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Umgang mit krankem und verletztem Haus- und Wirtschaftsgeflügel

DLG-Merkblatt 477

1. Einführung

Ein gesunder, wenig krankheitsanfälliger, robuster Tierbestand ist das Ziel eines jeden Geflügelhaltenden. Prophylaktische Maßnahmen, wie betriebsindividuelle Impfprogramme und Fütterungskonzepte spielen neben der Einhaltung strikter Biosicherheitsmaßnahmen bei der Gesunderhaltung der Tierbestände eine herausragende Rolle. Dennoch lassen sich Erkrankungen von Einzeltieren oder der gesamten Herde nicht gänzlich vermeiden, die eine angemessene Versorgung und Einleitung fachgerechter Maßnahmen erfordern. Tierschutzrechtlich ist die angemessene Versorgung kranker oder verletzter Tiere im § 1 des Tierschutzgesetzes (TierSchG) geregelt, nachdem niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen darf. Die Tierschutznutztierhaltungs-Verordnung (TierSchNutztV) konkretisiert diese Verpflichtung, indem gefordert wird, dass jeder, der Nutztiere hält, sicherstellen muss, dass – soweit erforderlich – unverzüglich Maßnahmen für die Behandlung, Absonderung oder die Tötung kranker oder verletzter Tiere ergriffen werden müssen (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 TierSchNutztV).

Die Erkennung kranker und verletzter Tiere, ebenso wie die Entscheidung, welche Maßnahmen für jedes Tier im Einzelfall erforderlich sind, erfordert ein hohes Maß an Entscheidungskompetenz. Hierfür muss der Tierhaltende bzw. der Tierbetreuende über ausreichende Fachkenntnisse und Fähigkeiten
verfügen.

Neben der Einleitung erforderlicher Maßnahmen beim erkrankten oder verletzten Einzeltier muss der Tierhaltende bzw. der Tierbetreuende immer auch nach der Ursache und möglichen Auslösern suchen.Sind diese gefunden, sind direkt Gegenmaßnahmen und Abhilfe einzuleiten, um damit nach
Möglichkeit auch eine Ausweitung zu einem Bestandsproblem zu verhindern.

Das vorliegende Merkblatt soll dem Tierhaltenden bzw. dem Tierbetreuenden Hilfestellung geben, wie kranke und verletzte Tiere in einem Geflügelbestand schnellstmöglich erkannt werden können und wie dann weiter mit den Tieren zu verfahren ist. Anhand von Entscheidungskriterien wird beschrieben, wann ein Tier in der Gruppe verbleiben kann, wann es separiert und behandelt werden muss/sollte und wann und wie eine tierschutzkonforme Tötung von Tieren vorzunehmen ist, um ihnen hiermit länger anhaltende Schmerzen und Leiden zu ersparen. Neben rechtlichen Vorgaben zum Umgang mit kranken Tieren und zur Betäubung und Tötung mit möglichen, zulässigen Verfahren für die jeweilige Geflügelart werden Hinweise zur Gestaltung eines Separationsabteils gegeben.

2. Rechtsgrundlagen

2.1 Zum Umgang mit kranken und verletzten Tieren

Nach dem Tierschutzgesetz (TSchG) hat jeder Tierhaltende und Tierbetreuende dafür Sorge zu tragen, dass jedes Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernährt, gepflegt und verhaltensgerecht untergebracht ist. Schmerzen, Leiden und Schäden dürfen einem Tier nicht ohne vernünftigen Grund zugefügt werden (TSchG § 1 und 2). Im Fall von kranken oder verletzten Nutztieren wird der Umgang in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) noch weiter konkretisiert. So sind, „soweit erforderlich, unverzüglich Maßnahmen für die Behandlung“ zu treffen. Zudem sollte eine „Absonderung in geeignete Haltungseinrichtungen mit trockener und weicher Einstreu oder Unterlage“, ggf. auch „die Tötung kranker oder verletzter Tiere“, erfolgen. Sofern erforderlich, ist ein/eine Tierarzt:ärztin hinzuzuziehen. 

Die EU RL 2007/43/EG zu Mindestanforderungen an die Haltung von Masthühnern konkretisiert diese Forderung. So sind Masthühner mit gravierenden Verletzungen oder mit deutlichen Anzeichen von Gesundheitsstörungen, z. B. mit Laufschwierigkeiten, starkem Bauchwasser oder schweren Missbildungen, die darauf schließen lassen, dass das Tier leidet, angemessen zu behandeln oder unverzüglich zu töten. Erforderlichenfalls ist ein/eine Tierarzt:ärztin hinzuzuziehen. 

2.2 Zur Betäubung und Tötung

Muss ein Tier notgetötet werden, bildet hierzu die rechtliche Basis das Tierschutzgesetz, wonach ein Wirbeltier nur unter Betäubung oder sonst nur unter Vermeidung von Schmerzen getötet werden darf (TSCHG § 4 Abs. 1). Weitere Rechtsgrundlagen sind die Verordnung (EG) 1099/2009 über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung sowie die Tierschutz-Schlachtverordnung (Verordnung zum Schutz von Tieren im Zusammenhang mit der Schlachtung oder Tötung und zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 des Rates (Tierschutz-Schlachtverordnung – TierSchlV). 

Nach Verordnung (EG) 1099/2009 handelt es sich bei der Nottötung um „die Tötung von verletzten Tieren oder Tieren mit einer Krankheit, die große Schmerzen oder Leiden verursacht, wenn es keine praktikable Möglichkeit gibt, diese Schmerzen oder Leiden zu lindern“ (Art. 2d). „Im Fall der Nottötung ergreift der Halter der betroffenen Tiere alle Maßnahmen, die erforderlich sind, um die Tiere so bald als möglich zu töten“ (Art. 19). Grundsätzlich ist beim Töten von Nutzgeflügel immer zuerst ein Betäubungs- und unmittelbar daran anschließend ein Tötungsverfahren durchzuführen. Die Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit muss bis zum Tod des Tieres anhalten.
Zulässige Verfahren und Techniken zur Betäubung und Tötung von Nutzgeflügel finden sich sowohl in der EU-Verordnung (EG) 1099/2009 als auch in der TierSchlV, die die EU-Vorgaben für Deutschland konkretisiert. 

Grundsätzlich darf nach dem Tierschutzrecht ein Tier nur getötet werden, wenn ein vernünftiger Grund vorliegt. Rein wirtschaftliche Gründe scheiden hierbei aus. 

