Zum Hauptinhalt springen

Instabile Lebensmittelstrukturen im Fokus

Sensorkonzepte

aus: DLG-Lebensmittel 1/2020

Immer häufiger kommen technisch-physikalische Messsysteme zum Einsatz, um die Qualität von Produkten und deren Vorstufen zu kontrollieren oder um die Produktentwicklung zu begleiten. Je nach Lebensmittel und Fragenstellung bieten sich dazu unterschiedliche Konzepte an. Spannende innovative Ansätze gibt es zum Beispiel bei Analysen zur veränderlichen Struktur von Teigen und Massen.

Biskuittortenböden, Löffelbiskuits, Baisers und ähnliche beliebte Feine Backwaren haben gemeinsam, dass sie aus Massen hergestellt werden. Im Unterschied zu Teigen weisen Massen aufgrund der Rezeptur mit wenig oder ohne Mehl eine weiche, schaumige Konsistenz auf. Die Lockerung erfolgt vor allem durch Aufschlagen mit Luft, wobei die im Klebernetzwerk eingeschlossenen Gasbläschen durch das Backen fixiert werden. Die Verarbeitbarkeit solcher Massen und die Qualität der Endprodukte hängen dabei sowohl  von den verwendeten Rohstoffen als auch von den Prozessbedingungen wie etwa Zeit, Schlaggeschwindigkeit und Scherung ab. Um durch ein rechtzeitiges Eingreifen in den Herstellungsprozess Abweichungen von einer gewünschten Qualität zu vermeiden, bietet sich eine Kontrolle der Schaumstruktur an – möglichst in Echtzeit und nicht-invasiv.

Bisher kommen zur Untersuchung von Strukturen von Massen und ähnlichen Proben mikroskopische Methoden, beispielsweise die moderne Laser-Scanning-Mikroskopie (CLSM), oder Laser-Doppler-Vibrometer (LDV) zum Einsatz. Solche Methoden liefern ein sehr detailliertes Bild der jeweiligen Struktur und ihrer Entwicklung. Allerdings sind sie in der Regel vergleichsweise aufwändig, teuer und überwiegend mit einer zusätzlichen Probennahme verbunden. Insofern liegt deren Haupteinsatzgebiet eher im Forschungsbereich. 

Ultraschall zur Strukturanalyse

Mit einem innovativen und doch auch naheliegenden Ansatz haben Wissenschaftler am Lehrstuhl für Brau- und Getränketechnologie der Technische Universität München nun eine alternative und prozesstaugliche Methode entwickelt. Die Idee dahinter: Je mehr Luft in eine Lebensmittelmatrix wie etwa besagte Bisquitmassen eingebracht wird, umso geringer wird deren Dichte. Um diese zu messen beziehungsweise um die Dichteänderung während des Aufschlagens zu verfolgen, griffen Michael Metzenmacher, Dominik Geier und ihre Kollegen auf ein Sensorkonzept mit Ultraschall zurück. Um eine verbesserte Signalauflösung zu erzielen, sendeten die vom Institut selbst entwickelten Mikrocontroller als Transducer kurze Schallwellenimpulse von 2 MHz aus. Zum anderen sollte durch die Anwendung des Puls-Echo-Prinzips die Genauigkeit timiert werden.

Die Schallwellen treffen bei diesem Verfahren erst nach Passage einer „Verzögerungsstrecke“ aus transparentem Kunststoff (PMMA) auf die jeweilige Untersuchungsprobe, wobei ein Teil der Schallenergie durch die unterschiedlichen akustischen Impedanzen der Medien – in diesem Fall PMMA und Masse – an der Grenzfläche reflektiert und am Messsensor erfasst wird. Der andere Teil gelangt ins Medium und wird dann aufgrund von Luftblasen (Biskuitmasse/Luft) leicht verzögert zurückgeworfen. Da die schallspezifischen Parameter wie Dichte oder Dämpfung in der Vorlaufstrecke bekannt sind und diese in der Masse entsprechend des Aufschlags variieren, lässt sich zur Ergebnisfindung das veränderte Verhältnis heranziehen.

