Onlinehandel mit Lebensmitteln und Getränken – Erfolgsfaktoren für mehr Qualität & Sicherheit
DLG-Expertenwissen 01/2020
Autor:
Inga Funke, Leitung Prozess-Zertifizierung, DLG TestService GmbH, Competence Center Food & Beverage, Gau-Bickelheim, I.Funke@dlgts.com, www.DLGTestService.com
Bianca Schneider-Häder, Projektleiterin, DLG e.V., Fachzentrum Lebensmittel, Frankfurt am Main, B.Schneider@DLG.org
Der Lebensmittelhandel im eCommerce hat ebenso in unserem Alltag Einzug genommen, wie der Onlinekauf von anderen Konsumgütern. Es gibt kaum noch Produkte, die nicht per Mausklick bestellt und direkt an die Haustür geliefert werden können. Aber nicht nur der Onlineverkauf im B2C-Bereich, sondern auch der im B2B-Bereich, z. B. von Rohstoffen, Zutaten und Futtermitteln ist ein schnell und stetig wachsender Markt.
Mit dem nachfolgenden Expertenwissen sollen die kritischen Erfolgsfaktoren rund um den Onlineverkauf von Lebensmitteln, Getränken und ihrer Zutaten dargelegt werden. Fach- und Führungskräften aus der Lebensmittelwirtschaft allgemein sowie aus mittelständischen Betrieben im Besonderen sollen mit diesem „Leitfaden“ praktische Anregungen für den eigenen Aufbau digitaler Vertriebskanäle oder Impulse für die Verbesserung bestehender Onlineshops gegeben werden.
1. Hintergrund
Waren die Verbraucher in den letzten Jahren noch eher skeptisch gegenüber dem Onlineshopping von Lebensmitteln und wollten gerade bei frischen Produkten die Qualität der Ware vor dem Kauf noch mit den eigenen Sinnen optisch und haptisch prüfen, so scheint sich aktuell ein Wandel zu vollziehen. Zudem haben sich sowohl große Anbieter, wie Amazon Fresh, REWE Lieferdienst, myTime oder HelloFresh und Mymuesli als auch eine Vielzahl von Start-ups bzw. ehemaligen Start-ups wie Picnic oder Getnow digital engagiert und so die Konsumenten motiviert, die eigenen Einkaufsgewohnheiten zu verändern. Insbesondere letztere bauen ihr Onlineangebot permanent aus, nutzen Crowdfunding zur Finanzierung ihrer Expansion und erreichen über diesen Weg ggf. auch einen Platz in den Einkaufsregalen des stationären Lebensmitteleinzelhandels. (Bsp. für Disruption)
Gemäß einer repräsentativen Umfrage von A.T. Kearney in 2019 (n = 500; Vgl. „Onlinehandel mit Lebensmitteln: Fokus als Schlüssel zum Erfolg“), wächst der Onlinehandel mit Lebensmitteln weiter, bleibt aber aktuell noch ein kleiner Markt in Deutschland. Sein Anteil am gesamten Lebensmittelmarkt ist in 2018 auf 1,5 Prozent gestiegen (2016: 1,2 Prozent). Rund 60 Prozent der deutschen Konsumenten haben mindestens einmal Lebensmittel im Internet bestellt. Nur 18 Prozent kaufen ihre Lebensmittel regelmäßig, d. h. mindestens monatlich, online ein. Das Wachstum des Lebensmittelonlinehandels schlägt sich, wenngleich noch auf relativ niedrigem Niveau, erstmalig in steigenden Zahlen nieder. Der entscheidende Grund für einen Onlineeinkauf liegt beim „Komfort“, der sich bei 72 Prozent der Befragten durch die Lieferung nach Hause, bei 52 Prozent durch ein Shopping rund um die Uhr und bei 50 Prozent durch eine persönliche Zeitersparnis manifestiert.
Betrachtet man jedoch die Seite der Anbieter von Lebensmitteln und Getränken, so erfordern die erfolgsversprechende praktische Umsetzung des eCommerce und der Aufbau eines Onlinevertriebes besondere konzeptionelle Vorüberlegungen. Denn auch beim Internetverkauf von Lebensmitteln und ihrer Zutaten müssen die Betreiber von Onlineshops vielfältige Anforderungen erfüllen, um die geltenden Gesetze zu befolgen, den Erhalt der Lebensmittelqualität in der Lieferkette sicherzustellen und dem Lebensmittelverderb sowie dem damit verbundenen Vertrauensverlust und möglichen Gesundheitsschäden bei den Verbrauchern vorzubeugen. Letzten Endes gelten für den Onlinehandel mit verderblichen Waren die gleichen gesetzlichen Anforderungen wie für den stationären Einzelhandel.
