"Integration auf Augenhöhe"
Öffentliche Sitzung DLG-Ausschuss für Schweinehaltung, 1. September 2016
Die Frage „Integrierte Produktion: Perspektiven für die Schweinehaltung?“ wurde im Arbeitskreis Schweinehaltung auf den Unternehmertagen 2016 intensiv diskutiert.
Die Frage „Integrierte Produktion: Perspektiven für die Schweinehaltung?“ wurde im Arbeitskreis Schweinehaltung auf den Unternehmertagen 2016 intensiv diskutiert.
Zunächst zeigte Dr. Albert Hortmann-Scholten von der LWK Niedersachsen die Entwicklung der Schweinehaltung der letzten Jahre in Deutschland auf. Strukturwandel und zunehmende Marktkonzentration haben dazu geführt, dass die Schere zwischen Lebensmittel- und Erzeugerpreisen immer weiter auseinander geht und somit die Margen für die Erzeuger schrumpfen. Hinzu komme die Austauschbarkeit von Rohstoffen zugunsten der Kostenführer. So hat Spanien mittlerweile Deutschland als Schweineproduzent Nr. 1 in der EU überholt. Grund sind die geringeren Auflagen und somit besseren Produktionsbedingungen, was der Begriff „Non-NGO-Schwein“ deutlich macht.
Dies habe auch bei ihm zu einem Umdenken bei der Frage nach der integrierten Produktion geführt. Neben den Integrationssystemen, die durch Schlachtunternehmen als Integrator vorangetrieben werden gibt es die Rückwärtsintegration durch den LEH. Beide sind vertikal orientiert. Integrationssysteme durch Erzeugergemeinschaften sind horizontal ausgerichtet und bieten seiner Ansicht nach eine Grundlage für Kooperationsmodelle, bei denen Integration nicht gleichbedeutend ist mit dem Begriff der „Lohnmast“. Eine Produktionssteuerung wie beim Geflügel sei in der Schweinehaltung aufgrund der unterschiedlichen Struktur und Vermarktung nicht möglich.
Aus seiner Sicht kann der Prozess nicht aufgehalten, aber vielleicht mitgestaltet werden. Mit der „5xD“-Strategie könnte zum Beispiel die Austauschbarkeit der Erzeuger als Rohstofflieferanten verhindert und in Sachen Rückverfolgbarkeit gepunktet werden.
Prof. Dr. Gerhard Schwarting zeigte das Kräfteverhältnis zwischen den Monopolisten bei den Schlachthöfen und dem Lebensmitteleinzelhandel auf der einen Seite und den Landwirten als Einzelkämpfer auf der anderen Seite auf. Sein Ansatz für die Auflösung dieser ungleichen Geschäftsbeziehung ist es, ein ebenfalls monopolistisch aufgestelltes Deutsches Schweinekontor aufzubauen. Dabei gäbe es eine Andienungspflicht der Landwirte und eine Abnahmepflicht der Schlachtunternehmen ans Schweinekontor. Mit Rechenbeispielen zeigte er die Funktionsweise des Systems auf, bei der der Preis für das Schweinefleisch schon bei der Bestellung, die schon vor der Besamung erfolgt, festgelegt ist. Weiter rechnete er vor, dass weitere Ansprüche des LEH mit 10 cent je kg Schlachtgewicht vergütet werden müssten.
Heribert Qualbrink machte deutlich, dass es für Westfleisch entscheidend ist, Integration auf Augenhöhe zu betreiben. Bei Westfleisch sind die Landwirte selbstständige Unternehmer, sie sind Eigentümer des Schlachtbetriebes und durch Mitbestimmung erfolgt eine gemeinsame Ausrichtung am Markt durch Unternehmen und Landwirte. Vertragliche Integration bedeute Qualität durch Verbindlichkeit, Regionalität sei gleichgesetzt mit Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit sowie Identität. Westfleisch wirbt mit über 200 Hofportraits ihrer Landwirte und bietet den Kunden auch die Möglichkeit, jederzeit Betriebe zu besichtigen. Somit können durch Integration auch Werkzeuge zur Kommunikation bereitgestellt werden, die von den „integrierten Landwirten“ für die betriebsindividuelle Kommunikation genutzt werden können.
Der Vorschlag wurde kontrovers diskutiert. Da die Lebensmittelhändler nicht rein national engagiert sind, sondern alle Marktteilnehmer in einer globalisierten Welt aktiv sind, sei das System so nicht umsetzbar. Dennoch wurde der Ansatz, fern der bekannten Muster zu denken um neue Denkanstöße und bisher unbekannte Ideen zu entwickeln, positiv aufgenommen.
Die Frage nach der Umsetzbarkeit und Wirkung einer EU-weiten Abstockung der Sauenbestände um 2 Prozent pro Jahr wurde unterschiedlich gesehen. Hier sahen die Diskutanten Probleme der Kontrolle sowie die Umsetzung in einem freien Weltmarkt, bei dem die EU nicht abgeschottet ist. Darüber hinaus würden voraussichtlich bei einem Anstieg der Preise wieder Investitionen getätigt. Andererseits wurde angemerkt, dass durch Tierwohlanforderungen ohnehin der Trend Richtung Abstockung gehe.
Die Diskussion zeigte darüber hinaus, dass die Preisschwankungen bei den Schweine- und Ferkelpreisen aktuell nicht mehr so groß sind und es längere stabile Phasen gibt. Dies stelle die Erzeugergemeinschaften und die Branche vor die Aufgabe das System der Preisfindung zu überarbeiten und anzupassen.
In der weiteren Diskussion wurde deutlich, dass angesichts des weiter gehenden Strukturwandels und der zunehmenden Konzentration in der abnehmenden Hand, der Weg zur Integration ein kontinuierlicher Prozess sein wird. Gleichzeitig erlauben verschiedene Vermarktungswege unterschiedliche Systeme, die auch durchaus nebeneinander bestehen können und werden. Daher wird es in Zukunft nicht nur die integrierte Produktion geben, weshalb keine schwarz-weiß Diskussion geführt werden sollte.
Für die integrierte Produktion selbst wurde angemerkt, dass ein Wettbewerb notwendig sei mit mehreren Integrationssystemen, sodass es sich beim Integrator nicht um einen Monopolisten handelt und die Wertschöpfung auch beim Landwirt ankommt und nicht nur beim Integrator bleibt.
Die Veranstaltung machte deutlich, dass das Thema der integrierten Produktion künftig auch in Hochpreisphasen diskutiert wird. Der DLG-Ausschuss für Schweineproduktion wird es entsprechend weiter verfolgen.
Ferkelerzeuger und Schweinemäster Dirk Frahne hielt dagegen, dass der Ansatz von Westfleisch regional und im kleineren Stil möglich, bei größeren Schlachthöfen jedoch nicht umsetzbar sei. Er will sich so lange gegen die integrierte Produktion wehren wie es geht. Er arbeitet im geschlossenen System, was er als betriebsinterne Integration bezeichnete und für kleinere Betriebe auch weiterhin als Zukunftsmodell sieht. Für ihn sind die Selbstständigkeit als höchstes Gut, eigene Verantwortung und hohe Motivation durch Unabhängigkeit besonders wichtig. Darüber hinaus sieht er am freien Markt größere Chancen für gute Betriebe und will bewusst auch das unternehmerische Risiko tragen.