Vernünftige Gründe wären: 

  1.    Das Tier leidet über längere Zeit an erheblichen, nicht behebbaren Schmerzen
  2.    Das Tier leidet an einer schweren Krankheit ohne Aussicht auf Heilung
  3.    Das Tier nimmt weder Futter noch Wasser selbstständig auf und kann sich somit nicht mehr selbst versorgen

Grundsätzlich darf jemand nur Tiere töten, wenn diese Person die dazu nötigen Kenntnisse und Fähigkeiten hat (TSchG § 4, 4a und 4b sowie Verordnung (EG) 1099/2009 Art. 7). 

Daneben müssen Masthühnerhalter (EU-RL 1/43/2007 sowie TierSchNutztV) ebenso wie Personen die gewerbsmäßig (Verordnung (EG) 1099/2009 Art. 7 und 21 sowie TierSchlV) Tiere töten, einen Sachkundenachweis haben. Bei der Haltung von Masthühnern wird gefordert, dass jeder Haltende über eine Sachkundebescheinigung verfügt. Die Sachkunde betrifft neben der Haltung auch Kenntnisse im Bereich der Notbehandlung, der Notschlachtung und Tötung sowie Fertigkeiten zur ordnungsgemäßen Tötung (EU-RL 1/43/2007 sowie TierSchlV). Der Nachweis kann neben einer Bescheinigung über einen erfolgreichen Ausbildungsabschluss bestimmter Berufsgruppen (z. B. Tierwirt:in, Landwirt:in oder Studium im Bereich Landwirtschaft oder Tiermedizin) auch durch die Teilnahme an einem von der zuständigen Behörde als gleichwertig anerkannten Lehrgang mit Prüfung belegt werden (TierSchNutztV). 

Zur Gewerbsmäßigkeit zählen auch Geflügelhaltende, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit zur direkten Abgabe kleiner Mengen von Fleisch an Endverbraucher oder örtliche Betriebe des Einzelhandels zur unmittelbaren Abgabe an Endverbraucher schlachten (VO (EG) 852/2004 und VO (EG) 853/2004; TschSchlV).

3. Tierkontrolle mit Tierbeobachtung im Bestand

Die tägliche Kontrolle des Tierbestandes hat zum Ziel, den Gesundheitsstatus und das Tierwohl der gesamten Herde zu erfassen, um bei ersten Krankheitsanzeichen frühestmöglich zu reagieren. Dazu fordert der Gesetzgeber eine mindestens einmal tägliche, bei Masthühnern zweimal tägliche direkte Inaugenscheinnahme aller Tiere. Als Grundsatz gilt, je häufiger der Tierbestand kontrolliert wird und umso sorgfältiger die Tierbeobachtung stattfindet, desto wahrscheinlicher ist es, kranke und verletzte Tiere frühzeitig aufzufinden. Damit können Maßnahmen für Einzeltiere oder auch den ganzen Tierbestand betreffend, schnellstmöglich eingeleitet werden, um so die Heilungsaussichten zu erhöhen oder auch das unnötige Leiden in Fällen von schweren Erkrankungen und Verletzungen ohne Aussicht auf Heilung zu minimieren. Gerade in kritischen Zeiträumen, in denen vermehrt mit gesundheitlichen Störungen gerechnet werden muss (z. B. Futterphasenwechsel, Wetterumschwung oder Vorgriff), sind mindestens zwei Kontrollgänge pro Tag durchzuführen. 

Um sicherzustellen das auch alle Tiere eines Bestandes begutachtet werden, sind alle Bereiche des Stalles und auch weitere, für die Tiere zugängliche Bereiche, wie angrenzende Kaltscharräume und auch Ausläufe bei der Tierkontrolle mit einzubeziehen. Hilfreich ist es dabei, den Stall in Längsrichtung mäanderförmig zu durchschreiten. Von Vorteil ist es, eine Tierkontrolle in den Aktivitätsphasen durchzuführen. So werden sich gesunde Tiere beispielsweise beim Anlaufen der Futterkette in Richtung Fütterung bewegen, wohingegen geschwächte Tiere zurückbleiben und so besser erkannt werden. Auch bei der Öffnung der Auslaufklappen bei Freilandhaltungen bewegen sich viele Tiere nach draußen, während schwächere Tiere in Stall bleiben und dann zum Futter oder Wasser gehen. Das Streuen von einer kleinen Menge von Futter (z. B. ganze Getreidekörner) während des Stalldurchganges lockt mobile Tiere an und hilft immobile Tiere aufzufinden. Oftmals verstecken sich geschwächte oder bepickte Tiere in dunkleren Bereichen des Stalles. Daher sind besonders Stallecken und Bereiche unter oder neben Fütterungs-/Tränkeeinrichtungen intensiv zu kontrollieren. Auch Strukturierungselemente, wie z. B. erhöhte Ebenen und Volierenetagen sowie erhöhte Sitzstangen dienen für kranke oder verletzte Tiere als Rückzugsorte. 

3.1 Geschwächte und verletzte Tiere erkennen, finden und fangen

Um kranke und verletzte Tiere zu erkennen, sind Kenntnisse zum Normalverhalten der jeweiligen Geflügelart zwingend erforderlich. Nur wenn diese bekannt sind, können Abweichungen festgestellt werden. 

3.2 Normalverhalten auf Herdenbasis

Um das Verhalten der Gesamtherde zu beurteilen, bietet es sich an, die Tiere ungestört, vor Betreten des Stalles z. B. durch ein Fenster zu beobachten. Hier kann die Verteilung der Tiere im Stall sowie die allgemeine Tieraktivität erste Hinweise auf Störungen (Stallklima, Tiergesundheit) geben. Die Verteilung der Tiere im Stall gibt Rückschlüsse auf eine optimale Temperaturführung, die abhängig von Geflügelart und Alter ist. Aber auch bei auftretenden Infektionskrankheiten kann es zu untypischen Verteilungen der Tiere im Stall kommen. So drängen sich beispielsweise bei niedrigen Temperaturen Tiere zusammen, was auch bei Erkrankungen eines Tierbestandes auftreten kann. 

Das Herdenverhalten wird dann gezielt beim Betreten des Stalles bewertet. Ein gesunder Tierbestand ist aufmerksam und mobil. Die Tiere zeigen in den einzelnen Funktionsbereichen des Stalles (z. B. Scharrbereich; Futter- und Wasser) arttypische Verhaltensweisen. Besonders aufmerksam sollten Veränderungen der Aktivität und der Lautäußerungen beobachtet werden. 

