Recyclingfähigkeit von Kunststoffverpackungen
Interview
aus: DLG-Lebensmittel 06/2018, Seite 30ff.
Anfang 2019 tritt das neue Verpackungsgesetz in Kraft und löst die derzeit geltende Verpackungsverordnung ab. Mit dem neuen Gesetz soll unter anderem die Recyclingquote für Kunststoffverpackungen deutlich erhöht werden. Welche Herausforderungen dies für die beteiligten Akteure in der Lebensmittelbranche bedeutet, erläutert Dr.-Ing. Joachim Christiani vom Institut cyclos-HTP.
Herr Dr. Christiani, Kunststoffverpackungen für Lebensmittel sind sehr weit verbreitet. Wie ist es aktuell um deren Recyclingfähigkeit bestellt?
In den letzten Jahren waren erhebliche Veränderungen bei der Ausführung von Lebensmittelverpackungen aus Kunststoff zu verzeichnen. Schwerpunktmäßig sind die Zunahme von PET-Thermoforms, von flexiblen Multilayer-Verpackungen und von Kombinationsverpackungen, aber auch die Substition von PE und PP durch opakes PET im Flaschenbereich zu nennen. Faktisch bedeutete dies ein kontinuierliches Absinken der Recyclingfähigkeit von Kunststoffverpackungen. Nach einer von HTP im letzten Jahr durchgeführten Erhebung weisen noch ca. 60 % der Kunststoffverpackungen - ohne bepfandete Getränkeverpackungen – hochgradige Recyclingfähigkeit auf. Food- und Nonfood-Anwendungen sind hierbei nicht differenziert. Bei Lebensmittelverpackungen ist der Anteil aber signifikant unterdurchschnittlich einzuschätzen.
Welche Vorgaben macht das neue Verpackungsgesetz und was müssen Hersteller künftig hinsichtlich der Recyclingfähigkeit ihrer Kunststoffverpackungen beachten?
Verpackungen sind so herzustellen und zu vertreiben, dass Verpackungsvolumen und -masse auf ein Mindestmaß begrenzt werden und die Wiederverwendung oder Verarbeitung möglich ist. Anforderungen, die übrigens schon in der VerpackV zu finden sind und in denen sich die Hierarchie gemäß dem Kreislaufwirtschaftsgesetz widerspiegelt. Die neuen Anforderungen des Verpackungsgesetzes richten sich an die Dualen Systeme. Zuvorderst sind die im Vergleich zur Verpackungsverordnung erheblich höheren Quoten zu nennen. Bezüglich der werkstofflichen Kunststoffverwertung ein Plus von 75 % und dies bei – wie bereits erläutert – gesunkener Eignung der Kunststoffverpackungen zum Recycling. Gänzlich neu sind die Regelungen des §21 Verpackungsgesetz zur ökologischen Gestaltung der Beteiligungsentgelte, mit der Anreize für eine Trendumkehr hin zum recyclinggerechten Verpackungsdesign gesetzt werden sollen.
Wie bewerten Sie das neue Verpackungsgesetz mit Blick auf seinen ökologischen und gesellschaftlichen Nutzen aber auch hinsichtlich der Anforderungen an die Wirtschaft?
Das neue Verpackungsgesetz ist sicher ein längst überfälliger Schritt in die richtige Richtung. Ökologische Vorteilhaftigkeit einer vermehrten Schließung von Stoffkreisläufen auch für Kunststoffe ist unzweifelhaft gegeben und korrespondiert mit den Direktiven der EU. In Anbetracht der aktuellen öffentlichen Diskussion um Kunststoffe in der Umwelt verzeichnen wir aber jenseits aller gesetzlichen Vorgaben eine deutliche Intensivierung der Bemühungen von Handel und Industrie, im Sinne gelebter Produktverantwortung Lösungen für die Nachgebrauchsphase zu entwickeln. Im Fokus stehen hierbei nicht mehr nur die Formulierung von Zielvorgaben, sondern die Etablierung notwendiger Prozesse und die konkrete Optimierung von Verpackungen in Bezug auf ihre Recyclingfähigkeit.
Welche zentralen technologischen Herausforderungen gilt es Ihrer Ansicht nach zu bewältigen, um die neuen Vorgaben zu erfüllen? Welche Strategien sind erfolgversprechend?
