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Maschinengängigkeit im Visier

aus: DLG-Lebensmittel 4/2023

In der Produktion von Backwaren ist die Überwachung der Teigklebrigkeit ein wichtiger Qualitätsparameter.  Im Rahmen einer Forschungsarbeit an der TU München wurden verschiedene Analysenmöglichkeiten zur Teig­klebrigkeit verglichen, um effektive Lösungsansätze auf Teig- und 
Anlagenseite zu finden.

Um unterschiedliche Teighaftungsverhalten zu simulieren, wurden die mechanischen und adhäsiven Eigenschaften der Teige durch den Einsatz von teigmodifizierenden Enzymen (Xylanasen, Glukose-Oxidase, Transgluta­minase und zellolytischen Enyzmen) und unterschiedliche Teigruhezeiten variiert. 

Modell der Abkipp-Pilotanlage

Um das Ablöseverhalten von Weizenteig im Produktionsprozess nachzustellen, wurden die adhäsiven Materialeigenschaften mithilfe einer Abkipp-Pilotanlage bestimmt. Nach einer definierten Ruhezeit bzw. Gare auf einer klassischen Diele erfolgte ein Abkippen der Teige durch eine 180°-Rotation, wobei die Ablösezeit mittels Laser erfasst wurde. Diese Zeit soll ein Indikator für die Teigklebrigkeit darstellen (vgl. Abbildung 1).

Instrumentelle und human­sensorische Analyse


Die Teigklebrigkeit im Labor wurde mit der am Texture Analyzer etablierten Chen-Hoseney-Methode anhand der Aufzeichnung der Kraft-Weg-Zeit-Kurve der Ablösung erfasst. Darüber hinaus wurde eine neue humansensorische, haptische Analyse der adhäsiven Teigeigenschaften entwickelt und angewendet. Das sensorische Evaluierungsverfahren wurde dabei seitens der beschreibenden Attribute an die instrumentelle Analyse mittels Texture Analyzer (Kraft-Zeit-Weg-Attribute) angelehnt. Daraus ergab sich ein Testablauf, bei welchem eine frische Teigoberfläche mit Zeige- und Mittelfinger einen Zentimeter tief eingedrückt wurde. Die für die Ablösung benötigte Kraft, die erforderliche Zeit und geschätzte Ablösedistanz sowie der Gesamteindruck der Klebrigkeit wurden auf einer Skala von 1 bis 6 (niedrig bis hoch) bewertet. Zu jedem sensorischen Test wurde eine Referenzteigprobe zur tagesaktuellen Kalibrierung des Panels gereicht. Zudem erfolgte eine hohe Standardisierung der Testbedingungen (durch z.B. Temperierung der verwendeten Finger mit temperiertem Wasser; Erfassung der Fingertemperatur) sowie eine ausführliche vorangegangene Schulung des Panels. 

Im Labormaßstab wurden für die Weizenteigsysteme durch die Zugabe der Enzyme drei unterschiedliche Klebrigkeitsstufen (hoch, mittel und niedrig) erfasst, sodass die Wahrnehmung des unterschiedlichen Adhäsionsverhaltens der verschiedenen Teigsysteme innerhalb der verschiedenen Methoden gut verglichen werden konnte. Dabei bestätigten sich zum einen bereits bekannte Effekte wie die Klebrigkeitserhöhung durch die Zugabe von bakterieller Xylanase. Auf der anderen Seite konnte kein Einfluss durch die Zugabe von Transglutaminase gezeigt werden. Diese hängen jedoch von der Enzymaktivität und Dosierung ab, und auch wenn nicht alle erwarteten Effekte eintraten, wurden unterschiedliche Adhäsionsverhalten induziert, die mit den weiteren Methoden untersucht werden konnten. 

