.
Bezeichnung Schnitzel & Co.: Fleisch wird als Hauptzutat erwartet
Zur Klärung der Frage, welche Hauptzutaten den Verbrauchererwartungen bei Produktgattungen entsprechen, die traditionell aus Fleisch hergestellt werden, aber aktuell auch als vegetarische Fleischersatzprodukte angeboten werden, wurden vier Produktgattungen betrachtet: Schnitzel, Frikadelle, Bratwurst, Wurstaufschnitt. Die Befragten wurden nach einem Zufallsauswahlprinzip zu je einer der Produktgattungen befragt und gebeten, entlang einer Zutatenliste anzugeben, welche davon man als Hauptzutat nutzen kann, damit sie persönlich das daraus hergestellte Produkt hinterher als einen Vertreter der jeweiligen Produktgattung (Schnitzel, …) bezeichnen würden. Es zeigt sich: Der Anteil der Befragten, der bei den vier Produktgattungen neben Fleisch auch andere Zutaten, wie z. B. Sojabohnen, Lupinensamen, Seitan oder Ei und Milch als mögliche Hauptzutat wählte, liegt im Durchschnitt über alle Produktgruppen hinweg bei 34 %. Die klare Mehrheit der Befragten (66 %) wählte über alle Produktgruppen hinweg nur Fleisch als Hauptzutat (Abb. 1).
Vegetarische Schnitzel & Co.: Kein Vertreter der Produktgattung
Eine weitere Frage war, ob ein vegetarisches Produkt als Vertreter einer Produktgattung angesehen wird, die traditionell aus Fleisch hergestellt wird, wenn es kein Fleisch enthält, und das Produkt explizit als „vegetarisch“ gekennzeichnet ist. 72 % der Befragten sehen solche vegetarischen Fleischersatzprodukte nicht als Vertreter von Produktgattungen wie Schnitzel, Frikadelle etc. an.
Entlang der vier Produktgattungen wurde auch untersucht, ob Verbraucher es als problematisch oder gar als eine Täuschung empfinden, wenn ein vegetarisches Produkt als Vertreter einer Produktgattung bezeichnet wird, die traditionell aus Fleisch hergestellt wird. Hier zeigte sich: 75 % der Befragten sind der Meinung, dass die Verwendung der Produktgattungsbezeichnung (Schnitzel, …) nicht zu einem Produkt passt, das gar kein Fleisch enthält. 52 % empfinden die Verwendung einer solchen Produktgattungsbezeichnung bei vegetarischen Produkten als Verbrauchertäuschung. 59 % der Befragten sind der Meinung, dass ein Produkt, das gar kein Fleisch enthält, grundsätzlich nicht von Herstellern als Vertreter einer entsprechenden Produktgattung (die traditionell aus Fleisch hergestellt wird) bezeichnet werden dürfte – auch wenn der Hinweis „vegetarisch“ dabei steht. Der Anteil der Befragten, der dies strikt ablehnt, liegt bei 39 % (Abb. 2, siehe Seite 4)
Vegetarische Schnitzel & Co.: Konkrete sensorische Produkterwartungen vorhanden
Befragte Verbraucher, die ein vegetarisches Erzeugnis als Vertreter einer Produktgattung (z. B. Schnitzel) nicht strikt ablehnen, haben konkrete sensorische Produkterwartungen, wann ein vegetarisches Produkt als Vertreter einer Produktgattung bezeichnet werden kann, die traditionell aus Fleisch hergestellt wird: Das vegetarische Fleisch- oder Wurstersatzprodukt sollte ihrer Meinung nach dann auch so schmecken (53 %), riechen (39 %), aussehen (64 %) und sich beim Reinbeißen und Kauen so anfühlen (61 %) wie das typische „Produktvorbild“ aus Fleisch. Das sensorische Profil ist somit entscheidend (Abb. 3).
Favorisierte Bezeichnung: Vegetarisches Produkt nach [Produktgattungs]art
Alle Befragten wurden entlang der vier Produktgattungen auch nach ihrer Meinung gefragt, welche Bezeichnung am besten für ein vegetarisches Produkt geeignet ist, das vom Aussehen und Geschmack einem „Produktvorbild“ aus Fleisch nachempfunden ist. Die Bezeichnung „Vegetarisches Produkt nach [Produktgattungs]art“ (z. B. „Vegetarisches Produkt nach Schnitzelart“) wird mit 43 % favorisiert. Für die heute oft angewandte Variante „Vegetarisches […]“ (z. B. „Vegetarisches Schnitzel“) entscheiden sich 15 % (Abb. 4).
