Schluss mit „Ex und Hopp“
Kompostierbare Folien als Alternative für mehr Nachhaltigkeit
aus: DLG-Lebensmittel 1/2019, S. 22ff.
Die künftige Strategie der EU-Kommission rückt das recyclingfreundliche Design von Verpackungen in den Mittelpunkt. Die aus Nordhorn stammende Bio4Pack GmbH hat sich im Rahmen des deutsch-niederländischen Grenzprojektes Food 2020 mit dieser Herausforderung beschäftigt und Verpackungsfolien entwickelt, die auf nachwachsenden Rohstoffen basieren. Sie sind kompostierbar und stehen konventionellen Verbundfolien in Stabilität und Sicherheit in nichts nach.
Von den jährlich 25 Millionen Tonnen Kunststoff, die Europa produziert, werden rund 95 Prozent nur einmal Mal verwendet und dann weggeworfen. Die EU-Kommission will das nun ändern und massiv die Wiederverwertung fördern. Die Devise lautet: Viel weniger Kunststoff verwenden und viel mehr recyceln (siehe Infobox). Einen ebenso wichtigen Ansatz für mehr Nachhaltigkeit sieht Yasar Türkoglu in kompostierbaren Folien. Der Sales Manager der Bio4Pack GmbH kennt sich mit der Materie aus. Die Produkte seines Unternehmens werden mit größtmöglichem Anteil an nachwachsenden Rohstoffen hergestellt und leisten einen wichtigen Beitrag zur Linderung der zunehmenden Verknappung fossiler Brennstoffe.
Großes Interesse an Biofolien in der Branche
„Biofolie“ hat sich als Oberbegriff für Verpackungsfolien herauskristallisiert, die umweltfreundliche Eigenschaften besitzen. Aber: „Eine kompostierbare Folie muss nicht zwingend aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt und eine Biofolie nicht zwangsläufig kompostierbar sein“, betont Türkoglu. Erst wenn sie die strengen Standards der EN 13432 erfüllt, darf eine Folie als kompostierbar bezeichnet werden. „Bei Bio4Pack sind wir uns darüber im Klaren, dass viele Lebensmittelhersteller gerne zu kompostierbaren und nachhaltigen Verpackungen wechseln möchten. Uns ist dabei jedoch auch bewusst, dass Unternehmen wegen mangelnder Vertrautheit mit den verwendeten Materialien zögern, diesen Schritt zu machen.“ Ein Sachverhalt, den Sabine Höfel von der Food-Processing Initiative aus Bielefeld bestätigt: „Kunststoffverpackungen aus fossilen Rohstoffen sind weit entwickelt und am Markt günstig zu beziehen. Biologisch abbaubare Folien können da preislich oft noch nicht mithalten.“ Im Rahmen des deutsch-niederländischen Grenzprojektes Food 2020 hat sich Yasar Türkoglu mit dieser Problematik auseinandergesetzt und eine Lösung gefunden.
Hohe Anforderungen an die Lebensmittelsicherheit
Das Verpackungsunternehmen aus Nordhorn arbeitete dabei eng mit den Partnern Bio4Life, EuroFlex Printing Holland sowie der agaSAAT GmbH und der Meitron Trockenmischungen GmbH zusammen. Ziel des Innovationsprojektes, das von der Food-Processing Initiative koordiniert wurde, war es, eine kompostierbare Verbundfolie zu entwickeln, die den Anforderungen der Produktsicherheit gerecht wird und welche die typischen Eigenschaften einer Lebensmittelverpackung aufweist. So sollten Wasserdampf und Sauerstoff weder aus der Folie entweichen noch das verpackte Lebensmittel selbst erreichen. Entstanden ist eine Verbundfolie, die aus drei Schichten besteht. Der überwiegende Anteil ist aus einem Zuckerrübengranulat gewonnen, die Siegelseite besteht aus Bio-Polyethylen. „Die Folie ist sofort einsatzbereit und verarbeitende Unternehmen können sie eins zu eins austauschen“, so Yasar Türkoglu. Als Beispiele wurden im Projekt Dampfmohn und Sonnenblumenkerne abgepackt. Die Folien lassen sich für viele Lebensmittel verwenden, wie Nüsse, Pasta, Getreide, aber auch für Fleisch und Käse.
Zukunftsoffensive für die deutsch-niederländische Lebensmittelwirtschaft
Mit Food2020 soll die Lebensmittelwirtschaft in der deutsch-niederländischen Region fit für 2020 gemacht werden. Die Aktivitäten zielen konkret auf die grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Unternehmen mit Experten und wirtschaftsnahen Forschungseinrichtungen zur Stimulierung von Technologietransfer und Innovationsentwicklung in den Unternehmen. Das Ziel ist der stufenweise Aufbau einer Modellregion für eine zukunftsfähige Ernährungswirtschaft im Projektgebiet.
„Verpackungen aus Biokunststoff haben ein hohes Potenzial. Zudem tragen sie durch einen geschlossenen Rohstoffkreislauf zur Ressourceneffizienz bei“, meint Sabine Höfel am Ende des zweijährigen Projekts. Die Förderung habe es den beteiligten Unternehmen ermöglicht, Zeit und Geld in die Entwicklung eines neuen marktfähigen Produktes zu investieren.
Die erfolgreichen Aktivitäten aus Food 2020 sollen nun fortgeführt werden. Im Sommer 2018 wurde die zweite Phase des Projektes mit einem Budget von 4,4 Millionen Euro bewilligt. In der zweiten Phase wird es einen Themenkomplex aus sozialen und gesellschaftlichen Herausforderungen geben. Die Bearbeitung erfolgt in 19 Innovationsprojekten und sieben Think Tanks, in denen in kleinen Gruppen von Spezialisten Lösungsansätze für aktuelle und zukünftige Herausforderungen erarbeitet werden. Das auf zweieinhalb Jahre ausgelegte Programm wird vom Deutschen Institut für Lebensmitteltechnik in Quakenbrück koordiniert und gemeinsam mit sechs Partnern aus der deutsch-niederländischen Grenzregion, zu denen auch die Food Processing-Initiative gehört, durchgeführt.
Was die EU für umweltfreundliches Design tut
In Europa bleibt das Potenzial für das Recycling von Kunststoffabfällen weitgehend ungenutzt. Die Wiederverwendungs- und Recyclingraten sind im Vergleich zu anderen Materialien wie Papier, Glas oder Metall sehr gering. Schätzungen zufolge entstehen durch die Herstellung von Kunststoffen und deren Verbrennung weltweit jährlich rund 400 Millionen Tonnen Kohlendioxid. Durch die verstärkte Verwendung von recycelten Kunststoffen können die Abhängigkeit von der Gewinnung fossiler Brennstoffe zur Kunststoffherstellung sowie die Emissionen verringert werden. Bis 2030 will die EU-Kommission daher, dass alle Kunststoffverpackungen recyclingfähig sein sollen, Einwegkunststoffe sollen reduziert und die absichtliche Verwendung von Mikroplastik beschränkt werden. Dazu werden auch die Verpackungsvorschriften innerhalb der EU angepasst. Das „recyclingfreundliche Design“ soll im Mittelpunkt stehen und überflüssige Verpackungen sollen vermieden werden. Nach Angaben der Kommission kostet die Verschwendung von 95 Prozent des Kunststoffs durch Einmalnutzung pro Jahr zwischen 70 und 150 Milliarden Euro. Ihr Ziel ist es deshalb, eine neue Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe zu entwickeln, die auch für die Wirtschaft interessant ist.
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