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Kakaoschalen statt Erdgas

aus: DLG-Lebensmittel 6/2022

Nachhaltigkeit ist Olam Food Ingredients (ofi) schon lange wichtig. Als am Standort Mannheim eine neue Anlage für die Prozessdampferzeugung gebraucht wurde, stand deshalb auch fest: Sie sollte möglichst klimaschonend sein. Die Lösung lag im 
Austausch von Erdgas durch Kakaoschalen.

 

In Mannheim verarbeitet ofi Kakaobohnen zu Premium-deZaan-Kakaozutaten, wie Kakaopulver, Kakaobutter und -masse. Dabei benötigt ofi Dampf vor allem für die Sterilisierung, Alkalisierung und Desodorisierung der Produkte. Vor rund vier Jahren zeigte sich, dass die bestehende gasbefeuerte Prozessdampfanlage ersetzt werden muss. Andreas Rudolph, Werksleiter ofi Mannheim, war es von Anfang an wichtig, eine klimafreundlichere Alternative zu suchen. Schnell stand dabei im Mittelpunkt der Überlegungen, die Kakaoschalen, die bisher in der Produktion als Überreste anfallen, anstelle von Erdgas zu nutzen. Eine ungewöhnliche Idee – und keine einfach umzusetzende. Denn eine der Hauptanforderungen von ofi war es, dass die Wirtschaftlichkeit der neuen Anlage gewährleistet sein musste. Das war zu dieser Zeit kaum zu erfüllen. Denn Erdgas war kostengünstig und die gasbefeuerte Dampferzeugung war der Standard. Die Kakaoschalen waren ebenfalls kostengünstig – sie standen praktisch umsonst zur Verfügung.

Doch dies machte die erheblichen Mehrkosten für die Biomasse-Kesselanlage nicht wett. Hinzu kam: Eine Dampferzeugungsanlage, in der Kakaoschalen verbrannt werden, gab es in Deutschland noch nicht. Selbst weltweit waren derartige Anlagen kaum zu finden. 

Werksleiter Andreas Rudolph gab seine Idee dennoch nicht auf und wandte sich an den langjährigen Energiepartner von ofi in Mannheim, MVV Energie. Dessen B2B-Lösungseinheit MVV Enamic hat sich ganz auf individuelle Energielösungen spezialisiert, mit denen Unternehmen ihre Energieeffi­zienz steigern, Energiekosten langfristig senken und die Dekarbonisierung realisieren können. 

Fördermittel

Während der ersten Gespräche zwischen ofi und MVV Enamic legte das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) die Bundesförderung für Energie- und Ressourceneffizienz in der Wirtschaft (EEW) neu auf. Sie wurde inzwischen novelliert und umfasst heute fünf Module.

Unverändert geblieben ist das Modul zwei, in dessen Rahmen neben Solarkollektoranlagen oder Wärmepumpen auch Biomasse-Anlagen gefördert werden, wenn die damit erzeugte Wärme mindestens zur Hälfte für betriebliche Prozesse genutzt wird. Nachdem das bei der geplanten Anlage von ofi der Fall war und die Evaluationen von MVV Enamic ergeben hatten, dass das EEW die optimale Fördermittel-Option für das Projekt darstellte, reichte der Kakaoproduzent den entsprechenden Antrag ein. Mit der Bewilligung der Fördermittel war die Wirtschaftlichkeit der klimafreundlichen Biomasse-Kesselanlage gegeben. 

Pionierarbeit 

Bei der Umsetzung warteten die nächsten Herausforderungen. Denn ofi und die MVV Enamic konnten nicht auf eine Standardanlage zurückgreifen. Neben Gas werden auch heute noch vor allem Hackschnitzel und Waldrestholz zur Dampferzeugung genutzt, in Kleinanlagen vor allem Pellets. Zu diesen Brennmitteln kennen die Anlagenbauer längst alle nötigen Faktoren und können sich bei der Planung einer Anlage auf jahrelange Erfahrungen stützen. Bei Kakoschalen sind weder die Zusammensetzung, das Brennverhalten und der Heizwert bekannt, noch gibt es Erfahrungswerte. 

Doch schließlich stießen ofi und MVV Enamic auf die Firma Vyncke. Der Verbrennungsspezialist hatte bereits Anlagen zur Verbrennung von Kakaoschalen in Südostasien und an der Elfenbeinküste realisiert. 