Hier ist zwischen den einzelnen Akteuren zu differenzieren. Für die Dualen Systeme ist die größte Herausforderung in der kurzfristigen Quotenerfüllung zu sehen; in Anbetracht der aktuellen Beschaffenheit von Kunststoffverpackungen, diesbezüglich „robuster“ Recyclingoptionen und der bestehenden Wettbewerbssituation untereinander vorsichtig formuliert ein sehr komplexes Problemfeld.
Die eigentlich Produktverantwortlichen können diese Situation mittelfristig entschärfen, indem soweit wie möglich auf recyclinggerechte Verpackungen umgestellt wird. Hier dürfte, abgesehen von einigen „niedrig hängenden Früchten“, die größte Herausforderung nicht nur bei Lebensmittelverpackungen darin bestehen, dies im angemessenen Kostenrahmen ohne Funktionseinbußen zu realisieren.
Welche konkreten Optionen und Optimierungspotenziale im Bereich der Kunststoffverpackungen für Lebensmittel sehen Sie?
Die Optionen einer D4R-Optimierung sind vielfach nur individuell auszuloten. Relevante Stellschrauben, für die es bereits Lösungen in der Praxis gibt, sind etwa die Substitution rußbasierter Farbstoffe im Bereich von Flaschen, Behältern, Bechern und Deckeln aus PE oder PP. Grundsätzlich ist auch eine optimierte Etikettierung bezüglich Größe, Art und Befestigung voranzutreiben. Weiter zu nennen sind die Ausführung von Standbodenbeuteln auf Polyolefinbasis und der Entfall von PET-Layern. Bei Barrieren sollten recyclingunverträgliche Ausführungen vermieden werden. Zum Beispiel die PA-Additivierung bei klaren PET-Flaschen. Eine mögliche Alternative ist die SiOx-Plasmabeschichtung.
Herr Dr. Christiani, angenommen die genannten Möglichkeiten zur Optimierung würden voll ausgeschöpft. Wie viele Tonnen Kunststoffverpackungen könnten jährlich zusätzlich recycelt werden, bzw. um welchen Prozentsatz könnte die Recyclingquote gesteigert werden?
Nach einer von uns im letzten Jahr durchgeführten repräsentativen Untersuchung liegt das Optimierungspotential für oben genannte exemplarische Punkte bei ca. 100.000 t/a. Dies entspräche einer Steigerung der Wertstoffquote nach §16 Verpackungsgesetz um ca. 10 %-Punkte. In etwa gleicher Größenordnung (ca. 110.000 t/a) finden sich zurzeit PET-Thermoforms überwiegend aus Lebensmittelverpackungen im Gelben Sack bzw. in der Gelben Tonne, für die bislang keine Recyclingoption besteht. Die Entwicklung einer spezifischen Recyclingtechnologie oder Resubstitution durch PP bilden hierfür mögliche Alternativen.
Zur Person
Dr.-Ing. Joachim Christiani studierte Aufbereitungsingenieurwesen an der RWTH Aachen, wo er nach Diplom und Assistenzzeit zum Thema „Kreislaufwirtschaft nach dem Muster der VerpackV“ promovierte. Er ist Gründungsgesellschafter und Geschäftsführer der Ingenieurgesellschaft HTP und des Instituts cyclos-HTP. Tätigkeitsschwerpunkte als Fachplaner für Anlagentechnik seit 1992 sind Verfahrensentwicklung und Engineering von Sortier- und Recyclinganlagen. Als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Verpackungsentsorgung widmete er sich in den vergangenen Jahren u. a. der Entwicklung von Prüfstandards zur Bemessung der Recyclingfähigkeit und deren praktischen Anwendung.
Über das Institut cyclos-HTP
Das Institut cyclos-HTP mit Hauptsitz in Aachen wurde im Mai 2014 gegründet als Unternehmen zur Klassifizierung, Begutachtung und Testierung der Recyclingfähigkeit von Verpackungen und Waren sowie zur Forschung und Entwicklung auf diesem Gebiet. Kunden sind Markenhersteller, Discounter, Verpackungshersteller, Packstoffhersteller und DSD.
Geschäftsführer des Instituts sind Agnes Bünemann und Dr.-Ing. Joachim
Christiani. Weitere Informationen unter: www.cyclos-htp.de
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