3.3 Mögliche Hinweise auf gesundheitliche Störungen und Verhaltensabweichungen

Technisch leicht zu ermittelnde Parameter wie z. B. der tägliche Futter- und Wasserverbrauch einer Herde können weitere wertvolle Hinweise auf eine Veränderung der Tiergesundheit geben. Dabei ist allerdings zu bedenken, dass der durchschnittliche Futterverbrauch einer Tiergruppe erst dann merklich zurückgeht, wenn ein Großteil der Gruppe die Futteraufnahme reduziert oder eingestellt hat. Die Kontrolle des Wasserverbrauchs ist hier besser geeignet, da dieser schneller reagiert. Hierbei ist aber zu beachten, dass der Wasserverbrauch bei hohen Temperaturen im Sommer steigt. Generell sind einzelne erkrankte bzw. verletzte Tiere innerhalb einer Gruppe anhand dieser Parameter nicht zu erkennen. 

Im Gegensatz zu Rind und Schwein, deren Körperzustand durch ihr eng anliegendes Fell leicht zu beurteilen ist, ist dies beim Geflügel durch das Daunen- und später das Federkleid nur schwer möglich. Auch ist ein Fiebermessen durch die ohnehin bereits hohe Körpertemperatur des Geflügels von bis zu 42 °C wenig aussagekräftig bzw. befindet sich die normale Körpertemperatur bereits am Limit eines handelsüblichen Fieberthermometers. Regelmäßiges Wiegen einer Stichprobe von Tieren im Bestand und eine Auswertung der Wiegedaten kann ein frühes Erkennen von entstehenden Problemen ermöglichen sowie Hinweise auf Infektionen oder Nährstoffmangel liefern.

Beim Einzeltier (im Einzelfall auch bei einem Großteil der Tiergruppe) können nachfolgende Punkte Hinweise auf eine gesundheitliche Störung oder Schmerzen und Leiden geben (beispielhafte Auf­listung, kein Anspruch auf Vollständigkeit): 

  • ruhiges, lustloses, apathisches aber auch ein sehr aufgeregtes Verhalten
  • Verschmutzungen des Gefieders, des Kopfes (Nasenöffnungen, Schnabel)
  • Tiergröße (Kümmerer)
  • Geräusche (z. B. Schmerzschreie bei Legehennen und Paniklaute, Niesen bei Puten, Junghennen und Legehennen)
  • geschlossene Augen
  • aufgeplustertes Gefieder
  • eingezogener Kopf
  • Farbveränderung von Kopf oder Kamm (blass, bläulich)
  • Verletzungen
  • Laufschwierigkeiten (humpeln, Umfangsvermehrung im Gelenkbereich, Beinfehlstellung)
  • Missbildungen 
  • Kopfschwellungen 
  • Durchfall, kotverschmierte Kloake (Erkrankungen das Magen-Darm-Traktes)
  • Ausfluss aus der Kloake, verklebte Kloake (Legehennen)
  • Kloakenvorfall (Legehennen)

3.4 Fangen aus der Herde

Um entscheiden zu können, ob ein Tier aus der Herde genommen und ob es in ein Genesungsabteil gebracht oder notgetötet werden muss, muss es zunächst gefangen und begutachtet werden. 

Bei Tieren, die sich nicht gut fortbewegen können oder zu schwach sind, ist das Einfangen in der Regel kein Problem, denn sie sitzen oft auf dem Boden und können ganz einfach hochgenommen werden. Bei Tieren, die von z. B. anderen Tieren bepickt werden, ist das oft nicht einfach, da sie dann nicht nur vor pickenden Tieren, sondern meistens auch vor dem Menschen flüchten. 

Ob das Einfangen gut gelingt, ist vor allem davon abhängig, wie gut die Herde insgesamt an den Menschen gewöhnt ist. Flüchten die Tiere vor dem Menschen, ist das Fangen und Beurteilen von Tieren ohnehin sehr schwierig. Bei Legehennen trifft dies vor allem für weiße Herkünfte zu, die viel mehr Kontakt zum Menschen, auch schon in der Aufzuchtphase benötigen, um nicht ängstlich zu reagieren. Bei Jung- und Legehennen ist darüber hinaus auch die Strukturierung des Stalles entscheidend. Ist eine Volierenanlage zu hoch oder zu breit, können die Tiere kaum beobachtet und zum Fangen verfolgt werden, und die Zugriffsmöglichkeit ist sehr eingeschränkt. Dies ist auch grundsätzlich bei großen Gruppen der Fall. Beim Mastgeflügel ist dies oft weniger problematisch. Aber auch langsamer wachsende Genetiken sind deutlich agiler als schnell wachsende Tiere. Die männlichen Tiere der Lege­hybriden sind auf Grund ihrer größeren Agilität ähnlich schwierig wie Junghennen zu fangen. Die Verwendung eines Keschers oder eines klassischen Fanghakens erleichtert das Einfangen erheblich (siehe Abbildung 4). Es können auch Fanggitter genutzt werden, in die eine größere Gruppe Tiere gemeinsam mit dem Tier, das gefangen werden soll, hineingetrieben werden, um dann das einzelne Tier heraus zu fangen. In Freilandhaltungen (Massivstall, Mobilstall) sollten die Tiere möglichst im Stall vor dem Öffnen des Zugangs zum Auslauf gefangen werden. 

Abbildung 4: Nutzung eines Keschers (a), eines Fanghakens (b) bzw. eines Fanggitters (c) um mobile, fliehende Tiere leichter fangen zu können (© Spindler, Sieverding, Garrelfs)

4. Maßnahmen beim Auffinden von kranken oder verletzten Tieren

Ist das kranke, verletzte, lebensschwache oder in der Entwicklung zurückgebliebene Tier gefangen, muss entschieden werden, ob: 

  1.  Es in der Herde verbleiben kann.
  2.  Das Tier nach einer angemessenen Genesungszeit in einem Separationsabteil aller Wahrscheinlichkeit nach wieder in die Gruppe zurückgesetzt werden kann. 
  3.  Aus Tierschutzsicht ein Weiterleben ohne erhebliche Schmerzen und Leiden nicht mehr möglich ist und damit ein vernünftiger Grund zum Töten vorliegt. 

Für die nicht immer ganz einfache Entscheidungsfindung ist eine sachkundige Person zwingend erforderlich, die über die notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen verfügt. Erforderlichenfalls ist der/die betreuende Tierarzt:ärztin hinzuzuziehen. 
 

Tabelle 1: Für die Entscheidungsfindung ist die Beantwortung folgender Fragen hilfreich:

FrageEntscheidung
 
  • Leidet das Tier über längere Zeit an erheblichen, nicht behebbaren Schmerzen?
  • Leidet das Tier an einer schweren Krankheit ohne Aussicht auf Heilung?
 