2. Erfolgsfaktoren beim eCommerce mit Lebensmitteln und Getränken
2.1 Vor- und Nachteile des Lebensmittelonlinehandels
Immer mehr Menschen kaufen online ein; die Aufwärtsbewegung im digitalen Shopping ist nicht zu stoppen. Kein Wunder, denn im Netz ist alles per Mausklick zu finden. Bei den heutigen Arbeitszeiten, die immer weiter in den Abend hineinreichen und den mit Hobbies ausgefüllten Wochenenden fehlt oft die Zeit für einen entspannten Einkauf in den Geschäften vor Ort. Genau in diesem Punkt, wie auch in einigen weiteren, bietet das Onlineshopping immense Vorteile. Es gibt keine den Einkauf beschränkenden Öffnungszeiten, keine langen Anfahrtswege, wenn man anstelle regional einmal überregional einkaufen möchte, keine Parkplatzsuche und man hat erst recht keine langen Wartezeiten an der Kasse. Der internationale riesige Onlineshop ist 24 Stunden und 365 Tage lang geöffnet und ermöglicht neben dem Zeitvorteil zudem einen einfachen Preisvergleich und einen bequemen Lieferservice, wenn gewünscht sogar bis an die Haustür. Das Widerrufsrecht stärkt und schützt die Verbraucherrechte und um Bargeld muss man sich auch nicht kümmern, denn die Bezahlung erfolgt ebenfalls digital. So viele Vorteile, aber wo bleibt das gewohnte Einkaufserlebnis? Was ist mit dem kreativen Stöbern in den Regalen und dem Prüfen der Produktqualität mit den eigenen Sinnen? Wo bleibt die persönliche Beratung durch das Fachpersonal? Hinzu kommen Preisaufschläge durch die entstehenden und umgelagerten Versandkosten und zu berücksichtigende Lieferzeiten, denn die Ware kann nicht gleich mitgenommen werden. Auch eventuelle Mindestbestellmengen können den Onlineeinkauf trüben. Diese dem Kauf im stationären Handel vorbehaltenen Aspekte muss der Onlinehandel mit entsprechend attraktiven Konzepten und Angeboten begegnen, um das Vertrauen der Konsumenten zu gewinnen und nachhaltig zu behalten.
2.2 Status quo im Lebensmittelonlinehandel
Um einen Einblick in die aktuelle Situation des Onlinehandels mit Lebensmitteln zu bekommen wurden verschiedene Studien betrachtet. So wurde beispielsweise vom DIN-Verbraucherrat bemängelt, dass es aktuell keine standardisierten und einheitlichen Qualitätskriterien zur Beurteilung des Lebensmittelonlinehandels gibt, die v. a. auch den Bereich des eCommerce mit Frischeprodukten abdecken. Dabei liegt der Fokus insbesondere auf dem Bereich der Produktqualität, aber darüber hinaus auch auf der Prozessqualität, bei der Aspekte der Hygiene, der Kühlung und der Verbraucherinformation zu berücksichtigen sind. Aktuell werden in einer DIN-Arbeitsgruppe Spezifikationen und Empfehlungen erarbeitet, die die speziellen Anforderungen an den Lebensmittelonlinehandel definieren sollen.
Einen konkreten Einblick in die aktuelle Situation ergab eine Studie der THIMM Consulting GmbH + Co. KG, Northeim. Im Rahmen eines Praxistests „Lebensmittel im Onlinehandel“ wurde hierbei im Frühjahr 2019 festgestellt, dass „es auffallend wenige fehlerfreie Konzepte beim Onlineversand von Lebensmitteln“ gibt. Neben dem allgemeinen Bestell- und Lieferprozess wurden bei insgesamt 24 Onlineshops (regional und überregional) insbesondere auch die Verpackungskonzepte überprüft. Dazu wurden Lebensmittel aus vier Kategorien online bestellt:
- Lebensmittel des täglichen Bedarfs (simulierter Warenkorb aus frischem Fleisch/Wurst, Obst/Gemüse, Molkereiprodukten, Tiefkühlprodukten)
- Tiefkühlprodukte
- Frischer Fisch
- Frisches Hackfleisch
Im Ergebnis zeigte sich, dass 27 Prozent der Lieferungen außerhalb der vereinbarten Anlieferzeiten zugestellt wurden; bei fast der Hälfte (43 Prozent) erreichten die bestellten Lebensmittel den Verbraucher einen Tag später, also am Folgetag.
