Erfolgreich in die Zukunft
Pangborn Sensory Science Symposium
Im Rahmen des Pangborn Symposiums, der internationalen Fachtagung rund um die Humansensorik, treffen sich alle zwei Jahre Sensoriker und Wissenschaftler verwandter Disziplinen zum Erfahrungsaustausch über aktuelle Entwicklungen und Trends in der Sensorik und Konsumentenforschung. Zur diesjährigen Veranstaltung Ende Juli kamen rund 1.200 Teilnehmer aus über 30 Ländern im International Convention Centre in Edinburgh zusammen. Präsentiert wurden rund 120 Vorträge bzw. Kurzvorträge und über 650 wissenschaftliche Poster. Zudem stellten rund 40 Aussteller ihre Dienstleistungsangebote vor. Themen, die sich wie ein „roter Faden“ durch alle Beiträge zogen, waren die Digitalisierung und Globalisierung. Die Eröffnung durch zwei Keynote Vorträge stand unter dem Motto „What will the future look like and how do we rise to the challenge?“ Diskutiert wurden digitale und globale Herausforderungen, die im Zusammenhang mit der Sensorik und Verbraucherforschung stehen.
Dies umfasste die Reflexion einer Vielzahl von Fragestellungen zum heutigen Konsumumfeld. Wie kann man die Konsumenten und ihr Verzehrs- und Einkaufsverhalten sowie die hinter der Entscheidungsfindung stehenden Emotionen besser verstehen? Welche Trends lassen sich erkennen und wie gestalten sich dadurch bedingt die Auswirkungen auf die Sensorik in den Rezepturen? Welchen Einfluss haben die neuen Medien auf die Konsumentenwünsche und deren Verhalten? Welche Folgen hat die Disruption für die aktuellen Unternehmensprozesse inklusive der sensorischen Aufgabenstellungen? Auch die neuen Prozesstechnologien, wie 3-D-Druck und die Losgröße 1, stellen die Sensorik vor Herausforderungen, um den Geschmack und zeitgleich den zunehmenden Wunsch nach personalisierter Ernährung zu erfüllen. Aber nicht nur diese Themen boten Diskussionsstoff, sondern auch die Tatsache, dass die „Digitale Revolution“ und Datenkollektion bedingt durch „Big Data“ und „Artificial Intelligence“ ungeahnte Möglichkeiten zur Informationsauswertung von Konsumentendaten mit sensorischer Relevanz bieten, die bis dato noch fast unbekannt sind oder wenig genutzt werden.
Harmonisierung
Während die elektronische Datensammlung und deren statistische Auswertung für die meisten der Teilnehmer bereits Standard und tägliche Routine sind, liegen die Herausforderungen bei global agierenden Unternehmen in den Bereichen der Harmonisierung sensorischer Forschungsprogramme, wie das Projekt einer US-amerikanischen Gruppe, „Harmonizing sensory programs around the world: Strategies for balancing structure and flexibility in a global environment“, exemplarisch aufzeigte. Die Forschungen beziehen sich auf die Methodik, bei der insbesondere die sensorische Sprache, kulturell und geographisch bedingt, die Haupthürde darstellt. Aber auch die Panelqualifizierung bei regional verteilten analytischen Panels spielt eine Rolle. Sensorische Prüfungen sind stets Attribut- Prüfungen, wobei die sensorischen Deskriptoren einheitlich verstanden werden müssen, um verwertbare Prüfergebnisse zu bekommen. So hat sich die ETH Zürich und die ZHAW Wädenswil mit dem Thema „A pilot study on Chinese taste vocabulary and its comparison to European languages: Culture differences of sweet as an example“ beschäftigt. Ein zunehmendes Thema für global verteilte Standorte stellt auch die Motivation der Verbraucherpanels dar und zwar insbesondere dann, wenn neue, für den jeweiligen Kulturkreis unbekannte Produkte (z. B. Insektenburger, Algen) als Testobjekt dienen, was z. B. im Projekt „Mental representation and unfamiliar food: Influence of regional culture and geographical distances“ von einem Forscherteam aus Brasilien thematisiert wurde. Auch ein generelles Verständnis darüber, was die Verbraucher in den verschiedenen Regionen der Welt jeweils unter „Well-being and feeling good“ verstehen, stand im Fokus verschiedener Arbeiten internationaler Projektgruppen.