Werden diese Fragen mit „ja“ beantwortet, ist eine ­sofortige tierschutzkonforme Nottötung des Tieres ­angezeigt.
 
  • Besteht Aussicht auf Heilung?
  • Ist das Tier in der Lage, selbstständig Futter und Wasser aufzunehmen?
 

Wenn diese Fragen mit „ja“ beantwortet werden, ­können die Tiere am Leben bleiben und es muss ­entschieden werden ob eine Absonderung des erkrankten Tieres in ein Separationsabteil nötig ist.

Gerade wenn das Tier, zwecks Beobachtung und ggfs. Behandlung, wieder aufgefunden werden muss, oder in Ruhe und ohne Konkurrenz fressen und ­trinken können muss, ist eine Separation notwendig.

 
  • Kann sich das erkrankte Tier in der Herde weiterhin zurechtfinden, sich behaupten und gegen andere Artgenossen durchsetzen?
  • Ist keine intensive Tierkontrolle nötig um die Genesung des Tieres zu überwachen?
 
Können diese Fragen mit „ja“ beantwortet werden kann das Tier in die Herde zurückgesetzt werden.

4.1 Verbleib in der Herde

Nur Tiere, die keiner weiteren intensiven Tierkontrolle und Einzeltierbehandlung bedürfen und sich in der Tiergruppe zurechtfinden, können in der Herde verbleiben. Das trifft u. a. für leicht verletzte Tiere zu, deren Wunde sich bereits in Ab­heilung befindet. Oder auch für Tiere mit Miss­bildungen (Abbildung 5), die in der Herde gut zurechtkommen und deren Lebensfähigkeit nicht beeinträchtigt ist. Generell muss sichergestellt sein, dass das auffällig gewordene Tier keine Beeinflussung in der Futter- und Wasseraufnahme zeigt und sich selbstständig versorgen kann. Auch muss gewährleistet sein, dass das betroffene Tier nicht von anderen Artgenossen in der Herde angegriffen oder anderweitig in seinem Verhalten gestört wird (sozialer Stress). Eine störungsfreie Gesundung muss möglich sein. Dies kann aber schwierig sein, wenn im Stall keine Rückzugsorte, wie z. B. erhöhte Sitzstangen bei Junghennen, Legehennen und Bruderhähnen oder erhöhte Ebenen oder Schutzräume bei Masttieren vorhanden sind.

4.2 Absonderung in ein Separationsabteil

Nur Tiere, die eine Aussicht auf Genesung haben, dürfen in einem Separationsabteil untergebracht werden. Die Unterbringung kranker und verletzter Tiere in einem Separationsabteil hat den Vorteil, dass dort die betroffenen Tiere weiter genau beobachtet und abhängig vom Gesundheitszustand weitere Maßnahmen und ggfs. notwendige Behandlungen getroffen werden können. Der Gesundheitszustand muss möglichst mehrmals täglich überprüft werden, um bei einer Verschlechterung weitere Maßnahmen bis hin zur Tötung zu ergreifen. So muss jedes Tier, dass sich in einem Separationsabteil befindet und dessen Gesundheitszustand sich nach fachkundiger Einschätzung in einem angemessenen Zeitraum nicht bessert, tierschutzgerecht betäubt und getötet werden (u. a. Bundeseinheitliche Eckwerte; Weiterentwicklung der Mindestanforderungen an die Haltung von Pekingmastenten, DLG Merkblatt 436 Entenmast).

Der aufgezeigte Entscheidungsbaum (Abbildung 6) hilft bei der Entscheidung, ob ein Tier notgetötet werden muss, oder ob eine Chance auf Genesung in einem Separationsabteil besteht. 

Abbildung 7: Wenige Tage altes Putenküken (a) und Mastpute (b) mit einer Verletzung am Flügel. Tiere mit solchen, frisch blutigen Verletzungen sollten separiert werden, um nicht weiter von anderen Tieren bepickt zu werden (© Spindler)

Grundsätzlich sollten Tiere aus der Herde genommen werden, die folgende Merkmale aufweisen (beispielhafte Auflistung, kein Anspruch auf Vollständigkeit): 

  • schwache Tiere, die weder Futter noch Wasser aufnehmen
  • stark abgemagerte Tiere (Junghennen, Legehennen, Bruderhähne)
  • kleine, untergewichtige Tiere (Kümmerer), die weder an Futter noch an Wasser gelangen (vorwiegend Mast)
  • Tiere, die Störungen des Bewegungsapparates aufzeigen und damit keine normale Fortbewegung zeigen bzw. stark lahm sind
  • Tiere mit Bein- oder Flügelbrüchen
  • Tiere mit Verletzungen (z. B. größere, blutige Verletzungen, verletzte/angepickte Kloake)
  • Tiere mit schweren Missbildungen.

Bei separierten Tieren sind u. a. Maßnahmen zur Pflege erforderlich, wie z. B. die direkte Gabe von Wasser und ggf. Futter sowie die Versorgung von Wunden mit abdeckenden, wundheilungsfördernden Sprays (z. B. Zinksprays). Hier sind weitere Rechtsvorschriften (u. a. Arzneimittel- und Lebensmittelrecht) zu beachten. In Zweifelsfall ist der bestandsbetreuende Tierarzt hinzuzuziehen. 

4.2.1 Grundlegende Anforderungen an ein Separationsabteil

Generell ist mit der Einrichtung und Nutzung eines Separationsabteils eine weitere, intensive Betreuung der abgesonderten Tiere notwendig. Der hierfür zusätzlich erforderliche Arbeitsaufwand ist in jedem Fall einzuplanen. Ein alleiniges Separieren ist keine adäquate Versorgung der Tiere!

Um lange Wege und auch das Management zu erleichtern, bietet es sich an, ein Separationsabteil direkt im Stall in der Nähe zum Eingangsbereich zu errichten. Die separierten Tiere können so direkt beim Stalldurchgang während der Routinekontrollen mit betreut und versorgt werden. Nachteilig dabei ist, dass bei einer möglichen Ansteckungsgefahr die gesamte Herde dem Risiko einer Ansteckung ausgesetzt ist. Optimaler Weise ist ein Separationsabteil bereits in einem Bereich des Stalles eingerichtet und kann so bei Bedarf direkt genutzt werden. Möglich ist aber auch eine kurzfristige Errichtung einer mobilen Einheit. Hierfür ist jedoch das benötigte Material für die Absperrung ebenso wie das erforderliche Equipment, wie Futter- und Tränkemöglichkeit, ggf. Nest und Sitzstange vorrätig und direkt griffbereit zu halten. 