Im Vergleich der Onlineshops betrugen die Lieferkosten, bestehend aus Zusatz- und Versandkosten, über ein Viertel (durchschnittlich 26 Prozent) der Gesamtkosten. Einige Anbieter verlangten Zusatzkosten v. a. für die Kühlung der Produkte. Seitens der Versandarten wurde, sofern angeboten, der Expressversand bis 12 Uhr gewählt.
Eine weitere besondere Schwierigkeit für Onlinehändler liegt in der fachgerechten Auswahl der Verpackung, denn es gilt, den jeweiligen Produktanforderungen gerecht zu werden. Eingedrückte Ecken, Löcher bzw. Risse oder feuchte bzw. aufgeweichte Versandverpackungen wurden bei 14 von insgesamt 29 festgestellt, wenngleich Hinweise bzgl. Liefertermin, Kühlung oder Bruchgefahr aufgedruckt waren.
Von allen bestellten Lebensmitteln wiesen 78 Prozent einen guten optischen Zustand auf. Allerdings waren die Hälfte der Kopfsalate welk, zwei von acht Joghurtbechern aufgeplatzt und in jeder zweiten Fasergussverpackung lagen zerbrochene Eier. Auch der Anteil und die Recyclingfähigkeit des Verpackungsmaterials waren im Test nicht optimal und bieten – gerade auch vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeit – Potenzial für Verbesserungen. Gleiches gilt für die Temperatureinhaltung. Denn die Resultate der Überprüfungen unmittelbar nach Erhalt der Bestellung ergaben vor allem bei Tiefkühlerzeugnissen die schlechtesten Werte bei Kern- und Oberflächentemperaturen. Gut 44 Prozent der Lebensmittel wurden nicht ausreichend gekühlt. Lediglich fünf der 24 Bestellungen wurden innerhalb der gesetzlich zulässigen Temperatur geliefert. Nur bei einer lückenlosen Kühlkette, einer sachgerechten Verpackung und einem sorgfältigen sowie termintreuen Versand kann dem Verbraucher die vom Verkäufer versprochene Qualität und Haltbarkeitsdauer der Lebensmittel und Getränke geliefert werden. Diese Testergebnisse geben einen Einblick in die Komplexität und zeigen auf, dass es in der aktuellen Praxis noch Verbesserungspotenzial gibt.
Weitere wichtige aktuelle Probleme des Lebensmittelonlinehandels sind aus Sicht der Autoren:
Bestellvorgang auf der Website:
- auffallend häufig einseitige Produktfotos und fehlerhafte, unvollständige Produktinformationen,
- mangelndes Feedback beim Bestellvorgang über die Produktverfügbarkeit und die Lagerbestände: Der Kunde erhält z. B. erst beim Bezahlvorgang die Information, dass der gewünschte Artikel nicht mehr vorhanden ist.
Lieferservice:
- unflexibler, häufig unfreundlicher Lieferservice: Ankündigungen von „same day delivery“ sind dann doch meistens nicht umsetzbar.
- neben stark beschädigten Produkten sind fehlerhafte Lieferungen auffallend,
- enormer Transportverpackungsmüll sorgt zudem für Unmut bei Verbrauchern.
Häufig lassen sich die o. g. Aspekte auf ein mangelndes Produktwissen seitens der Onlinehändler sowie auf nicht ausreichend geschultes Personal zurückführen, so dass daraus u. a. ein inkorrektes Produkthandling resultiert und Kundenvertrauen verloren geht.
2.3 Kritische Erfolgsfaktoren
Welches sind die kritischen Erfolgsfaktoren und worauf ist beim eCommerce mit Lebensmitteln und Getränken explizit zu achten? Im folgenden Abschnitt sollen diesbezüglich Antworten gegeben werden.