Bei der humansensorischen Erfassung der Teigklebrigkeit mithilfe des menschlichen Tastsinns (vgl. Abbildung 2) wurden Unterschiede erfasst, welche jedoch nach einer umfangreichen statistischen Prüfung selten eine Signifikanz (α = 0.05) zeigten, wodurch korrekterweise nicht von Unterschieden gesprochen werden darf. Dennoch fällt auf, dass das Teigsystem mit Zugabe von bakterieller Xylanase nach 80 Minuten Ruhezeit die höchsten Werte in allen vier Bewertungskriterien aufwies. Die humansensorische Auswertung zeigte Detektionsgrenzen der Unterschiede im Haftungsverhalten. Die geringen Unterschiede zwischen den Proben, die bei der instrumentellen Chen-Hoseney-Methode bestätigt werden konnten, konnten mit den menschlichen Sinnen nicht erfasst werden. 

Korrelationsanalyse und Fazit

Die übliche Teigklebrigkeitsbewertung von Bäcker:innen besteht darin, die Anhaftung von Teig an der Hand zu prüfen und zu bewerten. Dies ist eine sehr vereinfachte Version der Beurteilung, zumal das Adhäsionsverhalten auch von den Eigenschaften des Kontaktmaterials (Beschaffenheit, Temperatur  u. a.) und nicht nur von den Teigeigenschaften abhängt. Dennoch konnten Tendenzen wie z. B. die Zunahme der Attribute über die Zeit aufgezeigt werden. 

Die Abkippversuche der frischen Teigproben wiesen geringe Ablösezeiten zwischen 0,4 und 0,6 Sekunden auf. Im Vergleich zu den Ergebnissen der Chen-Hoseney-Methode, bei welcher die Zugabe von fungaler Xylanase in der frischen Teigprobe die niedrigsten Klebeeigenschaften aufwies, zeigte sie in diesem Set-up den höchsten Wert. Eine Überlegung für das unterschiedliche Verhalten könnten Änderungen der Oberflächenenergie und der Haftung, induziert durch das Benetzungsverhalten, sein. Die geringste Ablösezeit wurde bei den Frischteigsystemen mit Glukose-Oxidase und zellolytischen Enzymen beobachtet, was auch mit den Ergebnissen der Chen-Hoseney-Methode übereinstimmte. 

Für eine abschließende Bewertung der Vorhersagekraft der Verarbeitbarkeit der Teige durch die Labor- bzw. humansensorische Erfassung wurde eine Korrelationsanalyse (Pearson-Korrelation) durchgeführt. Für die frischen Teigproben im Vergleich zwischen Labormaßstab und der prozessnahen Abkippapparatur konnte kein linearer Zusammenhang festgestellt werden. Nach 80 Minuten Ruhezeit korrelierte die Ablösezeit der Abkippvorrichtung positiv mit der Distanz der Ablösung (r = 0,78), was darauf hindeutet, dass die Dehn- und Fließeigenschaften der Teige die dominierenden Einflussgrößen auf das Adhäsionsverhalten im Pilotmaßstab sind. 

Allerdings konnte kein Zusammenhang zur erfassten Ablösekraft festgestellt werden, wobei diese bisher häufig als Klebrigkeit interpretiert wurde. Im Vergleich zwischen Pilotmaßstab und der humansensorischen Analytik konnte eine starke Beziehung zwischen der Ablösezeit und den sensorischen Attributen (Kraft r = 0,81, Zeit r = 0,87, Abstand r = 0,92, Klebrigkeit r = 0,80) nach 80 Minuten Ruhezeit gezeigt werden. Wenngleich, wie bereits aufgeführt, die humansensorische Bewertung gegenüber der instrumentellen Chen-Hoseney-Methode Detektionsgrenzen bei feinen Unterschieden im Teighaftverhalten aufzeigte, ist diese besser geeignet, um die Verarbeitbarkeit vorherzusagen. Somit konnte zusammenfassend gezeigt werden, dass durch die Entwicklung einer hoch standardisierten humansensorischen Erfassung der Teigklebrigkeit die Maschinengängigkeit bewertet werden kann. 

Kontakt:
Ulrike Vogt
Lehrstuhl für Brau- und Getränke­technologie, Technische Universität München, Freising
ulrike.vogt@tum.de