Überschwemmungsgebiet 

Das ofi-Gelände in Mannheim, auf dem die Dampfanlage errichtet werden sollte, befindet sich unmittelbar am Neckar­ufer, einem Überschwemmungsgebiet. Deshalb gilt hier die Auflage, dass Neubauten bis zu einer Höhe von mindestens 1,80 Metern lediglich ein minimales Verdrängungsvolumen haben dürfen. Die Planung des Gebäudes rund um die Biomasse-Kesselanlage hatte ein weiteres Tochterunternehmen der MVV Energie, die MVV Netze, übernommen. Um den Auflagen zu entsprechen, stellten die Planer die gesamte Anlage auf zwei Meter hohe Stützen. Im Falle eines Hochwassers kann sich das Wasser dadurch bis zu dieser Höhe ungehindert unter der Anlage ausbreiten.

Konzentration auf Kakao­produktion trotz Großprojekt

Unter der Projektleitung von MVV Enamic übernahm Vyncke die Planung der Biomasse-Kesselanlage. MVV Enamic kümmert sich zudem um die dazugehörende Peripherie mit allen Nebenaggregaten und dem Gaskessel. Das Anlagengebäude inklusive Elektrotechnik plante sie gemeinsam mit den Kollegen und Kolleginnen der MVV Netze. Da­rüber hinaus ist MVV Enamic auch für die Finanzierung und Betriebsführung der Prozessdampfanlage über 16 Jahre verantwortlich. Das umfasst das Brennstoffmanagement, Genehmigungen sowie regelmäßige Prüfungen und Wartungen, sodass sich der Kakaoproduzent ganz auf sein Kerngeschäft konzentrieren kann. 

Der Biomasse-Kessel

Inzwischen stehen alle Hauptkomponenten der Biomasse-Anlage. Im September wurde mit dem 25,5 Tonnen schweren und über 14 Meter hohen Biomasse-Kessel das Herzstück der Anlage geliefert. Er war vom Produktionsort in Serbien mit Schwertransportfahrzeugen insgesamt vier Tage unterwegs gewesen. Zwei Autokräne waren nötig, um die Kesselteile auf dem ofi-Gelände abzusetzen. 

Zwischen der Anlage und der Produktion von ofi gibt es nur zwei Übergabestellen: An einer liefert ofi die Kakaoschalen, an der anderen liefert MVV Enamic den Dampf. Dazwischen gehen die Kakaoschalen zuerst in einen Vorlagebehälter, wo sie vor der Verbrennung gesammelt werden. Sogenannte Schnecken befördern sie auf einen Rost im Feuerraum. Das dort entstehende 800 °C heiße Rauchgas wird durch eine Kombination aus 
Wasserrohr- und Rauchrohrkessel geführt. Der Dampf wird von hier zu ofi geleitet. Das Rauchgas geht zuerst durch einen Economizer, der es ofi ermöglicht, die Abwärme zur Vorwärmung des Speisewassers zu nutzen. Anschließend passiert es eine hochmoderne Abgasaufbereitung und 
-reinigung, bevor es an die Außenluft abgegeben wird. 

Weniger CO2-Emissionen

Die Inbetriebnahme der Biomasse-Kesselanlage wird wie geplant im Frühjahr 2023 sein. Dann liefert sie ca. 90 Prozent des von ofi benötigten Prozessdampfes. Die fehlenden zehn Prozent resultieren vor allem aus den Stillstandzeiten des Biomassekessels, die für die Revision, Reinigung und Reparaturen nötig sind. Diese Zeiten deckt ein Gaskessel ab, der als Redundanzkessel dient. Er kann bei Bedarf auch Spitzenlasten übernehmen. Zudem reagiert der Biomassekessel etwas träger als ein Gaskessel. Sollte dadurch einmal eine Versorgungslücke entstehen, kann diese ebenfalls durch den Gaskessel überbrückt werden. 

Die CO2-Emissionen reduzieren sich durch die Biomasse-Anlage um ca. 8.000 Tonnen pro Jahr. Zu mehr Nachhaltigkeit trägt außerdem bei, dass der Abtransport und die Entsorgung der Kakaoschalen entfallen. Das reduziert nicht nur den Aufwand, sondern auch den innerstädtischen Lkw-Verkehr.