Produktqualität, Informationsmanagement & Rückverfolgbarkeit
Wie auch im stationären Handel bildet ein Höchstmaß an Transparenz den ersten Schritt beim Aufbau von Verbrauchervertrauen. Ein professionelles Informationsmanagement ist die Basis dafür und stellt damit auch das entscheidende Argument für die Auswahl eines Onlineshops im eCommerce dar. Zur Beschreibung der angebotenen Produkte und deren Qualität ist sicherzustellen, dass im Onlineshop sämtliche Produktinformationen und Kennzeichnungselemente gemäß der Lebensmittelinformationsverordnung (LIMV) zur Verfügung gestellt werden. Der Konsument wird damit bei der Produktauswahl und dem Bestellvorgang ideal unterstützt und der komplette Prozess untersteht der Rechtssicherheit. Über die Zuordnung von Kundendaten zu entsprechenden Bestellnummern und der Verknüpfung mit Produktinformationen ist die für die Rückverfolgung erforderliche Nachvollziehbarkeit gewährleistet. Ideal ist eine durchgängige Prozesstransparenz (Produkt-Tracking) über den kompletten Bestell- und Transportweg (Supply Chain), so dass für den Kunden online abrufbare Logistikinformationen zur Produktverfügbarkeit (Lagerbestand), zum aktuellen Bestellstatus und Produktverbleib bis hin zum Zeitfenster der Paketzustellung zur Verfügung stehen. Gibt es zudem noch die Möglichkeit Kundenfeedback und deren Bewertungen öffentlich abzugeben und online einzusehen, ist ein hohes Maß an Informationstransparenz gewährleistet.
Prozessmanagement: Sicherheit, Hygiene, Kühltemperatur & Logistik
Weitere wesentliche kritische Erfolgsfaktoren betreffen das Prozessmanagement vor und nach dem Bestellvorgang. Hierbei sind insbesondere die sach- und fachgerechte Produktlagerung, die ordnungsgemäße Kommissionierung und Verpackung sowie die Auswahl der dem Produkt angemessenen Versandart und Zustellung maßgebend. Eine den angebotenen Produkten und deren Qualitätserhalt angepasste, gut durchdachte Konzeption des Prozessmanagements sowie schriftlich fixierte und definierte Vorgaben die unternehmensinterne Logistik und ein HACCP-Konzept betreffend, sind elementar. Darüber hinaus sollten konkrete vertragliche Regelungen diesbezüglich mit einem möglichen externen Logistikdienstleister vereinbart und fixiert sein, um den Logistikprozess hocheffizient und zuverlässig in einem insbesondere für verderbliche Lebensmittel und Getränke maßgebenden engen Zeitfenster abzuwickeln. Gleiches gilt für weitere mögliche Partner in der Prozesskette, ggf. im Bereich der Lagerhaltung oder Kommissionierung. Dabei sind neben dem angemessenen Timing auch die geltenden Hygienestandards und Hygienegesetze sowie die definierten Kühltemperaturen (Kühlkette und Temperaturprüfungen) durchgängig einzuhalten und die Auswahl einer angemessenen Produktverpackung (ggf. sowohl Primär- als auch Sekundärverpackung, Isoliermaterial, Kühlelemente) inklusive eines Hinweises auf der Verpackung für den Zusteller und Endkunden zu berücksichtigen. Ein weiterer Aspekt, der im Prozessmanagement zu beachten ist, ist die Etablierung eines standardisierten und klar kommunizierten Reklamationsmanagements inkl. Kontaktmöglichkeiten sowie einer transparenten Rechnungslegung und eines sicheren digitalen Bezahlvorganges.
Personalqualifikation
Zur Gewährleistung eines zuverlässigen Prozessmanagements und einer fachgerechten Logistik ist die Sicherstellung einer angemessenen Personalqualifikation erforderlich. Diese bezieht sich neben einem Grundwissen an lebensmittelwissenschaftlicher Warenkunde und einer korrekten Produkthandhabung v. a. auch auf die regelmäßige Vermittlung der gesetzlichen Vorgaben hinsichtlich der Produkt- und Personalhygiene im Kontext der Lebensmittelsicherheit. Darin eingeschlossen sind zudem Aspekte der Produktkühlung und die durchgängige nachweisliche Einhaltung der Kühlkette über den kompletten Prozess. Die Qualifikation des Personals ist nicht nur unternehmensintern sicherzustellen, sondern es gilt diesbezüglich auch Regelungen mit den möglichen externen Dienstleistern zu treffen (z. B. Logistik, Lagerung, Kommissionierung), die letztlich auch für den Erhalt der Produktqualität nach Verlassen der Produktion und für einen sicheren Produkttransport bis hin zum Verbraucher mitverantwortlich sind.
