Sensory Claims und Geschmacksprofil: Verbrauchermehrwert durch Positivbeschreibungen
Ein „guter Geschmack“ ist das wichtigste Kriterium beim Kauf von Lebensmitteln. Bei einem Produktangebot von über 40.000 Artikeln pro Lebensmittelmarkt und 2,5 Sekunden, die durchschnittlich für eine Kaufentscheidung zur Verfügung stehen, ist eine aussagekräftige und schnelle Informationsvermittlung unerlässlich. Laut einer DLG-Studie zur Verbraucherkompetenz und Lebensmittelkennzeichnung (2015) fühlen sich die Verbraucher über sensorische Eigenschaften des Produktes am schlechtesten informiert. Eine Studie von Swahn et al. (2012) zeigt, dass die Auslobung sensorischer Eigenschaften auf der Verpackung oder bei loser Ware am Verkaufspunkt zu einer gesteigerten Kundenzufriedenheit und zu einer höheren Wiederkaufsrate führt – soweit die ausgelobten Attribute anschließend beim Verzehr nachempfunden werden können. Sensory Claims können diese Informationslücke schließen und neue Absatzpotenziale ermöglichen.
Sensory Claims
Unter Sensory Claims werden gemäß der freiwilligen Norm der ASTM International 2012 die sensorischen Beschreibungen von Produkten zusammengefasst, welche das Aussehen, den Geschmack, das Aroma oder die Textur betreffen. Im Gegensatz zu Health Claims bedarf es hierbei keiner behördlichen Zulassung. Allerdings müssen die rechtlichen Vorgaben zur Vermeidung der Irreführung bzw. Täuschung (vgl. Art. 16 Basis-Verordnung (EG) 178 / 2002 und Art. 7 Lebensmittelinformations-Verordnung (LMIV) 1169 / 2011) berücksichtigt werden. Hinzu kommen Regelungen zum „unlauteren Wettbewerb“, in deren Kontext keine Angaben gemacht werden dürfen, die über herabsetzende, irreführende oder verletzende Aussagen eine Benachteiligung der Produkte der Konkurrenz bewirken können. Der Einsatz von Sensory Claims zu Marketingzwecken ist bisher allerdings kaum verbreitet. Ansatzweise werden Claims bei Wein, Sekt, Spirituosen, alkoholfreien Getränken, bei Käse oder Premium-Schokolade verwendet. Dabei gelten wissenschaftlich fundierte Sensory Claims als juristisch abgesichert hinsichtlich Anfechtungen durch Dritte.
Methoden zur Entwicklung und Untermauerung von Sensory Claims
Sensory Claims werden in Form comparativer (vergleichender) Claims für den sensorischen Vergleich zwischen Konkurrenzprodukten oder für die Darstellung von erneuerten Rezepturen bei vorhandenen Produkten genutzt. Einen breiteren Einsatz finden non-comparative (nicht-vergleichende) Claims, die auf die herausragenden, wertgebenden sensorischen Eigenschaften des Produktes fokussieren.
Zur Entwicklung positiver sensorischer Eigenschaftsbeschreibungen von Produkten werden häufig traditionelle, objektive deskriptive Methoden eingesetzt. Mittels der „Einfach beschreibenden Prüfung“, unterstützt durch die Verkostung verschiedener Produktmuster einer Kategorie und die Vorgabe von Deskriptoren-Listen (z. B. DLG-Fachvokabular Sensorik), lässt sich ein Vokabular generieren. Klassische Profilprüfungen ermöglichen neben der verbalen auch eine Beschreibung der Intensitäten ausgewählter sensorischer Produkteigenschaften. Profilvergleiche mehrerer artgleicher Produkte helfen, Aromaausprägungen gegenüberzustellen und erste Aussagen über wertgebende sensorische Eigenschaften zu treffen. Während diese aussagekräftigen Methoden zeit- und kostenintensiv sind, gibt es weitere Methoden, die auch durch Semi-Profis oder Verbrauchergruppen durchgeführt werden können. Dazu gehören Face-to-Face Fokusgruppendiskussionen und Assoziationstests.