Kaufentscheidung leicht gemacht: Qualitätssiegel
56 % der Befragten wünschen sich ein Qualitätssiegel für vegetarische Fleisch- und Wurstersatzprodukte. Es sollte von einer neutralen Prüforganisation vergeben werden und nur Alternativprodukte auszeichnen, deren sensorisches Profil dem „Produktvorbild“ aus Fleisch entspricht. Für 42 % wäre ein solches Qualitätssiegel eine echte Hilfe, an der sie sich beim Kauf orientieren würden.
Einstellungen zu Fleisch- und Fleischersatzprodukten
Fleisch- versus Fleischersatzprodukte: Positive und negative Aspekte
Die Befragten wurden gebeten, vegetarische Fleisch- und Wurstersatzprodukte einerseits und Fleisch- und Wurstprodukte aus Fleisch andererseits entlang diverser Merkmale im Vergleich zu bewerten. Ziel war es, die mit beiden Produkttypen verknüpften typischen Erwartungen aufzudecken. Hier zeigt sich, dass die Produkte aus Fleisch von den meisten Befragten als appetitlicher, besser schmeckend und auch alles in allem besser eingestuft werden. Doch auch Fleisch- und Wurstersatzprodukte punkten in einigen Merkmalen. So werden diese oft als besser für die Gesundheit, die Umwelt, das Klima sowie als besser für das Wohlergehen von Tieren eingestuft (Abb. 5).
Fleischprodukte sind Verbrauchern meist sympathischer
Mit Blick auf die allgemeinen Einstellungen der Verbraucher zu vegetarischen Fleischersatzprodukten zeigte sich: 53 % der Befragten sind vegetarische Fleisch- und Wurstersatzprodukte nicht sympathisch – 24 % sind sie sympathisch. 73 % der Befragten lehnen es ab, für vegetarische Fleisch- und Wurstersatzprodukte einen höheren Preis zu zahlen
als für vergleichbare Produkte aus Fleisch. Für 13 % der Befragten spielt das Angebot an vegetarischen Fleisch- und Wurstersatzprodukten eine sehr wichtige Rolle bei der Wahl der Geschäfte, in denen sie normalerweise ihre Lebensmittel kaufen.
Kaufverhalten bei Fleischersatzprodukten
In der Studie wurde auch untersucht, wie groß die Zielgruppe für vegetarische Fleisch- und Wurstersatzprodukte einzuschätzen ist. Dabei zeigte sich, dass für diese Produkte grundsätzlich eine große Probierbereitschaft besteht – bereits 43 % der Befragten haben schon einmal vegetarische Fleisch- oder Wurstersatzprodukte probiert.
Nicht alle Probierenden sind aber auch Käufer. Der Anteil der Befragten, die schon einmal selbst vegetarische Fleisch- oder Wurstersatzprodukte gekauft haben, ist mit 26 % deutlich kleiner. Jedoch können sich weitere 13 % der Befragten grundsätzlich vorstellen, zukünftig vegetarische Fleisch- oder Wurstersatzprodukte zu kaufen.
Nur wenige Verbraucher sind regelmäßige Stammkäufer
Befragte, deren Haushalt schon einmal Fleisch- oder Wurstersatzprodukte gekauft hat (31 %), sollten angeben, wie häufig sie Alternativprodukte kaufen. Der Anteil der Interviewten, in deren Haushalt jede Woche vegetarische Fleisch- oder Wurstersatzprodukte gekauft werden, liegt bei 3 %. Weitere 4 % gaben an, dass alle zwei Wochen vegetarische Fleisch- oder Wurstersatzprodukte gekauft werden.
Die klare Mehrheit der Befragten, deren Haushalt schon einmal Fleisch- oder Wurstersatzprodukte gekauft hat, gibt an, dies seltener als alle zwei Wochen zu machen – die meisten Haushalte im Grunde sogar sehr unregelmäßig oder gar nicht (Abb. 6).