Verpackung & Nachhaltigkeit
Die Verpackung ist eines der wesentlichen Elemente im Onlinehandel mit Lebensmitteln und Getränken. Sowohl das Verpackungsmaterial als auch dessen Form muss gleich mehreren Anforderungen genügen. Diese ergeben sich aus Sicht des Produktschutzes und der Bruchsicherheit, bedürfen der Beachtung der Lebensmittelsicherheit, der Hygiene und einer entsprechenden durchgängigen Produktkühlung und müssen zudem die aus gesetzlicher Sicht geltenden Verpackungsrichtlinien erfüllen. Entsprechende Verpackungskonzepte sollten erarbeitet und zutreffende Verpackungsmaterialien ggf. sowohl für die Primärverpackung als auch für die Sekundär- bzw. Transportverpackung ausgewählt werden. Dabei gilt es neben einer entsprechenden Kennzeichnung bzw. Etikettierung die gewünschte Informationstransparenz sicherzustellen, aber auch Entsorgungs- bzw. Recyclingkonzepte zu berücksichtigen, um den wachsenden Forderungen nach Nachhaltigkeit gerecht zu werden.
Besonderheiten beim Onlinehandel mit alkoholischen Getränken
Für Erzeuger von alkoholischen Getränken (u. a. Wein, Sekt, Spirituosen) mit eigenem Onlineshop oder auch für Händler ist beim Alkoholversand der dazugehörige Rechtsrahmen (v. a. Jugendschutz) ausreichend einzuhalten. Denn wie im stationären Einzelhandel ist auch im Versandhandel sicherzustellen, dass alkoholische Getränke nicht an Minderjährige abgegeben werden. Die Best-Practice-Vorgehensweise zum „Alkoholversand und Jugendschutz“ des Bundesverbandes E-Commerce und Versandhandel Deutschland e.V. (BEVH) beinhaltet u. a.:
(A) Bestandskunden können weiterhin auch ohne gesonderte Prüfung und ggf. Dokumentation des Alters beliefert werden. Das erforderliche Mindestalter gilt als bekannt.
(B) Lieferungen an Neukunden dürfen nur bei Durchführung einer Alterskontrolle durch den Zusteller erfolgen. Eine solche Alterskontrolle gilt als durchgeführt, wenn der Zusteller aufgrund der Gesamtumstände eindeutig davon ausgehen darf, dass die Empfangsperson das Mindestalter erreicht hat. In Zweifelsfällen ist das erforderliche Mindestalter durch Vorlage eines amtlichen Lichtbilddokuments nachzuweisen. Zu keinem Zeitpunkt erfolgt eine Dokumentation des Alters.
(C) In allen Fällen sind die Versandverpackungen mit einem deutlich sichtbaren Warnaufdruck zu versehen, der darauf hinweist, dass das Paket nicht an Minderjährige weitergegeben werden darf. Z. B.: „Alkoholische Getränke: Darf nicht an Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren ausgehändigt werden.“
(D) In allen Fällen hat spätestens im Zeitpunkt des Abschlusses der Bestellung der Hinweis auf die Möglichkeit der Durchführung einer Alterssichtprüfung bei Übergabe des Pakets zu erfolgen. Ein solcher Hinweis hat abschreckendes Potential und reduziert abermals die Gefahr einer Bestellung von Alkohol durch Minderjährige.
Zusammenfassend ist beim Aufbau und der erfolgreichen Durchführung von eCommerce mit Lebensmitteln und Getränken darauf zu achten, dass – ähnlich wie im stationären Handel – ein entlang der kompletten Supply Chain durchgängig fach- und sachgerechter Umgang mit den Lebensmitteln und Getränken unter Einhaltung gesetzlicher Vorgaben und Qualitätsstandards gewährleistet ist. Eine wesentliche Komponente zum Aufbau von Verbrauchervertrauen bildet die kundenfreundliche Prozessgestaltung, die ein angemessenes Maß an Informationstransparenz und Sicherheit beim Onlinebezahlvorgang ebenso umfasst, wie die Gewährleistung zuverlässiger, dem Produkt angepasster Transport- und Zustellungsabläufe.
