Getränke auf natürliche Art und Weise stabilisieren und färben
Forscher erschließen neue Wege für Produzenten
aus: DLG-Lebensmittel 05/2018, Seite 28ff.
Ob naturtrübe Limonade oder braune Cola: Verbraucher suchen nach neuen Sinneseindrücken, die zudem gesund und nachhaltig sind. Wollen Getränkeproduzenten ihre Klassiker neu beleben, kommen sie an den Trends der Branche nicht vorbei. Wissenschaftler erschließen Getränkeproduzenten deshalb jetzt neue Möglichkeiten. Das Ziel: Natürliche Zutaten, die sich großtechnisch aus pflanzlichen Reststoffen herstellen lassen.
Jahr für Jahr gehen zahlreiche Produktentwickler auf die Suche: Welche Neuerungen punkten beim Verbraucher und welche Trends und Tendenzen werden die Marktentwicklungen im Bereich alkoholfreie Getränke besonders beeinflussen? Im Trendbericht für 2018 sehen die Marktanalysten von Mintel die Texturoptimierung als das nächste vielversprechende Tool für Innovationen. Das Potenzial ist groß: 37 Prozent der Spanier, 26 Prozent der Franzosen und 22 Prozent der deutschen Verbraucher stehen Getränken mit ungewöhnlichen Texturen offen gegenüber. „Die Suche nach neuen Erlebnissen bietet Möglichkeiten für multisensorische Getränke, die eine unerwartete Textur verwenden“, sagt die Mintel-Senior Food & Drink Analystin Katya Witham. Eine der interessantesten Innovationen ist für sie Fanta Gelee Fizz, ein Softdrink, der in Australien eingeführt wurde und Geleestücke enthält, die nach dem Schütteln der Dose aktiviert und mitgetrunken werden.
Neben dem Trend hin zu neuen Sinneseindrücken ist Transparenz des Herstellungsprozesses nach wie vor eines der wichtigsten Merkmale bei Produktneueinführungen, denn die Verbraucher wollen unabhängig vom Haushaltseinkommen umfassend über ihre Getränke informiert sein. Ein weiteres Kriterium: Immer mehr Menschen achten auf sich, so die Marktforscher von Mintel. Eine flexible und ausgewogene Nährstoffzufuhr wird damit immer wichtiger. Künftig halten Verbraucher daher nach Getränken Ausschau, die ihnen sowohl die richtigen Nährstoffe, als auch die körperlichen und emotionalen Vorteile bieten, um ihrer Selbstfürsorge nachzukommen. Diesem Trend Rechnung tragend arbeiten Forscher in Karlsruhe an neuen natürlichen Extrakten für die Getränkeindustrie. Ihr Kerngebiet ist die Trübung und Stabilisierung von Getränkeemulsionen.
Naturtrüb, auch ohne Zusatzstoffe
Der Hintergrund: Viele alkoholfreie Erfrischungsgetränke, wie Limonaden, zeichnen sich durch ihren typischen Geschmack sowie durch eine homogene Trübung aus. Um beide Eigenschaften im Getränk zu vereinen, werden häufig Öl-in-Wasser-Emulsionen eingesetzt. Die speziellen Aromaölemulsionen verleihen der Limonade ihren typischen Geschmack. Sie basieren auf Triglycerid-Ölen und sorgen für eine Trübung des Getränks. Bei der Lagerung darf es zu keiner Phasentrennung kommen. Um diese zu vermeiden, setzen Produzenten Emulgatoren in Kombination mit Gelbildnern ein, die als Vermittler zwischen zwei oder mehreren nicht-mischbaren Phasen dienen. Viele Getränke enthalten diese Zusatzstoffe, um sie für die Verbraucher attraktiver zu machen. Der Verbraucherwunsch nach natürlichen Extrakten gewinnt dabei immer mehr an Bedeutung. Hier setzt das Projekt der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) an: Das Forscherteam des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) will Mikrogele mit definierten Eigenschaften aus Pektin herstellen. Der lösliche Ballaststoff kann aus Nebenströmen der Lebensmittelindustrie, etwa aus Apfel-, Citrus- oder Rübentrester aus der Saft- und Zuckerproduktion, gewonnen werden und verfügt – neben seiner gesundheitsfördernden Wirkung – über weitere funktionelle Eigenschaften. Wegen seiner trubstabilisierenden und viskositätserhöhenden Eigenschaften eignet er sich besonders gut zur Herstellung von alkoholfreien Erfrischungsgetränken. Er lässt sich als Geliermittel, als Verdickungsmittel oder zur Stabilisierung von Emulsionen einsetzen. Bisher dient zumeist Zuckerrübenpektin zur Emulsionsstabilisierung in Getränken. Dabei kommt es jedoch immer wieder zu Qualitätsproblemen etwa einer Phasentrennung, deren Ursachen noch nicht vollständig verstanden werden.