Die Absonderung in ein Separationsabteil stellt auch große Ansprüche an die Hygiene. Dazu gehört neben einem guten Einstreumanagement auch der Zugang zu frischem Futter und Wasser, eine für das Tier optimale Umgebungstemperatur ohne Zugluft. Zudem muss die Durchführung von Gesundheitsmaßnahmen wie Impfungen, Entwurmung und Vitamingaben, die die gesamte Herde betreffen, auch im Genesungsabteil möglich sein. 

Die Haltung der Tiere in einem Separationsabteil muss den Bedürfnissen der Tiere gerecht werden. Die gesetzlichen Haltungsvorgaben der jeweiligen Geflügelart (u. a. gemäß TierSchNutztV bzw. Bundeseinheitliche Eckwerte) gelten auch für die Tiere, die in einem Separationsabteil untergebracht sind. 

Generell ist das Separationsabteil mit einem geeigneten Material einzustreuen, um ein natürliches Verhalten, wie Picken, Scharren und Ruhen auf einer weichen Unterlage zu ermöglichen. Auch sollte die Besatzdichte so gering wie möglich gehalten werden. Die Versorgungseinrichtungen, wie Futter- und Tränke, müssen so installiert sein, dass alle separierten Tiere im Abteil die Möglichkeit haben, diese zu nutzen. Gerade kleinere, in der Entwicklung zurückgebliebene Tiere gelangen oftmals nicht ohne Probleme an die jeweilige Größe des Tierbestandes angepasste Tränke und Futtervorrichtung. Neben der Erreichbarkeit muss eine für alle separierten Tiere ausreichende Anzahl von Tränke und Futtervorrichtungen zur Verfügung stehen. Empfehlenswert ist das Aufstellen von Rundtrögen und Stülptränken mit offenen Wasserflächen, um die Futter- und Wasseraufnahme für die Tiere zu erleichtern. 

Auch dürfen Möglichkeiten zum Aufbaumen, insbesondere bei Jung- und Leghennen, sowie ein Nest für legereife Hennen, nicht fehlen. 

Gerade bei Jung- und Leghennen sowie Bruderhähnen, aber auch bei Puten, ist das Angebot von geeignetem Beschäftigungsmaterial zusätzlich zur Einstreu zu empfehlen, um Federpicken und Kannibalismus vorzubeugen. 

Auch sollte ein krankes oder verletztes Tier nach Möglichkeit nicht allein in einem Separationsabteil gehalten werden. Wird jedoch ein zweites beeinträchtigtes oder gesundes Tier zur Gesellschaft dazugesetzt, muss darauf geachtet werden, ob das verletzte Tiere von dem anderen Tier bepickt oder anderweitig gestört wird. Ist dies der Fall, ist das kranke oder verletzte Tier allein aber zumindest mit Sichtkontakt zu den anderen Tieren zu halten.

4.2.2 Mögliche Separationsabteile in der Jung- und Legehennenhaltung

a) Integration im Volienensystem 

Die Installation eines Separationsabteils in einem abgetrennten Bereich innerhalb der Voliere (Abbildung 9 und 10) hat mehrere Vorteile. Eingerichtet im vorderen Bereich des Stalles, in der mittleren Etage, ist das Abteil gut einsehbar. Auch ist eine problemlose Versorgung mit Futter und Wasser, zusammen mit der übrigen Herde, möglich. Zudem ist ein Nest vorhanden. Ein weiterer Vorteil ist, dass hier das Lichtprogramm wie gewohnt automatisch weitergeführt wird. Problematisch ist hingegen das Fehlen von Einstreu. Das kann über die Einlage von Pappe, auf die Einstreu ausgebracht wird, realisiert werden. Auch kann es, abhängig von der Tiefe der Volierenanlage, mitunter schwierig sein, die Tiere zu kontrollieren und ggfs. zu fangen. Ferner ist eine Kontrolle der Futter- und Wasseraufnahme der so separierten Tiere nicht möglich. 

Abbildung 9 und 10: Separationsabteil für Legehennen, eingerichtet im Volierensystem (© Sieverding und Keppler)

b) Separat im Kaltscharrraum (KSR)

Sofern ein Kaltscharrraum vorhanden ist, besteht auch die Möglichkeit dort ein Separationsabteil einzurichten (Abbildung 11). 

Dabei bietet es sich an, einen für das Stallpersonal begehbaren aus Drahtgeflecht abgetrennten Bereich für die Tiere zu gestalten. Neben einer guten Übersichtlichkeit ist hier für die Tiere ein störungsfreier Aufenthalt gewährleistet. Auch kann die oftmals im KSR bereits installierte Tränke genutzt werden. Futter muss jedoch über einen separaten Trog angeboten werden. Problematisch ist ein solches Separationsabteil insbesondere in der kälteren Jahreszeit, da neben nachteiligen klimatischen Einflüssen, wie niedrige Temperaturen und Zugluft, auch die Gefahr des Einfrierens der Tränke besteht. Auch ist eine Steue­rung des Lichtes nur begrenzt möglich. Damit ist ein Separationsabteil im Kaltscharrraum mit einem höheren Managementaufwand verbunden. 

c) Mobile Einheiten im Vorraum oder angrenzenden Räumlichkeiten 

Auch mobile Einrichtungen bieten sich für die Separation von einzelnen Tieren an (Abbildung 12 – 14). Diese können im Vorraum oder auch in einem Nebenraum bzw. in anderen Gebäuden auf dem Betrieb eingerichtet werden. Die Unterbringung in anderen Gebäuden stellt dabei besondere Anforderungen an die Hygiene.

Abbildung 12 und 13: Im Vorraum eingerichtete, mobile Separationsabteile (© Keppler)

d) Kleine Separationsmöglichkeiten für einzelne Tiere im Bestand

Für kleine Tiergruppen bieten sich auch Separationsabteile für einzelne Tiere an, die direkt im Tierbereich eingerichtet werden (Abbildung 15 und 16).

4.2.3 Mögliche Separationsabteile in der Mastgeflügelhaltung

a) Im Einstreubereich 

Beim Mastgeflügel bietet es sich an, ein Separationsabteil mit mobilen Zaunelementen zu errichten (Abbildung 17 und 18). Mit solchen mobilen Elementen, die z. B. in einem Nebenraum vorrätig gehalten werden, ist ein kurzfristiges Errichten bei Bedarf problemlos möglich. Die Versorgungseinrichtungen können direkt mitgenutzt werden, wobei immer auch zusätzliche Futtertröge und Tränken für kleinere, schwächere Tiere angeboten werden sollten (Abbildung 19). Nur so ist gewährleistet, dass alle separierten Tiere an Futter und Wasser gelangen. Kleinere Maschenweiten am unteren Rand der Abgrenzung verhindern, dass geschwächte oder auch bereits verletzte am Rand liegende Tiere von gesunden Tieren, die sich außerhalb des Separationsabteils in der Herde befinden, angepickt werden. 