3. „DLG Trusted Food“ und „DLG Trusted Wine“ - Vertrauen und Qualität im Onlinehandel mit Lebensmitteln und Getränken
Eine Möglichkeit zur Sicherstellung der Einhaltung gesetzlicher Vorgaben sowohl hinsichtlich der Deklaration und Information als auch bezüglich der logistischen Abwicklung einer Onlinebestellung bieten die neuen Zertifizierungsstandards der DLG, die speziell für Onlinehändler konzipiert sind.
Eine neutrale Kontrolle durch die DLG-Experten nach klar definierten Kriterien unterstützt Onlinehändler beim Aufbau bzw. der Überprüfung ihres eCommerce-Angebotes. Geprüft werden der fachgerechte Umgang mit den Produkten, die Einhaltung rechtlicher Vorschriften und Prozessstandards und die Zuverlässigkeit der Logistikabläufe. Die im Verlauf der Kontrolle durchgeführte Schwachstellenanalyse zeigt Verbesserungspotenziale auf und leistet wertvolle Hilfestellung im fortlaufenden Qualitätsmonitoring des Onlinevertriebsweges.
Den Onlinekunden, also den Verbrauchern, bietet das neutrale Qualitätssiegel „DLG Trusted Food“ oder „DLG-Trusted Wine“ einen wichtigen Baustein beim Vertrauensaufbau, denn es garantiert sichere und kundenorientierte Abläufe beim Ein- und Verkauf von Lebensmitteln und Getränken im Internet.
Die Prüfung und anschließende Zertifizierung des Onlinehändlers erfolgt praxisnah in drei Schritten:
- Den Einstieg und damit den ersten Schritt bildet eine Online-Prüfung, bei der der interessierte Onlinehändler detaillierte Fachfragen rund um das Geschäftsmodell gemäß dem DLG-Zertifizierungsstandard online beantworten und dazugehörige Betriebsunterlagen uploaden muss.
- Im zweiten Schritt erfolgen „Blind-Shopping“ Einkäufe, wobei die bestehenden Prozesse des Onlinehändlers überprüft und gemäß dem DLG-Qualitätsstandard analysiert werden. Bedarfsgerechte Vor-Ort-Prüfungen durch Auditoren mit Lebensmittelexpertise können die digitale Prozesskontrolle ergänzen.
- Schließlich werden im dritten Schritt des Zertifizierungsprozesses die Prüfergebnisse in einem Abschlussbericht zusammengefasst. Dabei werden mögliche Schwachstellen sowie Verbesserungspotenziale aufgezeigt und ggf. Auflagen erteilt. Nachdem der Onlinehändler und Interessent einen Maßnahmenplan erarbeitet, mit den DLG-Experten abgeglichen und im Anschluss daran die Auflagen bestätigt sowie mit Fristen zur Erfüllung belegt hat, ist die Zertifizierung erfolgreich abgeschlossen. Für den kompletten Zertifizierungsprozess ist ein maximaler Zeitrahmen von 12 Kalenderwochen, ausgehend vom Tag des Audits bis zur Ausstellung des Zertifikates definiert. Die Gültigkeitsdauer des Zertifikates beträgt zwei Jahre, wobei sich die DLG das Recht vorbehält, innerhalb dieses Zeitraumes stichprobenartige Überwachungsaudits bzw. ein Monitoring durchzuführen.
Das Zertifikat belegt das verantwortliche Handeln des teilnehmenden Onlinehändlers und minimiert das Risiko von Fehlern und Reputationsschäden. Der komplette Zertifizierungsprozess ist folglich ein wesentlicher Baustein im Risikomanagement des Onlinehändlers und bescheinigt seinen Kunden bzw. den online shoppenden Verbrauchern Vertrauen und Sicherheit.
Im Rahmen des Zertifizierungsprozesses werden im Wesentlichen die nachfolgenden und auch bereits im Kapitel 2 im Detail angeführten verbraucherrelevanten und gesetzlich geforderten Qualitätskriterien geprüft:
- Information und Deklaration:
Die Produktdaten sind korrekt im Onlineshop dargestellt, so dass Kunden vor dem Kauf bzw. der Bestellung alle rechtlich notwendigen Informationen erhalten. - Datensicherheit und Rückverfolgbarkeit:
Die Kunden- und Produktdaten sind so gespeichert, dass sowohl die Anforderungen an den Datenschutz erfüllt werden als auch die notwendige Transparenz bei Rückrufaktionen gewährleistet ist. Die Deklaration der Produkte folgt den gesetzlichen Anforderungen. - Lebensmittelsicherheit und Qualitätserhalt:
Die Etikettierung und Handhabung der Produkte entsprechen den gesetzlichen Vorgaben (wie z. B. Vorhandensein und Einhaltung eines HACCP-Konzeptes; Beachtung der Vorgaben bzgl. Alkoholversand und Jugendschutz). Eine regelmäßige Schulung der Mitarbeiter bzgl. Lebensmittelsicherheit und Hygiene ist sichergestellt.