Eine weitere Optimierung der Wissenschaftler bestand nun darin, dass sie die Ultraschallsignale zusätzlich in der Zeit- und in der Frequenzdomäne nach einer Fourier-Transformation analysierten und den Einfluss von Störgeräuschen durch Pumpen und Motoren mit digitalen Filtern reduzierten. Auf diese Weise gelang wie erhofft eine gute Korrelation der Ultraschall-Signalechos mit gravimetrisch bestimmten Referenzmessungen (PLSR-Modell für die Dichte als Parity Plot) und das auch bei unterschiedlichen Rezepturen. 

Aktuell laufen am Institut weitere Forschungen, welche die grundsätzliche inline-Prozesstauglichkeit des nicht-destruktiven Messansatzes absichern sollen. Außerdem ist geplant, die Dichtemessung zu einer Messung der Schaumstruktur zu erweitern und zur Kontrolle des Aufschlagprozesses noch genauere Aussagen zur Porosität und zur Anzahl der Gasblasen in der Masse zu generieren.

Computertomographen jetzt auch in der Lebensmittel­industrie

Die Computertomographie (CT) ist bisher vor allem für medizinische oder materialtechnische Untersuchungen etabliert. Mit der automatisierten Mikro-CT findet die Methode nun auch bei speziellen Fragestellungen Einzug in die Lebensmittelindustrie. Das Messprinzip beruht darauf, dass Röntgenstrahlen ein zu untersuchendes Objekt aus unterschiedlichen Winkeln schichtweise durchleuchten und von diesem unterschiedlich stark abgeschwächt werden. Sensoren empfangen die umfangreichen Signalen und bereiten diese elek­tronisch auf. Mittels einer Computersoftware können dann detailgenaue Graustufenbilder des durchleuchteten Produktes erzeugt werden. Auf diese Weise lassen sich nicht nur die unterschiedlichsten Lebensmittelstrukturen darstellen, sondern Veränderungen der Mi­krostruktur sogar in-situ und zeitaufgelöst erfassen.

Mit möglichen Anwendungen der CT hat sich zum Beispiel ein Forschungsteam am Fraunhofer EZRT (Entwicklungszentrum Röntgentechnik) am Institut für Integrierte Schaltungen ausführlich beschäftigt. Neben der dynamischen Strukturanalyse von naturgemäß instabilen Milch- und ähnlichen Schäumen widmeten sich die Wissenschaftler auch Teigen für Backwaren. Wie sich letztere entwickeln, also wie sie bei der Gare aufgehen und wie sie sich während das Backens stabilisieren, hängt von vielen Faktoren ab. Die Einstellung der optimalen Arbeitsbedingungen spielt nicht zuletzt eine große Rolle bei der Entwicklung von Spezialbackwaren für besondere Ernährungsansprüche. 

Stefan Gerth und seine Kollegen nutzten für ihre Arbeiten ein transportables CT-System (CT portable 160.90), das eine multidimensionale Erfassung der Strukturentwicklung im Minutentakt ermöglichte. Aufgrund der Einbeziehung der Zeit als vierte Dimension bot sich die Bezeichnung als 4D-Charakterisierung an. Zugleich kam ein weiterer Vorteil von Röntgenstrahlen zum Tragen: Sie dringen auch in und durch feste Kunststoffwände. Auf diese Weise war es möglich, eine beheiz- und drehbare Probenkammer zwischen Strahlenquelle und Messsensor einzubauen, in der die Teigproben sowohl gärten (Minigärkammer) als auch gebacken werden konnten (Miniofen). Die Eignung des Systems für reale Problemstellungen konnte Gerths‘ Team kürzlich im Rahmen eines AiF-Forschungsprojektes zum Einfluss einer Hydratisierung der Teigrohstoffe für glutenfreie Backwaren zeigen. Größe, Verteilung und Durchmesser der Poren ließen sich dank der hohen Auflösung im unteren µM-Bereich verfolgen und visualisieren. (bp)