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Eiweißquellen der Zukunft

Alternative Proteine

aus: DLG-Lebensmittel 4/2022

Wie kann eine wachsende Bevölkerung in Zeiten von Ressourcenknappheit und Klimawandel noch ausreichend ernährt werden? Das Erschließen neuer Proteinquellen aus Pflanzen oder Insekten sind zwei Optionen auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Lebensmittelproduktion. Aber auch die zelluläre Landwirtschaft bietet mit Cultured Meat und der Präzisionsfermentation große Potenziale. 

 

Der Markt für pflanzenbasierte Fleisch­alternativen verzeichnet hohe Wachstumsraten. In einer kürzlich veröffentlichten Studie geht das Good Food Institute davon aus, dass der Absatz von pflanzlichem Fleisch im Jahr 2030 etwa sechs Prozent des weltweiten Fleischmarkts ausmachen wird. 

Pflanzenbasierte Proteine

Bei der Herstellung der Fleischalternativen kommen neben Soja oder Reis weitere Rohstoffe wie Lupinen, Bohnen, Erbsen, Weizen, Sonnenblumen, Hanf oder auch Algen zum Einsatz. Die Erforschung immer neuer Proteinquellen läuft auf Hochtouren. Denn entscheidend ist, die menschlichen Nahrungsquellen zu diversifizieren. Mikro­algen gelten als vielversprechender Ansatz einer nachhaltigen Produktion von Omega-3-Fettsäuren und Vitamin B12, das normalerweise nur in tierischen Erzeugnissen vorkommt. Das Wiener Start-up Revo Foods hat sich mit seinen Meeresfrüchte-Alternativen auf Seafood-Basis in Europa bereits einen Namen gemacht. 

Insektenproteine 

Auch insektenbasierte Lebensmittel haben das Potenzial, einen wesentlichen Beitrag zur Proteinversorgung der Zukunft zu leisten. Mehr als 1.900 Insektenarten gelten weltweit als essbar, bei über zwei Milliarden Asiaten stehen sie regelmäßig auf dem Speiseplan. „Die Zucht und Verarbeitung von Insekten findet dort zum Großteil durch den Einsatz manueller Arbeitskraft statt“, berichtet Max Hesse, Gruppenleiter Maschinen- und Verfahrensentwicklung des Fraunhofer-IVV, auf der diesjährigen IFFA in Frankfurt am Main. „Um wettbewerbsfähig zu sein, muss die in Europa und Deutschland aktuell sehr von KMUs und Start-ups geprägte Branche einen hohen Automatisierungsgrad erreichen. Wir vom Fraunhofer-IVV forschen daher unter anderem an Themen rund um eine automatisierte, industrielle Aufzucht, um Insektenproteine großflächig verfügbar zu machen. Als lebende Organismen mit verschiedenen Größen/Formen sowie Vitalitätsparametern stellen Insekten große Herausforderungen an die Automatisierung. Mithilfe von Sensorik und KI-basierter Analysesoftware wollen wir beispielsweise Insekten mit bestimmten Eigenschaften sortieren und für die gezielte Verwendung in sekundären bzw. gewinnbringenden Stoffströmen freischalten.“ Die Weiterverarbeitung des Insektenproteins erfolgt dann wie bei pflanzenbasierten Proteinen über Extrusionsverfahren und Verarbeitungsmaschinen.

Seit Inkrafttreten der Europäischen Novel-Food-Verordnung im Jahr 2018 gab es rund fünfzehn Prüfanträge für insektenbasierte Lebensmittel. Anfang Mai 2021 hat der Gelbe Mehlwurm als erstes Insekt überhaupt in der EU die Zulassung als neuartiges Lebensmittel erhalten. 

Technology Center eröffnet

Die Bühler-Gruppe hat im Mai 2022 im schweizerischen Uzwil ein Insect Technology Center (ITC) eröffnet. In diesem Anwendungszentrum kann Bühler zusammen mit seinen Kunden Larvenwachstumsversuche mit verschiedenen Rohstoffen durchführen, Produktmuster entwickeln, Zuchtlösungen evaluieren und Schulungen durchführen. Im ITC wird mit den beiden für die industrielle Produktion wichtigsten Insektenarten gearbeitet, mit der Schwarzen Soldatenfliege und dem Mehlwurm.