Die Durchgängigkeit der Kühlketten und gesetzliche Anforderungen an die Kühltemperaturen und deren Kontrolle werden eingehalten und Produkte unter entsprechend sicheren Bedingungen verpackt und gelagert.
Die Transportverpackungen sind in ihrer Beschaffenheit einwandfrei und erfüllen Kriterien des Ressourcen- und Umweltschutzes.
Vertrauen gehört beim Onlineshopping von Lebensmitteln zu einem der wichtigsten Kriterien. Rund 65 Prozent der Onlineshopper fühlen sich beim Onlinekauf mit neutralen Gütesiegeln sicherer. (Befragung Ernst & Young, 2017) Das Onlineshopping von Weinen erfreut sich bei Konsumenten steigender Beliebtheit und verzeichnet jährliche Steigerungsraten bei den Onlineumsätzen um bis zu 10 Prozent. Mit dem speziell auf die Bedürfnisse von Onlinehändlern ausgerichteten fachspezifischen und neutralen Prüf- und Zertifizierungsprozess bietet die DLG der Branche eine wertvolle Unterstützung und eine Alternative zu bisherigen Zertifizierungsangeboten.
4. Ausblick
Der Onlinehandel mit Lebensmitteln und Getränken wird – verschiedenen Studien zufolge – als einer der am stärksten wachsenden Bereiche im eCommerce in Deutschland und auch darüber hinaus gesehen. Wenngleich der aktuelle Anteil im Vergleich zum gesamten Umsatz mit Lebensmitteln in Deutschland noch auf einem relativ geringen Niveau liegt, so werden die fortschreitende Digitalisierung und insbesondere auch der demografische Wandel die Entwicklungen und das Wachstum in diesem Sektor forcieren.
Wesentlich und damit kennzeichnend für den Erfolg ist, dass Onlinehändler gut durchdachte, im Höchstmaß standardisierte und fachlich den zum Onlineverkauf und Versand angebotenen Lebensmitteln und Getränken angepasste Logistik- und Transportprozesse etablieren, die Rechtssicherheit garantieren und dem Verbraucher ein Höchstmaß an Transparenz gewährleisten. Denn nur dann kann nachhaltiges Vertrauen aufgebaut und ein erfolgreicher Onlinevertrieb etabliert werden, der entweder einen bestehenden traditionellen stationären Verkauf ergänzt oder den Aufbau eines komplett neuen Dienstleistungsbereiches ermöglicht. Lebensmittel- und Getränkehersteller sollten sich mit diesem Thema auseinandersetzen, um sich den sich bietenden wertvollen Wettbewerbsvorteilen nicht zu verschließen.
Weiterführende Literatur
- A.T. Kearney Consulting, Studie „Onlinehandel mit Lebensmitteln: Fokus als Schlüssel zum Erfolg https://www.atkearney.de/documents/1117166/1959415/201902_Online+Food+Retailing+Studie_08_WEB.pdf (Stand: 16.12.2019)
- Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland e.V. – Alkoholversand und Jugendschutz – Rechtsrahmen und Vorschlag für ein Best Practice, Berlin, 2. Mai 2019
- DIN-Verbraucherrat – Lebensmittelonlinehandel – Veröffentlichung der Studie „Lebensmittelonlinehandel mit Frischeprodukten – Normungsaspekte aus Verbrauchersicht“; 2017
- Ernst & Young, Befragung 2017 „Onlineshopping von Lebensmitteln in Deutschland“, Shopsiegel-Monitor 2017/2018
- THIMM Consulting, Studie „Praxistest: Lebensmittel im Onlinehandel“,
https://www.thimm.de/presse-events/pressemeldungen/news-detail/onlineversand-von-lebensmitteln-im-praxistest/ (Stand: 10.02.2019)