DLG-Unternehmertage 2016: "Die Prozesse im Griff behalten"
Handlungsfähigkeit in der Krise wird durch den Erhalt von Wettbewerbsfähigkeit erzielt, und das ist zunächst eine ureigene Unternehmeraufgabe. Dies war Tenor des DLG-Unternehmertags am 1. September 2016 in Oldenburg (Niedersachsen). „Wir müssen unsere Prozesse wieder stärker in den Fokus stellen“, erklärte DLG-Präsident Carl-Albrecht Bartmer in seiner Eröffnungsansprache vor den 450 Teilnehmern. Hierbei könnten Reserven identifiziert und Potenziale gehoben werden. Wirtschaftlicher Erfolg, sei es durch niedrige Kosten oder hohe Naturalerträge, entstehe nach Auffassung des DLG-Präsidenten in den Köpfen, in der produktionstechnischen Finesse eines eng in die Prozesse involvierten Unternehmers. Neugierde und innovative Anpassungsfähigkeit seien dabei Schlüsselfähigkeiten, um die vielen kleinen Stellschrauben des Erfolges zu identifizieren. Zudem sei gerade jetzt wieder eine strikte Kostendisziplin angesagt. „Die ist im einen oder anderen Fall in der Hochpreisphase aus den Augen geraten“, betonte Bartmer.
Markthilfen sind für den DLG-Präsidenten lediglich ein Tropfen auf den heißen Stein. Vorstellungen von staatlich honorierten kleinen Ställen und idealisierten regionalen Produktionssystemen sind seiner Meinung nach so lange Psychologie, wie dahinter keine ausreichend kaufkräftige Nachfrage steht. „Und die ist eine Entscheidung souveräner Verbraucher.“ Eine Verbraucherschelte kommt für ihn nicht in Frage: „Sie geht gar nicht, und sie ist auch von Seiten der Landwirtschaft nicht ehrlich! Hier entsteht keine Handlungsfähigkeit in der Krise. Ein Unternehmer ruft nicht nach besseren Preisen, sondern fragt nach den Ursachen und arbeitet an seiner Wettbewerbsfähigkeit.“ [zum Redemanuskript]
Für den niedersächsischen Landwirtschaftsminister Christian Meyer ist eine kurzfristige staatliche Unterstützung der Landwirte im Milchmarkt unumgänglich, um die Unternehmen zu stabilisieren und die Zukunft zu sichern. Langfristig und grundsätzlich sieht er in Krisenmaßnahmen aber auch keine Lösung. „Mir ist es wichtig, dass die Landwirtschaft eine langfristige Perspektive hat.“ Daher hält er die von ihm geforderte Agrarwende für den richtigen Weg, um die landwirtschaftlichen Betriebe zu stabilisieren und die Zukunft zu sichern. Agrarwende bedeute dabei nicht, den Bauern immer mehr Lasten aufzubürden und sie am Gängelband zu halten. „Agrarwende heißt, drängende Probleme in der Landwirtschaft gemeinsam mit den Bauern zu lösen, und auf eine zukunftsfeste Landwirtschaft zu setzen“, so Meyer. [zum Redemanuskript]
Judith Siebers, Milchviehhalterin in Kleve-Rindern (Niederrhein), zeigte ihre Ansätze im Herdenmanagement als Basis für effiziente Milcherzeugung auf. Bei ihr steht die kontinuierliche Analyse von Fütterung und Arbeitserledigung im Fokus, um möglichst hohe Leistungen aus dem Grundfutter zu erreichen und Kosten bei der Arbeitserledigung einzusparen. Für sie ist besonders wichtig: „Schaffen Sie sich Freiräume für ein verbessertes Management.“ So könne man zum Beispiel über eine bessere Brunstkontrolle die Besamungskosten und die Remontierungskosten kurzfristig senken. Auch dürfe man in Krisenzeiten an unkonventionelle Lösungen denken, wie beispielsweise das Teilen von Spermaportionen.
Schweinehalter müssen Betriebskonzepte zwischen Risikominimierung und unternehmerischer Freiheit neu austarieren. Erik Thijssen, Schweinehalter in Schwepnitz (Sachsen), appellierte vor dem Hintergrund der sich wandelnden wirtschaftlichen Bedingungen an die Schweinehalter, ihre Position in der Wertschöpfungskette zu verbessern. Insbesondere für die Bündelung des Schweineangebotes und die Profilierung des Produktes Schweinefleisch, beispielsweise bezüglich der Parameter Herkunft und Tierwohl, sei ein Umdenken notwendig.
In der Kostenreduktion sieht Lutz Scheibler, Marktfruchterzeuger in Poppendorf (Mecklenburg-Vorpommern), einen zentralen Faktor, um die Stabilität des Betriebes bei niedrigen Erzeugerpreisen zu sichern. Einen besonderen Fokus legt er dabei auf die Kosten der Arbeitserledigung. Sein weiteres Credo: „Nicht auf Erträge verzichten“ und das Ertragspotenzial des Standortes nutzen. Denn hohe Erträge sind neben niedrigen Produktionskosten die Basis für wirtschaftlichen Ackerbau. Die Notwendigkeit der Kostenreduktion im Ackerbau trifft auf tendenziell steigende Kosten durch die Abnahme von Wirkstoffen im chemischen Pflanzenschutz und den dadurch steigenden Aufwand durch mechanischen Pflanzenschutz. Zudem müssen teils die Fruchtfolgen wegen zunehmender Resistenzen und Anforderungen aus Greening und Düngeverordnung umgestellt beziehungsweise der laufende Anbau angepasst werden.
In Tiefpreisphasen komme der Liquidität der Betriebe eine sehr hohe Bedeutung zu, sagte der Berater Bernd Lührmann von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen. „Hilfreich sind dabei natürlich Liquiditätsreserven aus besseren Preisphasen. Allerdings sind diese zu selten auf den Betrieben zu finden“, betonte er. Denn die effektivste Liquiditätssicherung beginne in Hochpreisphasen. Nur dann könnten Liquiditätsreserven angelegt werden, die den Betrieb erheblich stabilisieren und das Bankrating sehr positiv beeinflussen. Aber auch Sondertilgungen oder die vorzeitige Rückführung von Darlehen in Phasen sehr guter Liquidität könnten den zukünftigen Kapitaldienst senken und dadurch Tiefpreisphasen erleichtern. Daher rät er bereits jetzt, den Umgang mit vorhandener Liquidität in einer zukünftigen Hochpreisphase zu durchdenken.