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Food Sounds: Das Ohr isst immer mit

aus DLG-Lebensmittel Ausgabe 4/2016

Krachende Chips oder knackige Würstchen sind kein klanglicher Zufall, sondern die Präzisionsarbeit von Akustik-Experten.  Der Ton macht auch bei Lebensmitteln die Musik, denn das Ohr isst immer mit.

Zur Gesamtheit aller Wahrnehmungen, die den Eindruck von Qualität und Genuss bei Nahrungsmitteln maßgeblich bestimmen, gehören Geschmack, Aroma, Textur, Optik und die Akustik. Optimalerweise sollten beim Verzehr von Lebensmitteln alle Sinne gleichermaßen angesprochen werden. Denn letztlich ist der sensorische Gesamteindruck entscheidend, weiß Bianca Schneider-Häder, DLG-Sensorik-Expertin.
Beiß- und Kaugeräusche sind die akustische Visitenkarte eines Lebensmittels. Sie hängen von verschiedenen Faktoren ab. Die Textur spielt dabei ebenso eine Rolle wie die individuelle Beiß- und Kautechnik oder der Zustand der Zähne. Alle zusammen beeinflussen die Klangfarbe, das Timbre, der entstehenden Kaugeräusche. Ähnlich wie bei olfaktorischen, gustatorischen und anderen sensorischen Wahrnehmungen bestehen große individuelle Unterschiede in der Empfindlichkeit der akustischen Reize. Die Hör-Sensibilität lässt sich aber, wie andere Sinnesorgane auch, trainieren.

Akustische Begriffe

Akustik-Designer sind bemüht, den perfekten Abbiss zu kreieren. Denn die dabei entstehenden Geräusche sollen positive Assoziationen wecken. Als „Aktivität“ bezeichnen Sound-Profis das Erlebnis beim Zubeißen. Es beschreibt Lautstärke und Dynamik. Unter „Animation“ wird der Wohlfühlfaktor beim Beißen, Kauen und Weiteressen verstanden. Um diese Werte zu ermitteln, wird heute in erster Linie die Marktforschung bemüht. Probanden aus repräsentativen Zielgruppen werden nach ihren Empfindungen gefragt. Doch es ist leichter, einen akustischen Eindruck zu erkennen als ihn einem anderen exakt zu beschreiben. Bei allen sinnlichen Wahrnehmungen fällt das umso schwerer, je weniger Bezugsstandards zur Verfügung stehen, die eine genaue Begriffsdefinition und damit eine einheitliche Sprache festlegen.
Im deutschsprachigen Raum unterscheidet man fünf akustische Begriffe: Schall, Hall, Klang, Ton und Geräusch. Demgegenüber steht im Englischen ein einziger Sammelbegriff: Sound.

Das erleichtert englischsprachigen Sensorikern die Fachsprache als gemeinsame Basis ungemein: Biting sound (Beißlaut); soundwave (Schallwelle), crushing sound (Beißgeräusch) etc.

Lautstärke

Wie laut ein Geräusch sein darf, damit es noch als angenehm empfunden wird, gilt im Lebensmittelbereich auch für Verpackungen, wie ein Beispiel aus Amerika deutlich macht. Dort wurde eine komplett kompostierbare Chips-Verpackung produziert, die sich aber auf dem Markt nicht durchgesetzt hat. Der Grund: Sie war zu laut. Niemand konnte beim Fernsehen mehr nebenbei in die Chipstüte greifen ...

Positiv wahrgenommen wird demgegenüber der dumpfe „Plop“ eines Bügelflaschen-Verschlusses, der beim Öffnen einer Bierflasche entsteht. Er gilt als Meisterwerk des Sound-Designs und ist mittlerweile zum Markenkennzeichen einer Brauerei im hohen Norden geworden.

Struktur und Klang

Brühwürste in Naturdärmen, die fachgerecht hergestellt und gegart wurden, müssen beim Zubeißen knackig und nicht stumm sein. Je nach Festigkeit und Elastizität vernimmt der Verbraucher dann ein spezifisches, sanft knackiges Geräusch ohne Saftspritzer, das bei einer breiartigen Beschaffenheit des Bräts ausbleibt.

Bei Plätzchen entstehen die Geräusche beim Zubeißen durch die Struktur des jeweiligen Gebäcks. Sein Inneres enthält unzählige Hohlräume. Sind diese groß oder klein, rund oder länglich angeordnet, verursachen sie einen anderen Klang beim Zubeißen. „Das Geräusch ist immer ein Hinweis auf die Produktqualität. Das gilt für alle Lebensmittel, die eine knusprig, knackige Textur haben“, sagt Schneider-Häder. „Ein altes, weiches Plätzchen macht keine Töne. Spezifische Beiß- und Kaugeräusche haben eine nicht zu unterschätzende psychologische Wirkung und großen Einfluss auf die Verbraucherakzeptanz eines Produktes.“ Studien belegen, dass jüngere Kunden einen kurzen hellen Knack, der knusprig und crunchy ist, bevorzugen. Ein Vanillekipferl, ein Mürbegebäck hingegen, sollte eher schwach knusprig klingen. Nicht zuletzt weil hier vor allem ältere Menschen zugreifen. Bei Lebkuchen oder Printen erwartet keiner ein Knacken.

Psycho-Akustik

Eine wissenschaftliche Theorie nach der man jedes Knuspern und Knacken ausrichten kann, fehlt bislang. Denn im Lebensmittelbereich steckt die Psycho-Akustik noch in den Kinderschuhen. Ganz im Gegensatz zu vielen anderen Branchen, wo man dem alltäglichen Klang schon viel länger auf der Spur ist. Allen voran in der Automobil- oder Elektrobranche.

Charles Spence

Charles Spence ist einer der Pioniere der „cross-modal perception“ – dem Effekt, dass eine sinnliche Wahrnehmung eine andere beeinflussen kann. Ein kürzlich erschienener Artikel im New Yorker (11/2015) geht auf die Entwicklung seiner Forschung ein: Gerade beim Essen wirken viele Modalitäten zusammen. Und an der Entstehung von „Geschmack“ spielt weit mehr eine Rolle, als nur die Rezeptoren auf der Zunge. Seine Untersuchungen zum Geschmack von Chips bei unterschiedlich eingespielten Sounds gelten als Durchbruch auf dem Gebiet der psychoakustischen Forschung. Sie verdeutlichen, dass unsere Sinnesorgane im ständigen Wettstreit miteinander stehen und auditive Wahrnehmungen andere sensorische Wahrnehmungen beeinflussen oder überlagern können. Eine schlechte Qualität von Lebensmitteln kann also leicht durch laute Gespräche oder laute Musik überdeckt werden. Unterhaltung ist daher eigentlich immer ein Feind von gutem Wein und gutem Essen. Möglicherweise schmeckt uns deshalb mancher Wein nur im Urlaub und nicht mehr zu Hause.

Die Physiologie des Hörens

Beim Beißen und Kauen verläuft die Schallübertragung auf zwei Wegen. Beim Beißen mit den Schneidezähnen ist der Mund etwas geöffnet und der Schall gelangt vorwiegend durch Luftübertragung und nur zum Teil durch Knochenleitung zum Ohr. Beim Kauen dagegen erfolgt die Schallübertragung hauptsächlich durch Knochenleitung. Die über Knochen geleiteten Geräusche haben eine niedrigere Frequenz, weil die höheren durch das weiche Mundgewebe gedämpft werden. Knusprigkeit beim Anbeißen ist eher hochtönig, während Knirschigkeit durch vermehrte Knochenleitung im Ton tiefer und dumpfer klingt.

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