Abbildung 17 und 18: Separationsabteil für Puten (© Sieverding und Spindler)

Um ausreichend Platz zu bieten, empfiehlt es sich, das Separationsabteil so flexibel zu gestalten, dass es bei Bedarf unkompliziert vergrößert werden kann. Die Besatzdichte sollte möglichst gering sein, um den Tieren ausreichend Ruhe zur Genesung zu ermöglichen. Bei Puten sollte die Besatzdichte im Separationsabteil 45 kg Lebendgewicht pro m² nutzbarer Stallfläche nicht überschreiten (Bundeseinheitliche Eckwerte).

4.3 Nottötung

Um dem erkrankten oder verletzten Tier weitere Schmerzen und Leiden zu ersparen und unter Berücksichtigung der unter Punkt 2.2 aufgeführten Gründe kann es notwendig sein, ein Tier tierschutzgerecht zu töten (Nottötung). Grundsätzlich dürfen Tiere nur unter vorheriger Betäubung und nur unter Vermeidung von Schmerzen getötet werden! 

4.4 Voraussetzungen für die Betäubung und Tötung von Geflügel 

Geflügel darf nur von fachkundigen Personen getötet werden! Damit müssen Personen, die Tiere nottöten, über tierschutzrelevante Kenntnisse und Fertigkeiten zum Umgang mit dem Tier vor der Betäubung sowie zu den zulässigen Betäubungs- und Tötungsverfahren verfügen. 

Die praktischen Fertigkeiten sind sicherzustellen, z. B. indem der Tierhaltende die zur Betreuung und Nottötung beauftragten Personen in die entsprechenden tierschutzrelevanten Kenntnisse und Fertigkeiten einweist und anleitet. 

Generell wäre die regelmäßige Teilnahme des Tierhaltenden/Tierbetreuenden an Fortbildungsveranstaltungen zum aktuellen rechtlichen Stand zulässiger Betäubungs- und Tötungsmethoden, der fachgerechten Durchführung sowie der Entscheidung wann eine Tötung erforderlich ist, wünschenswert. Auch sollten, soweit möglich, alle Personen die Nottötungen durchführen, die Möglichkeit haben, an solchen Kursen teilzunehmen.

Überblick zu erforderlichen Kenntnissen: 

1.    Kenntnisse zum Tierverhalten (Krankheitserkennung und Einschätzung der Situation) 
2.    Grundkenntnisse der Anatomie und des Handlings
    •    Schonendes Fangen
    •    Schonende Fixierung
    •    Richtige Ansatzstellen der Geräte zum Betäuben und Töten
3.    Grundkenntnisse der (Patho-) Physiologie
    •    Kennzeichen einer wirkungsvollen Betäubung
    •    Kennzeichen einer Fehlbetäubung
    •    Kennzeichen des eingetretenen Todes
4.    Kenntnisse der Physik (abhängig vom gewählten Verfahren)
5.    Kenntnisse in der Wartung und Pflege der eingesetzten Geräte (z. B. Elektrozange, Bolzenschussgerät)

 

4.5 Umgang mit dem Tier vor Betäubung und Tötung

Entscheidend ist ein ruhiger Umgang mit dem kranken oder verletzten Tier, um unnötige Aufregung und weiteres Leid zu vermeiden. Auch ist das betroffene Tier so bald wie möglich, ohne lange Verzögerungen, zu töten. Zeiträume in dem das Tier festgehalten, getragen oder anderweitig fixiert wird, sind auf ein Minimum zu beschränken. 

Grundsätzlich darf ein Tier, dass aus Tierschutzgründen getötet werden muss, nicht unnötig lange leiden oder gar sich selbst überlassen werden. 
 

4.5.1 Fixation und Ruhigstellung 

Ist die Entscheidung getroffen, muss das Tier zur Betäubung und Tötung so fixiert werden, dass das Tier nicht ausweichen kann und eine sichere Betäubung möglich ist. Abhängig von Geflügelart und Größe des Tieres ist eine Fixation an den Beinen und am Flügelansatz oder in einem geeigneten Schlachttrichter angezeigt. 
Masthühner, Jung- und Legehennen sowie junge Puten können durch ein beidseitiges Umgreifen des Rumpfes mit Fixation der Flügel sicher festgehalten und getragen werden. Größere Puten können an einem Bein und dem gegenüberliegenden Flügel festgehalten werden. 

Auf verletzte Körperregionen bzw. Gliedmaßen ist beim Halten der Tiere zu achten, um unnötige Schmerzen beim Tier zu verhindern. Nicht zulässig ist das Festhalten bzw. Tragen des Tieres an nur einem Bein oder einem Flügel. 

Um das Tieres zur sicheren Durchführung der Betäubung ruhig zu stellen, können kleinere Tiere (Masthühner, Junghennen, Bruderhähne, Legehennen) in der linken Hand (bei Rechtshändern) in einem so genannten „Blumenstraußgriff“ gehalten werden (Abbildung 20). Dazu werden die an der jeweiligen Körperseite anliegenden Spitzen der Flügel bzw. Federn der Handschwingen zusammen mit den Ständern in der linken Hand fixiert. 

Eine weitere Möglichkeit, die Tiere vor der Betäubung ruhig zu stellen, ist ein Schlachtbügel oder Schlachttrichter (Abbildung 21) in der passenden Größe. Diese Methode ist, wenn möglich, bei größeren Tieren anzuwenden. Hierzu ist ggfs. eine zweite Person erforderlich. 

4.6 Betäubung

Um eine stress- und schmerzfreie Tötung zu gewährleisten, ist eine vorherige Betäubung zwingend erforderlich. Durch die Betäubung wird eine wirksame Schmerzausschaltung und Empfindungslosigkeit erreicht (§ 4 TierSchG). Die Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit muss bis zum Tod des Tieres anhalten. Damit dies gewährleistet ist, muss nach einer schnellen Prüfung der Wirksamkeit der Betäubung die Tötung unverzüglich durchgeführt werden. (siehe Punkt 4.6.2.). 

4.6.1 Zulässige Betäubungsverfahren

Zur Betäubung von Nutzgeflügel im Bestand stehen verschiedene Verfahren zur Auswahl, die in Tabelle 2 aufgeführt sind. 