Mikrogele aus Pektin
Zur Herstellung der Pektin-Mikrogele setzen die KIT-Forscher deshalb die SHM-Technologie ein, die das simultane Homogenisieren und Mischen erlaubt. Ziel des IGF-Vorhabens ist es, Größe und Struktur von Pektin-Mikrogelpartikeln so zu beeinflussen, dass sie über die für die jeweilige Anwendung gewünschten Funktionen verfügen. Es sollen pektinbasierte Mikrogele entstehen, die entweder als Emulgierhilfsstoff oder direkt zur Trübung in Erfrischungsgetränken verwendet werden können, um das geschätzte trübe Aussehen zu erzeugen. Darüber hinaus sind die Einsatzmöglichkeiten vielfältig: Die Forscher wollen nicht nur Getränkeherstellern, sondern auch Herstellern von Marinaden, Saucen, Aromen oder Süßwaren die Entwicklung neuer Produkte mit natürlichen Rohstoffen ermöglichen. Das für die Herstellung der Mikrogelpartikel genutzte SHM-Verfahren lässt sich ohne größere Umbauten in bestehende Anlagen integrieren. Eine Vielzahl von Unternehmen aus der Getränkebranche dürfte damit direkt oder indirekt von den Forschungsergebnissen profitieren. Weitere Informationen: www.fei-bonn.de
Cola-Getränke mit Apfelextrakt färben
Doch nicht nur die Palette natürlicher Trub- und Emulgierhilfsstoffe wollen Wissenschaftler für Getränkeproduzenten erweitern. Auch bei Brauntönen, wie sie für Cola-Getränke typisch sind, wollen sie für mehr Spielraum sorgen. Als Rohstoffquelle dient ihnen dabei Apfeltrester. Dr. Arno Cordes, Geschäftsführer bei ASA Spezialenzyme, erklärt: „In Äpfeln sind sogenannte Polyphenole enthalten, die für die Braunfärbung verantwortlich sind. Diese Inhaltsstoffe möchten wir extrahieren und enzymatisch oxidieren, um so einen färbenden Lebensmittelzusatz zu erhalten. Als Ausgangsstoff sollen dabei Pressrückstände aus der Apfelsaftproduktion genutzt werden.“ Ziel ist es, ein großtechnisches Verfahren zu realisieren, das industrielle Reststoffe verwendet und „einen gesunden natürlichen Farbextrakt für alltägliche Lebensmittel liefert“, sagt Cordes. Im Projekt arbeitet der Geschäftsführer und sein Team eng mit dem Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV zusammen. Die Projektpartner werden für drei Jahre im Rahmen des „Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM)“ vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert. Projektidee und -konsortium entstanden innerhalb des Kooperationsnetzwerks „Waste2Value“, dessen Partner sich in regelmäßigen Abständen treffen, um Projekte zum Thema Wertschöpfung aus Reststoffen anzustoßen. Mehr Informationen unter www.netzwerk-waste2value.de.
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