Zelluläre Landwirtschaft

Fleisch, Fisch, Eier und Milchprodukte ohne Tierhaltung, dafür steht die zelluläre Landwirtschaft. Auf dem Markt gibt es bislang nur Chicken Nuggets von Eat Just in Singapur, dem zweiten Hotspot für kultiviertes Fleisch neben Israel. Prognosen der Unternehmensberatung Kearney zufolge könnten ab 2040 35 % des weltweiten Fleischkonsums auf zellkultiviertes Fleisch entfallen – noch gibt es aber einen großen Forschungsbedarf und große ethische Vorbehalte in der Bevölkerung. 

Das Prinzip Fleisch aus dem Labor zu gewinnen, ist immer das gleiche: Einem Tier werden über Biopsie Stammzellen entnommen, und zwar um Fleisch nachzubilden sowohl aus dem Muskel- als auch aus dem Fettgewebe. Die Zellen werden anschließend in großen Bioreaktoren vermehrt und die Zellmassen können dann beispielsweise zu Patties geformt werden. Durch den Einsatz von 3-D-Druckern oder essbaren Trägerstoffen entstehen Clean-Meat-Produkte mit Struktur. Um die Akzeptanz zu erhöhen und den Preis zu senken, forschen die Unternehmen an pflanzlichen Nährlösungen, die das bisher notwendige tierische Serum ersetzen.

Fermentation

Ein weiterer Zweig der zellulären Landwirtschaft ist die Präzisionsfermentation. Die Fermentation ist ein jahrtausendealter Prozess, der aus der Lebensmittelherstellung nicht wegzudenken ist. Lange wurde mit Bakterien gearbeitet, die im Produkt, etwa in der Milch oder dem Weißkohl, vorhanden waren. Mit der Zeit begann der Mensch die Fermentation zu kontrollieren, indem er nicht nur Temperatur und Zeit steuerte, sondern auch Bakterien isolierte und züchtete, mit denen dann fermentiert wurde. Diese gezielte Fermentation wird schon seit Längerem verwendet für die Herstellung von mikrobiellem Lab für die Käseproduktion, von Enzymen für alle möglichen industriellen Prozesse, von Aromen oder Farbstoffen. Auch Vitamine werden so bereits hergestellt und seit den Achtzigerjahren auch Quorn – Fleischersatz aus Pilzen. Bei der Präzisionsfermentation werden Bakterien oder Hefen so „programmiert“, dass sie beispielsweise gezielt Milchproteine herstellen. In den USA gibt es bereits Speiseeis aus tierfreien Milchproteinen. Viele große Ingredienzhersteller mischen in diesem Zukunftsmarkt kräftig mit, u.a. Fonterra, Danone, Barilla, Kellogg, Kraft Heinz, Mars. Während durch „wilde Fermentation“ komplexe Aromen entstehen, können mit der Präzisionsfermentation unter anderem einzelne Aromakomponenten produziert und dann neu kombiniert werden – ein neuer Werkzeugkasten von Funktionalitäten für die Industrie. (rh)

Pioniere der Präzisionsfermentation

Perfect Day

Perfect Day verwendet den Pilz Trichoderma fungi, um aus Maiszucker pflanzliche Proteine zu fermentieren, die mit Kasein und Molke identisch sind. Perfect Day lancierte im Sommer 2019 ein pflanzliches Eis, das neben den Proteinen auch aus Kokosöl, Sonnenblumenöl und Zucker besteht. www.perfectday.com 

Nature’s Fynd

Nature’s Fynd arbeitet mit einem Pilz, der im Rahmen eines NASA-Projektes in den geothermalen Yellowstone-Quellen gefunden wurde. Der Pilz ist dank der Anpassung an diese extreme Umgebung sehr effizient. Das fermentierte, faserartige Protein namens „Fy“ enthält alle neun für den Menschen essenziellen Aminosäuren. www.naturesfynd.com 

Impossible Foods

Impossible produziert den „Impossible Burger“ aus Kartoffel- und Weizenprotein, Kohlenhydraten aus Konjakwurzeln und Kokosnussöl. Entscheidende Zutat ist Häm, ein Bestandteil des eisenhaltigen Blutproteins Hämoglobin. Das Häm wird durch gentechnisch veränderte Hefezellen in Fermentation hergestellt und ist deshalb in Europa nicht als Lebensmittel zugelassen. Es gibt dem „Impossible Burger“ die komplexen Aromen und die rote Farbe von Fleisch. www.impossiblefoods.com