Abbildung 22: Position des Kopfschlages bei der Legehenne (a) und Pute (b) zur Betäubung (© Spindler)

Bei Tieren unter 5 kg Lebendgewicht bietet sich zur Betäubung der Kopfschlag an (Abbildung 22), wo hingegen bei schwereren Tieren die Betäubung mittels Bolzenschuss (Abbildung 23) oder Elektrozange (Abbildung 24) durchgeführt werden muss. Die Betäubung mit Kohlenstoffdioxid, die u. a. bei Bestandsräumungen im Tierseuchenfall Einsatz findet, bedeutet einen hohen apparativen Aufwand und ist daher bei der Nottötung von Einzeltieren keine übliche Praxis. 

Abbildung 24 a und b: Elektrische Betäubungszange (© Spindler)

Tabelle 2: Übersicht zu Betäubungsmethoden (entsprechend Verordnung (EG) 1099/2009 und Tier- SchlV)

VerfahrenDurchführungAnmerkungen
Kopfschlag

Bei Geflügel bis max. 5 kg Lebendgewicht ist der Kopfschlag (= kräftiger, stumpfer Schlag auf den Kopf) eine ­zulässige Betäubungsmethode. Dazu kann ein schwerer Schlaggegenstand benutzt werden. Durch den Kopfschlag wird eine schwerwiegende Schädigung des ­Gehirns hervorgerufen.

Kopfschlag auf die Schädeldecke zwischen Auge und ­Ohröffnung (Abbildung 22), um sowohl Klein- als auch Großhirn zu schädigen.

Hilfsmittel: z. B. ovaler Stock aus Hartholz oder runde Metallstange mit einer Länge von 30 bis 40 cm und einem ausreichenden Gewicht (mind. 250 g schwer)
Bolzenschuss

Schwerwiegende und irreversible Schädigung des Gehirns durch einen Bolzen, der auf das Schädeldach aufschlägt (nicht penetrierend) bzw. die Schädeldecke durchdringt (penetrierend).
Besonderheiten:

  • Keine Gewichtsbeschränkung
  • Keine gezielten Vorgaben zum Bolzenschussapparat
  • Arbeitsschutz beachten

Ansatzstelle: auf dem Schädeldach des Tieres Schlagrichtung/Schussrichtung zwischen Auge und Gehörgang.

Geschwindigkeit, Durchmesser und Form des Bolzens muss an die Tiergröße und -art angepasst werden.

Gerade bei penetrierenden Bolzenschussapparaten muss der Ansatz des Bolzenschussgerätes so erfolgen, dass das Gehirn ­sicher getroffen wird.

Zum sicheren Ansetzen des Bolzenschussapparates ist der Kopf zu fixieren. Abhängig vom ein­gesetzten Gerät ist eine Fixation des Tieres in einem Schlachttrichter oder durch eine zweite Person zu empfehlen.

Elektro­betäubung

Elektrische Kopfdurchströmung:
Die Elektroden müssen der Kopfgröße angepasst sein und so angesetzt werden, dass der Strom das Gehirn durchfließt. Das Durchleiten von Strom durch das Gehirn, führt zu einem generalisierten epileptiformen Anfall.

Mindestdauer: Außer bei der Hochvoltbetäubung muss die Mindeststromstärke mindestens 4 Sekunden lang gehalten werden.

Die Mindeststromstärken und Stromflusszeiten beziehen sich auf rechteck- oder sinusförmige Wechselströme von 50 bis 100 Hertz (Hz); Entsprechendes gilt auch für pulsierende Gleichströme, gleichgerichtete Wechselströme und phasenanschnittgesteuerte Ströme, sofern sie sich von ­Sinus 50 Hz nicht wesentlich unterscheiden.
Besonderheiten:

  • Arbeitsschutz
  • Besondere Sachkunde notwendig
  • Nicht bei Küken anwenden
 

Bei der Elektrobetäubung oder -tötung muss das Gehirn zuerst oder zumindest gleichzeitig mit dem Körper durchströmt werden.

Für einen guten Stromfluss durch das Gehirn ist zu sorgen. Hierzu müssen die Backen einer Elektrozange stark zusammengedrückt werden, damit die Haut durchdrungen wird und ein ausreichender Stromfluss durch das Gehirn erzielt wird.
Falls erforderlich ist ein Befeuchten der Haut des Tieres angezeigt, um den Stromfluss zu verbessern.

4.6.2 Kontrolle des Betäubungserfolges

Eine Kontrolle des Betäubungserfolges muss unmittelbar erfolgen, um bei sicheren Anzeichen eine direkt anschließende Tötung zu gewährleisten. So zeigt ein Tier nach einer wirkungsvollen Betäubung zunächst einen Streckkrampf mit anschließenden unwillkürlichen Krampfbewegungen (Tonisch-klonische-Krampfphase). Indikatoren für eine sichere Betäubung sind die Unfähigkeit den Kopf/Hals anzuheben und weitere unwillkürliche bzw. ungerichtete Bewegungen (Exitationen). Die Augen sind reak­tions­los mit einem ungerichteten Blick. Der Pupillarreflex ist nicht mehr auslösbar.

Anzeichen von Fehlbetäubung, bei denen unverzüglich eine Nachbetäubung angezeigt ist, sind:

  • Heben des Kopfes (Rückkehr der Halsspannung) 
  • Lautäußerungen 
  • regelmäßige Atmung (Schnabelöffnen, Bewegung des Beckenbodens) 
  • gerichtete Fluchtversuche 
  • gerichteter Blick 
  • Augenreflexe auslösbar

4.7 Tötung

4.7.1 Zulässige Tötungsmethoden

Zur Tötung von Nutzgeflügel im Bestand stehen verschiedene Verfahren zur Auswahl. In der Praxis gebräuchliche Verfahren sind in Tabelle 3 aufgeführt. Die gewählte Tötungsmethode muss zum sicheren Tod des Tieres führen. Das bedeutet einen Stillstand von Kreislauf und aller Organe (inkl. Gehirn). Wichtig ist, dass der ­Vorgang des Tötens bis zum Eintritt des Todes überwacht wird und der Eintritt des Todes kontrolliert wird. 

Bei behördlich veranlasster Tötung im Fall einer Bestandsräumung im Tierseuchenfall ist zudem die für das Tier sehr belastende Betäubung und Tötung mit Kohlenstoffdioxid üblich. 