Die Eruierung der wesentlichen wertgebenden Produkteigenschaften wird ebenfalls mit Hilfe der genannten Methoden ermöglicht. Ergänzend dazu bieten neuere Schnellmethoden wertvolle Ergebnisse. Insbesondere die häufigkeitsbasierte Methode CATA (Check all that apply) stellt eine interessante Alternative dar: Anhand einer Begriffsliste können Experten und Verbraucher die aus ihrer Sicht auf ein Produkt zutreffenden Beschreibungen ankreuzen. Aus der Häufigkeit der angegebenen einzelnen Attribute lassen sich die wesentlichsten Produkteigenschaften ableiten. (Abb. 1).
Auch Schnellmethoden zu Ähnlichkeitsmessungen, wie Sorting und Napping®, die mit Legetechniken und Clusterung arbeiten, finden Verwendung, um im Inter-Produktvergleich wesentliche wertgebende Eigenschaften zu ermitteln (Abb. 2).
Absicherung sensorischer Aussagen
Die Absicherung sensorischer Aussagen auf dem Produktetikett ist methodisch davon abhängig, welche Art von Claim gewählt wurde. Bei vergleichenden Sensory Claims eignen sich Unterschiedsprüfungen, wie „Paarweise Vergleichstests“ oder „Dreieckstests“ durch geschulte Prüfer. Denn wenn es um objektive Aussagen wie „unser Joghurt schmeckt fruchtiger als …“ geht, können geschulte Panelisten bereits geringe Produktdifferenzen erkennen. Auch durch analytische Aroma- oder Texturanalysen können humansensorische Ergebnisse bestätigt werden.
Da alle Sensory Claims auf Konsumenten ausgerichtet sind, müssen diese die positive Beschreibung verstehen und beim Konsum nachvollziehbar wahrnehmen können. Daher ist es bei der Entwicklung sinnvoll, sowohl Konsumenten- als auch Expertenpanels zu wählen. Weder Expertenpanels noch chemische Analysen können einen Konsumententest ersetzen, da mit diesen zwar der Grad sensorischer Unterschiede festgestellt, aber nicht die Wahrnehmung und Akzeptanz durch den Konsumenten gemessen werden kann. (Abb. 3).
Für die Projektverantwortlichen stellt im Kontext von Sensory Claims besonders die Identifikation der passenden Eigenschaften, die Konsumenten als verständlich, hilfreich und vertrauenswürdig empfinden, eine große Herausforderung dar. Beispiele bei Wein, Käse und Äpfeln zeigen, dass Sensory Claims oder Flavour-Profile die Verbraucherentscheidung unterstützen können. Noch aussagekräftiger wirken Farbkonzepte in Kombination mit sensorischen Profilen. So ist die Kategorisierung von Äpfeln mit Farbcodes gemäß deren Geschmacksprofilen in Supermärkten ein Beispiel für eine sensorische Werbung am Point-of-Sale.
Die DLG bietet positive Eigenschaften beschreibende „Geschmacks-Profile“ für Biere und Weine an (vgl. Abb. 4). Zur Formulierung wird jedes Produkt dafür von Experten nach definierten, in der Formulierung über Verbrauchertests abgesicherten sensorischen Eigenschaften und deren Intensitäten beschrieben. Daraus lassen sich auch Detailinformationen über individuelle Produkteigenschaften ableiten. Die DLG Geschmacks-Profile bilden damit ein gute Basis für die Entwicklung von produktspezifischen Sensory Claims.
Aktuell beschäftigen sich mehrere DLG-Arbeiten in Kooperationen mit Hochschulen mit der Methodik zur Entwicklung von Positivbeschreibungen. Durch die Formulierung von Sensory Claims können Unternehmen über die Hervorhebung von geschmacklich wahrnehmbaren positiven Produkteigenschaften einen Mehrwert schaffen und sich von der Konkurrenz absetzen. Die Herausforderungen sind anspruchsvoll, aber lohnenswert für jeden, der sich mit der Lebensmittelsensorik beschäftigt. Auch für die DLG bleibt es spannend, dieses Thema mitzugestalten.
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