Separater Regalbereich gewünscht
Mit Blick auf die Frage, wo vegetarische Wurstersatzprodukte aus Verbrauchersicht im Handel am besten platziert werden sollten, zeigt sich eine klare Präferenz: 84 % der Befragten wünschen sich einen eigenen Regalbereich nur für vegetarische Wurstersatzprodukte (vegetarische Mortadella steht dann an einem anderen Platz als traditionelle Mortadella aus Fleisch).
Gründe für den Kauf
Diejenigen Befragten, deren Haushalte „regelmäßig“ vegetarische Fleisch- und Wurstersatzprodukte kaufen (nicht nur einmal und dann nicht wieder), wurden nach den Gründen dafür befragt. Hier zeigte sich, dass die vier wichtigsten Aspekte Tierschutz und Wohlbefinden der Tiere (86 %), Gesundheitsaspekte (83 %), Neugierde (64 %) sowie Umwelt- und Klimaüberlegungen (61 %) sind (Abb. 7).
Fazit
Mit Blick auf die Frage, welche Erwartungen, Wahrnehmungen und Wünsche bezüglich der Namensgebung und Kennzeichnung von vegetarischen Fleisch- und Wurstersatzprodukten existieren, zeigt die Studie:
- Kennzeichnung:
Mehrheitlich nehmen die Befragten ein Fleischersatzprodukt nicht als Vertreter einer Produktgattung wahr, die traditionell aus Fleisch hergestellt wird. 75 % der Befragten sind dabei der Meinung, dass die Verwendung einer Produktgattungsbezeichnung wie z. B. „Schnitzel“, nicht zu einem Produkt passt, das gar kein Fleisch enthält. 52 % empfinden die Verwendung einer solchen Produktgattungsbezeichnung bei vegetarischen Produkten sogar als Verbrauchertäuschung. Umso wichtiger ist es, dass der ausgetauschte Rohstoff gemäß der LMIV deutlich kenntlich gemacht wird.
- Bevorzugte Bezeichnung:
Die aus Verbrauchersicht am stärksten bevorzugte Bezeichnung für ein Fleisch- oder Wurstersatzprodukt, das ein „Produktvorbild“ aus Fleisch „kopiert“, ist unter den Befragten mit 43 % Zustimmung die Bezeichnung „Vegetarisches Produkt nach [Produktgattungs]art“ (z. B. „Vegetarisches Produkt nach Schnitzelart“).
- Sensorisches Profil
Das sensorische Profil ist oft ein entscheidender Faktor für Fleischersatzprodukte. Wird ein Fleischersatzprodukt nach einem „Produktvorbild“ aus Fleisch bezeichnet, dann sollte es auch weitgehend den sensorischen Eigenschaften des „Produktvorbilds“ entsprechen. Qualitätsprüfungen und -siegel, die dies belegen, wären aus Verbrauchersicht hilfreich für ihre Orientierung.
- Positive Aspekte
Im Vergleich zu traditionellen Fleischerzeugnissen, die als appetitlicher und besser schmeckend eingestuft werden, verbinden viele Verbraucher mit Fleischersatzprodukten durchaus auch einige positive Aspekte. Das sind z. B. Gesundheit, Umwelt, Klima und Tierwohl. Sie dürften eine Rolle dabei spielen, dass bereits 43 % der Befragten schon einmal vegetarische Fleisch- oder Wurstersatzprodukte probiert haben.
- ProbierbereitschaftObwohl die Probierbereitschaft bei vegetarischen Wurst- und Fleischersatzprodukten groß ist, ist nur ein sehr kleiner Anteil der befragten Verbraucher als regelmäßige Stammkäufer einzustufen. Viele der Personen, die schon einmal vegetarische Fleischersatzprodukte gekauft haben, geben an, dass sie diese Erzeugnisse seltener als alle 14 Tage bzw. unregelmäßig kaufen. Gründe dafür könnten sein, dass das sensorische Profil und das Preis-Leistungs-Verhältnis noch nicht überzeugt haben.
Kontakt:
Prof. Dr. Holger Buxel,
Tel. +49 2501 9719-634
mail@holger-buxel.de
DLG-Testzentrum Lebensmittel
Projektleitung Christel Auler
Tel. +49 69 24788-375
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Die Studie wurde konzeptionell begleitet von
Prof. Dr. Holger Buxel, Professor für Dienstleistungs- und Produktmarketing an der Fachhochschule Münster,
Fachbereich Oecotrophologie Facility Management.