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7. 1890-1900: Das Jahrzehnt der Herausforderungen und des Aufbruchs

Die Landwirtschaft suchte zu Beginn der 1890er Jahre nach einem Sprachrohr für ihre Anliegen und fand dies zunehmend in der DLG. Die inzwischen auf 17 Beamte angewachsene Geschäftsstelle verstand es, den in den Ausschüssen vorhandenen Sachverstand der Mitglieder zu Gehör zu bringen. Besonders deutlich wurde dies auf den Gebieten Düngerbeschaffung und Bereitstellung einwandfreien Saatgutes. Für die DLG-Mitglieder, aber auch für die Landwirtschaft insgesamt, konnte die DLG bei den Herstellern bzw. Lieferanten faire Konditionen erreichen, daneben nahm sie neue Tätigkeitsfelder konsequent in Angriff. So wurden erstmals in Deutschland Gremien eingesetzt, die sich intensiv mit den Themenbereichen Abfallstoffe, Pflanzenschutz und Sicherheitsvorrichtungen bei Landmaschinen beschäftigten. Sie gelangten zu Erkenntnissen, die der Zeit weit voraus waren. Dazu passte es, dass Max Eyth nicht müde wurde, junge Menschen zur Mitarbeit einzuladen. 1892 forderte er: „Wir brauchen frisches Blut. Eine der Hauptaufgaben eines tätigen Vereins ist, jung zu bleiben.“

Herausforderungen und Antworten auf Agrarkrise

Die Änderungen in der politischen „Großwetterlage“ mit der Entlassung von Reichskanzler Bismarck führte in den 1890er Jahren auch zu einem „neuen Kurs“ in der Agrarpolitik. Ihre Folgen machten sich in enorm sinkenden Einkommen der Landwirte durch eine Halbierung der Getreidepreise, katastrophalen Milchpreisen und einer großen Unruhe in der Landwirtschaft bemerkbar. Während dies zur Gründung von kämpferischen Interessenvertretungen wie den „Bund der Landwirte“ führte, war die Antwort der politisch neutralen DLG eine bahnbrechend unternehmerische: Sie richtete den Sonderausschuss für Buchführung in der Landwirtschaft (1894) und eine DLG-Buchstelle (1895) ein. Sie verschafften der landwirtschaftlichen Betriebslehre den Durchbruch und gelten als Geburtsstunde der Buchführung in der Landwirtschaft, der Betriebsvergleiche und der Wirtschaftsberatung.

Auch die Milcherzeugung, als dem weiteren Hauptzweig der Landwirtschaft, und das Molkereiwesen befanden sich in einer sehr prekären Lage mit fehlender Zukunftsperspektive. In dieser Existenzfrage versprachen sich alle Beteiligten mit der Einführung der Qualitätswettbewerbe von Molkereiprodukten auf den DLG-Ausstellungen und der Einrichtung eines separaten Sonderausschusses eine entscheidende Hebung des Qualitätsniveaus, eine Verbesserung des Absatzes von heimischen Produkten in Inland und auf den Auslandsmärkte und dadurch wirtschaftliche Stärkung der Molkereien sowie bessere Preise für die Milchviehhalter. Damit war die DLG auch im Bereich Milchwirtschaft wirksam.

Die Beobachtung, Analyse und regelmäßige Information über die Entwicklungen auf wichtigen Agrarmärkte in Europa und in Übersee und insbesondere über die Zuchtviehmärkte war ebenfalls seit Mitte der 1890er Jahr im Fokus der DLG. Hierzu richtete sie 1894 den Sonderausschuss für Absatz ein und regelmäßige Berichte über die Landwirtschaft und die Marktlage im Ausland gehörten seitdem zum wichtigen Bestandteil der „Mitteilungen der DLG“.

Abschied von Max Eyth

Eine Zäsur brachte die 10. DLG-Wanderausstellung in Stuttgart- Bad Cannstatt im Jahr 1896. Auf ihr verabschiedete sich Max Eyth von „seiner“ DLG. Er tat dies mit dem guten Gefühl, dass die Gesellschaft solide aufgestellt war. Mehr als 11.000 Mitglieder, von denen rund 500 aktiv in den Gremien mitarbeiteten, und eine auf 30 Mitarbeiter angewachsene Geschäftsstelle versetzten sie in die Lage, zu allen Fragen der Landwirtschaft schlagkräftig Stellung zu beziehen. Die DLG dankte ihrem Gründer mit einer eindrucksvollen Sammlung von Fotos verdienter Wegbegleiter. „Alles meine Freunde“, bemerkte Eyth dazu. Tatsächlich konnte sich keiner erinnern, dass Eyth bei den zahlreichen Sitzungen auch nur ein einziges Mal verletzend gewesen wäre. Ganz nach seiner Art verabschiedete sich Max Eyth Ende September 1896 von seinen Freunden in der DLG mit einem Gedicht „Scheidend“. Darin hieß es unter anderem: „Doch ringsum grünt die junge Saat; was ich vermochte, ist geschehen“. Die DLG verabschiedete „ihren“ Max Eyth mit einem Ehrenbrief und der Verleihung ihrer höchsten Auszeichnung, der „Großen goldenen Denkmünze“, die heute in Anlehnung an den DLG-Gründer „Große Goldene Max-Eyth-Denkmünze“ heißt.

DLG-Mitteilungen, Arbeiten der DLG

Fortschritte machte der Ausbau des DLG-Schrifttums. Zu dem seit 1886 erscheinenden „Jahrbuch“, in dem vor allem die Jahresberichte der Gesellschaft veröffentlicht wurden, und den noch unregelmäßig herausgegebenen „Mitteilungen“ kamen 1894 die „Arbeiten der DLG“ hinzu. Damit verfügte die DLG über ein Forum, in dem anspruchsvoll und umfassend über Versuche, Maschinenprüfungen und wissenschaftliche Erhebungen berichtet werden konnte. Der gewachsene Umfang der publizistischen Aktivitäten machte 1897 die Einstellung eines hauptamtlichen Schriftleiters erforderlich.
 

Anfang 1899 starb mit Albert Schultz-Lupitz der Dünger-Experte der DLG. Eyth hatte ihn einmal als „wichtigsten Menschen für die DLG“ bezeichnet, die Gesellschaft nahm dies zum  Anlass, ihm im Jahr des Todes eine Stiftung zu widmen. Sie wurde zum Grundstein der Versorgungseinrichtung für die DLG-Mitarbeiter, die zum Ende des 19. Jahrhunderts sicher sein konnten, nicht nur einen soliden, sondern auch sozial eingestellten Arbeitgeber zu haben.

(kh)

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