Abbildung 25: Nach dem Genickbruch von außen sichtbares (a) sowie nach Eröffnung der Haut (b) subkutanes Hämatom infolge der Durchtrennung der großen Halsgefäße („Inneres Verbluten unter der Haut“) (© Spindler)

Unter Einhaltung der fleisch- und lebensmittelhygienischen Rechtsvorgaben können Tiere mit einer akuten Verletzung, wie z. B. einem Flügelbruch, ggf. der Schlachtung zugeführt werden (Eigenbedarf).

Für Puten und Gänse wurde eine spezielle Fixier-Betäube-Töte-Zange entwickelt (Abbildung 27; Post mortem Diagnostik, Lohne, Deutschland). Mit der Zange erfolgt in einem Arbeitsgang die Fixierung (stellt sicher, dass Betäubung und Tötung richtig am Tierkopf platziert sind), die Betäubung (ein nicht penetrierender Bolzen schlägt zielgenau zwischen Auge und Ohröffnung auf den Vogelkopf) und die Tötung (die Backenzangen durchtrennen zwischen Kopf und Wirbelsäule das Rückenmark und die größeren blutführenden Gefäße).

Der Cash Poultry Killer ist ein nicht-penetrierender Bolzenschussapparat mit einem Bolzen mit zwei unterschiedlich geformten Aufsätzen (rundkegelig, spitzkegelig), die nur auf den Schädel aufschlagen. Der spitzkegelige Aufsatz ist dabei zur Betäubung von Puten geeignet. Der Bolzenschuss (sowohl penetrierend als auch nicht-penetrierend) ist kein Tötungsverfahren, so dass die Tiere unmittelbar nach der Betäubung separat getötet werden müssen (Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit; Merkblatt).

Abbildung 27: Fixier-Betäube-Töte-Zange für Puten und Gänse (© Sieverding; post.mortem Diagnostik)

Tabelle 3: Übersicht zu gebräuchlichen Tötungsmethoden (entsprechend Verordnung (EG) 1099/2009 und TierSchlV)

VerfahrenDurchführungAnmerkungen
Genickbruch (Cervicale Dislokation)

Manuelles oder mechanisches Strecken des Halses mit Durchtrennung des Rückenmarks direkt unterhalb des Kopfes. Führt zu einer zerebralen Ischämie, zur irreversiblen Zerstörung des Rückenmarks und der Halsgefäße ­(„inneres Verbluten unter der Haut“).

Manuell: mit der bloßen Hand durchgeführte ruckartige Überstreckung des Halses.

Mechanisch: mittels Genickbruchzange (kleine oder große Zange, abhängig von Größe und Gewicht des Tieres).
Rechtliche Besonderheiten:
< 3 kg Lebendgewicht manuell
> 3 kg Lebendgewicht mechanisch z. B. mittels Genickbruchzange

Bei größeren Tieren ist der ­Genickbruch mit bloßer Hand (manuell) nicht hinreichend ­sicher ausführbar und bedarf ­einem großen Kraftaufwand.

Es sollte ohne großen Kraftaufwand die Wirbelsäule und umgrenzendes Gewebe durchtrennt werden können.

Überprüfung: ca. fingerbreiter Spalt zwischen Kopf und 1. Halswirbel muss tastbar sein. Eine Person darf höchstens 70 Tiere pro Tag durch Genickbruch töten.

BlutentzugKehlschnitt im oberen Drittel des Halses mit Durchtrennung beider Halsschlagadern und Halsvenen. Beim Entbluten muss ein sofortiger starker Blutverlust ­gewährleistet und kontrollierbar sein.Sichere Tötungsmethode jedoch aus hygienischer Sicht problematisch (Verbreitung von Infek­tionserregern; Blut muss aufgefangen und entsorgt werden).
Tödliche ­InjektionHerbeiführen der Wahrnehmungs- und Empfindungs­losigkeit mit anschließendem irreversiblem Tod durch die ­Injektion von Tierarzneimitteln.Dem Tierarzt vorbehalten.
Zerkleinerung

Unmittelbare Tod durch rotierende Messer
Einsatz bei nicht geschlüpften Küken und „Stecken­bleibern“.

Jedes zugeführte Tier muss sofort getötet werden.

Bei Masthühnern bei Mastver­fahren von Bedeutung, indem die Küken im Stall schlüpfen („Schlupf im Stall“).

Anforderungen: Apparat muss mit schnell rotierenden, mechanisch angetrieben Messern oder Polystyrennoppen ausgestattet sein.

Kapazität des Apparats muss ausreichen, um auch eine große Zahl von Tieren unverzüglich zu töten.

Weitere Regelgrößen: Maximale Anzahl der einzubringenden­ ­Tiere.
Abstand zwischen den Messern und Rotationsgeschwindigkeit.
Maßnahmen zur Vermeidung des Überladens.

4.7.2 Kontrolle des eingetretenen Todes

Das getötete Tier muss nach der Tötung ausreichend lange beobachtet werden, um zu kontrollieren, ob auch tatsächlich der Tod eingetreten ist. 
Unbewusste Bewegungen und Muskelzuckungen können im Anschluss an die Tötung noch eine gewisse Zeit auftreten, wo hingegen gerichtete Bewegungen, Bewegungen der Augen, auslösen des Lidschlussreflex (Cornealreflexes) durch berühren der Augenoberfläche oder auch Atembewegungen nicht mehr auftreten dürfen. Zudem ist die Pupille weit geöffnet (Abbildung 28). Ist dies nicht der Fall, ist sofort eine erneute Betäubung mit anschließender Tötung vorzunehmen. 

5. Schlusswort

In der Haltung von Wirtschaftsgeflügel können auch trotz strikter Beachtung der guten fachlichen Praxis und der Hygienemaßnahmen kranke oder verletzte Tiere auftreten. Diese gilt es rechtzeitig zu erkennen, und es sind geeignete Maßnahmen zur Vermeidung von Leiden und Schmerzen zu ergreifen. Hiermit wird nicht nur den Forderungen des Tierschutzgesetzes mit den weiterführenden Regelungen in den jeweiligen Haltungsverordnungen nachgekommen, sondern es werden auch mögliche nachteilige, wirtschaftliche Auswirkungen verhindert. Das vorliegende Merkblatt stellt hierzu auf der Basis des geltenden Rechtsrahmens erforderliche und geeignete Maßnahmen anhand von Beispielen dar. Diese reichen von der Separation bis hin zur Nottötung von Tieren und können so Tierhaltenden als Leitfaden dienen. Dies entbindet Tierhaltende allerdings nicht, kontinuierlich und eigenständig die jeweils aktuell gültigen Rechtsvorschriften zu prüfen.

Weitere Hinweise und Download:

Beiblatt: „Einsatz der Fixier-Betäube-Töte-Zange“ 

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