Aktuelles aus der Verbraucher und Verhaltensforschung
Social Media und ein verändertes Kommunikationsverhalten, Virtuelle Realitäten (VR) und Raumbeduftungen zur Stimulation von Verkaufs- bzw. Verzehrserlebnissen sowie Verhaltensbeobachtungen bei sensorischen Konsumententests, die Erfassung von Emotionen über Eye Tracking oder die Messung autonomer, gehirnbasierter Maße (Herz- oder Atemfrequenz, Speichelfluss) wurden von verschiedenen Sensorikwissenschaftlern weiter erforscht. Die Ergebnisse wurden den Teilnehmern häufig in Form von Postern präsentiert. Aufgefallen sind hier u. a. die Arbeit eines US-Teams zum Thema „Electrophysiological recordings from the tongue as an objective evaluation of the gustatory sensitivity“, das Projekt „I see what I like – using a genetic algorithm to explain eye‐tracking data in a food choice task“ einer Forschergruppe aus Neuseeland und die Arbeit eines Teams aus Frankreich und der Schweiz über die „Reliability of consumer tests conducted with 360° VR immersion; reproducibility, discrimination and environment impact“. Es zeigt sich, dass es für die (sensorische) Konsumentenforschung eine große Herausforderung darstellt, die traditionellen Prozesse in der Produktforschung zu modifizieren, um den aktuellen Entwicklungen zu genügen.
Reformulierung und Rezepturmanagement / Clean Labeling
Die Verknüpfung von „Well-being“- Trends mit dem fortlaufenden, ungebrochenen Wunsch nach gutem Geschmack bildet nach wie vor ein weiteres großes Thema aller Sensorikverantwortlichen in der Lebensmittelbranche weltweit. Im Fokus standen vor allem Projekte, die die Textureigenschaften bei einer Fettreduktion bzw. beim Fettersatz beleuchteten. Und solche, die den Sättigungsgrad von kalorienreduzierten Lebensmitteln analysieren. Hier interessiert hauptsächlich die Einsparung von Zucker und/oder die Suche nach der „alternativen Süße“. Zudem gilt die Aufmerksamkeit weiterhin und ungebremst der Suche nach interessanten Aromen, die entweder den Reduktionstrend bei Fett, Salz und Zucker unterstützen oder aber dem Konsumenten ganz neue interessante Geschmacksanlässe bieten. Fokussierte Zielgruppen im Bereich der sensorischen Konsumentenforschung sind nach wie vor auch Kinder, ältere Konsumenten, Personen, die von ernährungsbedingen Erkrankungen betroffen sind (u. a. Zöliakie, Diabetes), und auch solche, die mit mentalen Erkrankungen zu kämpfen haben (u.a. Alzheimer, Demenz). So wurden von verschiedenen Wissenschaftlern Arbeiten präsentiert, wie „Effects of neurodegenerative disease on sensory function in the brain: Focus on Alzheimer’s disease and Down syndrome“ oder „Application of the Check‐All‐That‐Apply (CATA) method to explore sensory perception in children with different degrees of food neophobia“ oder „Food acceptance and taste sensitivity in children with cancer“. Das Pangborn Symposium bot erneut ein umfassendes, die verschiedenen Facetten der Humansensorik abdeckendes Programm und interessante Möglichkeiten zum Networking und Erfahrungsaustausch über Ländergrenzen hinweg. Die nächste Pangborn Veranstaltung findet vom 8.–12. August 2021 in Vancouver, Canada statt und wird sich dem Thema „Sustainable Sensory Science“ widmen.
Kontakt: Bianca Schneider-Häder
DLG-Fachzentrum Lebensmittel
Projektleitung
DLG-Ausschuss Sensorik
B.Schneider@DLG.org